
Die Notenbanken haben die Zinsen angehoben – im Gefolge stiegen auch die Renditen (Kapitalmarkt-Zinsen) deutlich an. Welche Bereiche aber sind vom starken und schnellen Anstieg der Zinsen besonders betroffen?
So lange ist es gar nicht her, da lebten Familien, Unternehmen und Regierungen praktisch in einer Welt des kostenlosen Geldes. Der Leitzins der US-Notenbank lag bei null – und die Zentralbanken in Europa und Asien nutzen negative Zinsen, um nach der Finanzkrise und während der Corona-Pandemie die Konjunktur anzukurbeln.
Diese Zeiten scheinen nun vorbei. Vom Wohnungsbau bis hin zu Fusionen und Übernahmen hat sich das Umfeld komplett gewandelt. Das illustrierte gerade erst die Rendite 30-jähriger US-Treasuries, die erstmals seit 2007 über die Marke von 5% geklettert ist.
Fast anderthalb Jahrzehnte sei von offizieller Seite alles getan worden, um die Renditen unter Kontrolle zu halten, sagt Stratege Jim Reid von der Deutschen Bank. Damit sei es in den vergangenen Quartalen “recht abrupt” zuende gegangen.
“Ich kann mir nicht vorstellen, dass die jüngsten Renditebewegungen nicht das Risiko eines Unfalls irgendwo im Finanzsystem erhöhen”, so Reid. Es seien “riskante Zeiten.”
Die Bedeutung der Staatsanleihen hilft zu erklären, warum die Entwicklung am Bondmarkt für die reale Welt von Bedeutung ist. Schuldverschreibungen wie US-Treasuries gelten als quasi risikofrei und stellen bei den Zinsen damit den Basissatz dar, an dem alle anderen Anlagen gemessen werden. Wenn die Staatsanleihe-Renditen steigen, wirkt sich das daher rasch in die Breite aus – von Autokrediten über Überziehungskredite bis hin Darlehen an die öffentliche Hand und die Kosten für die Finanzierung von Unternehmensübernahmen.
Wie enorm der internationale Schuldenberg ist, dessen Zinslast in die Höhe schnellt, zeigen Daten des Institute of International Finance: In der ersten Hälfte des Jahres 2023 dürfte das Gesamtvolumen bei 307 Billionen Dollar gelegen haben.
Im Folgenden ein Blick von Bloomberg auf Bereiche, die mit steigenden Zinsen unter Druck geraten:
Hohe Zinsen: Schmerzen auf dem Wohnungsmarkt
Für viele Verbraucher sind Hypotheken der erste Ort, an dem sich dramatische Zinsänderungen wirklich bemerkbar machen. Großbritannien war in diesem Jahr ein Paradebeispiel dafür. Viele, die in der Pandemiezeit einen günstigen Kredit aufgenommen haben, müssen nun umfinanzieren und sehen sich mit einem schockierenden Anstieg ihrer monatlichen Raten konfrontiert.
Damit schwindet am Markt das Kaufinteresse. Die Zahl der Transaktionen geht zurück und die Immobilienpreise stehen unter Druck. Die Banken verzeichnen einen Anstieg der Zahlungsausfälle. Laut einer einer Umfrage der Bank of England haben sie im zweiten Quartal den höchsten Stand seit der globalen Finanzkrise erreicht.
Am US-Hypopthekenmarkt hat der Zins für 30-jährige Festzinskredite die Marke von 7,5% überschritten. 2021 lag er noch bei rund 3%. Bei einer Hypothek über eine halbe Million Dollar steigt die monatlich zu leistende Zahlung damit um rund rund 1.400 Dollar.
Druck auf die Staatsfinanzen durch hohe Zinsen
Höhere Zinsen bedeuten auch, dass die Länder mehr für ihre Kreditaufnahme ausgeben müssen. Beispiel USA: In den elf Monaten bis August beliefen sich die Zinskosten Washingtons auf insgesamt 808 Milliarden und damit rund 130 Milliarden Dollar mehr als im Vorjahr.
Die damit einhergehende Belastung wächst, je länger die Zinsen hoch bleiben. Im Gegenzug könnten die Regierungen gezwungen sein, noch mehr Kredite aufzunehmen oder an anderer Stelle weniger Geld auszugeben.
US-Finanzministerin Janet Yellen räumte in dieser Woche bereits ein, sich Gedanken über die Renditen zu machen. Diesseits des Atlantiks richten sich die Augen vieler Anleger auf das Haushaltsdefizit Roms und den Risikoaufschlag, der bei italienischen Staatsanleihen gegenüber deutschen Bunds gefordert wird.
Defizite der Staaten in Europa
Börsenrisiko
Die Anleihen bonitätsstarker Staaten zählen aus Anlegersicht zu den sichersten Investments der Welt. Mit den jüngsten Renditeanstiegen ist die Risikoprämie, die es demgegenüber am Aktienmarkt gibt, geschrumpft. Beim US-Börsenbarometer S&P 500 liegt sie nahe null, was es seit mehr als zwei Jahrzehnten nicht mehr gab.
Fühlen sich die Anleger in großer Zahl nicht mehr angemessen für ihr Risiko entschädigt, droht ein Ausverkauf. “Das ist der größte Gefahrenherd”, sagt Ian Lyngen, Chef der Zinsstrategie bei BMO Capital Markets.
Firmen durch Zinsen unter Druck
Die Unternehmen haben das letzte Jahrzehnt damit verbracht, Barmittel zu sehr niedrigen Zinsen zu beschaffen. Viele stützten ihre Geschäftsmodelle auf die Annahme, dass sie Zugang zu den Märkten haben würden, falls sie mehr Geld benötigen.
Das hat sich geändert. Die meisten Unternehmen sackten im Niedrigstzins-Umfeld jedoch so viel Geld ein, dass sie die Märkte nicht anzapfen mussten, als der Zinserhöhungszyklus begann. Das Problem ist nun das Notenbankmantra des “länger höher”.
Müssen in Geldnot geratene Unternehmen den Markt anzapfen, droht ihnen oft ein Anstieg der Kreditkosten auf fast das Doppelte.
M&A-Flaute
Die gestiegenen Zinsen haben sich in den letzten anderthalb Jahren negativ auf die Bereitschaft der Banken ausgewirkt, große Fusionen und Übernahmen zu unterstützen. Dahinter steht die Sorge, auf Schulden in den Büchern sitzen zu bleiben, die eigentlich hätten an Investoren weiterverkauft werden sollen.
Laut Bloomberg-Daten belief sich der Wert der globalen M&A-Deals im laufenden Jahr (bis Ende September) auf 1,9 Billionen Dollar. Damit steuert der M&A-Markt auf das schwächste Jahr seit einer Dekade zu.
Zeitbombe Bürogebäude-Schulden
Gewerbeimmobilien sind ein Sektor, der stark auf die Aufnahme großer Kreditsummen angewiesen ist. Zinsanstiege sind für die Branche damit Gift. Der Anstieg der Bondrenditen hat die Bewertungen von Immobilien unter Druck gebracht, da Käufer Erträge fordern, die einen Aufschlag zu den Renditen der quasi risikofreien Staatsanleihen bieten.
Dadurch sind die Beleihungsquoten gestiegen — und damit das Risiko eines Verstoßes gegen die Kreditkonditionen. Darlehensnehmer stehen vor der Wahl, mehr Eigenkapital zuzuführen, sofern vorhanden, oder noch mehr Kredite aufzunehmen, zu teureren Konditionen.
Die andere Möglichkeit besteht darin, Immobilien in einem fallenden Markt zu verkaufen, was zu einem stärkeren Abwärtsdruck auf die Preise führt und wiederum zu mehr finanziellen Problemen führt. Im Bürobereich kommt noch der Strukturwandel in der Ära des Homeoffice hinzu, und im Einzelhandel die Ära Amazon.
Pensionsmalaise
Am Finanzmarkt gab es zuletzt sowohl bei Anleihen als auch bei Aktien Kursverluste. Das bringt Pensionsfonds mit festgelegten Ausschüttungen unter Druck, die dazu neigen, ihre Portfolios klassisch nach der Devise 60% Aktien und 40% Anleihen auszurichten.
FMW/Bloomberg
Lesen Sie auch
Stundenlöhne höher - Arbeitsmarkt bleibt stark US-Arbeitsmarktdaten besser, Arbeitslosenquote fällt deutlich – Problem für die Fed
Laut Ökonomen ist der Markt zu voreilig EZB liegt im Clinch mit den Märkten über ausufernde Zins-Hoffnung
Durchgehende Zinssenkungen bis Anfang 2025 Goldman Sachs: EZB-Zinssenkung im März möglich, eher April
Kommentare lesen und schreiben, hier klicken
Am US Immobilienmarkt wird diesmal zuerst die Bombe hochgehen. Alle Indikatoren deuten darauf hin. Die Preise sind explodiert und jetzt sind auch noch die Zinsen dazu explodiert, das ist der perfekte Sturm.
Dann müssen die Kreditnehmer ihre Aktienbestände verkaufen, was die unter Druck bringt, die ihre Positionen nur auf Pump aufgebaut haben, das zwingt dann die kreditgebenden Banken zu Notverkäufen des Portfolios und schon baut sich da eine Kettenreaktion auf….
Vollkommen egal wie hoch die Anleiherenditen sind oder sonst irgendwelche Parameter. Man sieht ja, was heute passiert nach den angeblich so „starken“ Arbeitsmarktdaten die ja sooo schlimm wären. Nix ist. Ab jetzt kommt wieder das Spiel mit absurd gesenkten Gewinnwarnungen die dann alle haushoch übertroffen werden und schon geht es lustig über in die dämliche aber wohl unvermeidliche Jahresendrally. Der Verbraucher bezahlt auch doppelte oder dreifache Preise stoisch einfach aus der Hüfte. Hauptsache er hat seinen gewohnten Konsum-Kick. Nix geht da zurück – im Gegenteil. Die Leute wurden jahrelang so mit Geld zugeworfen, da fehlt es an nix.
Zombieunternehmen werden hinausgekegelt…vielleicht…wär ja nicht schlecht.
20-25% arbeitslosenquote ?
ok, das wird interessant…
vorher wird ’ne cbdc eingeführt, die heimlich enteignet und social scored, so hohe arbeitslosenquoten wären ein sicherheitsrisiko