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Gunnar Heinsohn: Deflationsbekämpfung letzten Standes

Gunnar Heinsohn ist in jeder Hinsicht ein Querdenker: er schrieb wegweisendes zur Ökonomie, aber auch zum Holocaust und anderen historischen und soziologischen Themen. Hier ein Text von Heinsohn „Deflationsbekämpfung letzten Standes“ aus dem in jeder Hinsicht empfehlenswerten Malik Blog, aus dem wir diesen Text (hier im Original) mit Genehmigung des Autors übernehmen:

 

Mechanisch bedeutet eine ökonomische Krise, dass die Schulden der wirtschaftlichen Akteure gleich hoch bleiben oder steigen, während die für ihre Bedienung erforderlichen Geldzuflüsse sinken, weil weniger oder nicht zum bisherigen Preis verkauft werden kann und weil Lohnsummen durch Gehaltssenkungen und/oder Arbeitslosigkeit fallen. Was an Geld für die Tilgung fehlt, muss durch Vermögensverkauf aus der Substanz genommen werden. Diese Liquidierungen führen zum Fall der Eigentumspreise, was die Deflation von Waren- und Arbeitspreisen weiter beschleunigt.

Frisches Geld für neue Nachfrage und die Stabilisierung der Preise kommt jetzt nicht mehr von den Privaten. Ihr verpfändbares Eigentum ist runtergepreist und macht auch Kredite von gestern „faul“, weil bei Vollstreckung weniger zurückkommt als verliehen wurde. Die Gläubiger holen das Fehlende dann ebenfalls aus der Substanz (dem Eigenkapital) und verlieren an Ausleihkapazität.

Klassisch tritt jetzt der Staat im Namen der Privaten als Schuldner auf und „pumpt“ frisch geliehenes Geld als Sozialhilfe oder – von ihm zu bezahlende – Aufträge ins System, damit Preise und Einkommen wieder steigen und aus diesen Geldzuflüssen die Schuldkontrakte erfüllt werden können. Kommt der Staat an die eigene Überschuldungsgrenze – bei den Bürgern ist nicht mehr problemlos zu holen, was er fürs Tilgen braucht – setzen Zentralbanken mit der Zinsnullung nach, damit für Geschäftsbanken der Staatstitelkauf weiter etwas abwirft. Wenn auch das nicht reicht, setzt der Direktankauf von Titeln ein (einschließlich staatlich garantierter Hypotheken etc.). Bei der US-Fed bringt das die Bilanz von gut 800 Milliarden 2007 auf knapp 4.2 Billionen Dollar im März 2014 bzw. von 5.3 auf 26 Prozent des amerikanischen Bruttosozialprodukts.

Gleichwohl sinkt im selben Zeitraum die US-Beschäftigungsrate von 66.4 % (01/2007) auf nur noch 63 Prozent (01/2014). Der Anteil nicht tilgungs- und verschuldungsfähiger, aber Versorgung benötigender Akteure wächst ohne Pause. Ist jetzt alles Pulver verschossen? Keineswegs! Nullzins für frisches Geld zur Deflationsbekämpfung über die Preissteigerung bei den damit gekauften Aktien und Rohstoffen („Inflationsziel 2 Prozent“) sowie staatliche Geldflüsse an Inaktive über die zentralbankliche Regierungsfinanzierung sollen das letzte Wort nicht sein.

Auf die Frage, ob das nicht „irgendwann“ aufhören müsse, antwortet Kevin Sheedy am 21. März 2014 mit einer neuen Zieldefinition für Zentralbanken. Sie sollen nicht schon bei Erreichen eines Inflationszieles die Trickkiste schließen, sondern erst bei einem Volumen des Bruttoinlandsproduktes, das den privaten Schuldenstand wieder bezahlbar macht. Weil Schulden auch dann ihre Höhe behalten, wenn die wirtschaftliche Gesamtleistung sinkt, solle in Zukunft deren Erhöhung zur Hauptaufgabe der Zentralbanken werden. Link

Ein Stein der Weisen? Zumindest eine neue Definition des St. Nimmerleinstages. Man macht mit der zentralbankfinanzierten Staatsverschuldung zwar so unlimitiert weiter wie bisher, aber man begründet dieses Vorgehen einmal anders.

Vom Eigenkapital der Zentralbanken für das Unterlegen der angekauften Titel weiss Sheedy nichts. Dabei könnte man noch weiter denken. Wenn die Fed einmal – sagen wir – 16 Billionen Dollar Staatspapiere in der Bilanz hat, erklärt die Regierung sich für zahlungsunfähig. Die Fed muss die 16 Billionen abschreiben, weil sie aus dem Eigenkapital nicht zu decken sind und ist bankrott. Wie ginge es dann weiter? Die Zahl der Inaktiven bzw. nicht Verschuldungsfähigen wäre weiter gestiegen und die Schuldenbedienungsfähigkeit des Staates gesunken, weil er auf immer weniger Bürger zurückgreifen müsste. Vor seinen nun anzubietenden oder ins Eigenkapital einer neuen Zentralbank zu schiebenden Titel würde das Publikum schreiend davonlaufen. Am Ende käme es doch zur Entschuldung der Zahlungsunfähigen auf Kosten der Gläubiger mit der Hyperdeflation aus den dann allfälligen Liquidierungen. Eine Zentralbank kann das Bruttosozialprodukt nicht hochschieben, weil sie – Nullzins hin oder her – den dafür benötigten Akteuren weder das Pfand für Kredite noch die Innovationen für neue Geschäfte zur Verfügung stellen kann. Mehr als ein Herausschieben des St. Nimmerleinstages geht nun einmal nicht.



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