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Inflation: in Deutschland nach europäischer Berechnungsmethode schon bei fast 9%

Die Realität lässt sich nicht aussperren, auch nicht aus dem schicken gläsernen EZB-Turm in Frankfurt

Inflation EZB HVPI

Für den Monat Mai wiesen die vorläufigen Zahlen gemäß HVPI eine Inflation für Deutschland von 8,7 Prozent aus. Frühindikatoren deuten für den Sommer auf zweistellige Inflationsraten hin. Und was tut die EZB?

Inflation in Deutschland schon bei 8,7 statt 7,9 Prozent?

Seit Juli 2021 befindet sich die Inflation in Deutschland auf Rekordniveau. Laut vorläufigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes betrug der Anstieg der Endverbraucherpreise gemäß Verbraucherpreisindex (VPI) im Mai dieses Jahres 7,9 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Selbst während der Ölkrisen in den 1970ger-Jahren wurden Teuerungsraten in dieser Höhe nicht erreicht. Doch das dürfte noch lange nicht das Ende der Fahnenstange sein: Der „I-Index“, ein auf Algorithmen basierendes Inflations-Frühwarnsystem von der TU Dortmund und dem Handelsblatt hat anhand der Auswertung von über drei Millionen Medienartikeln schon im April einen neuen Rekordstand von 10,9 Prozent Inflationserwartung für die kommenden Monate angezeigt.

Schaut man sich die Teuerungsrate für Deutschland gemäß der europäischen „harmonisierten“ Berechnungsmethode (HVPI) an, dann ist Deutschland schon jetzt nicht mehr weit von prozentual zweistelligen Werten entfernt: Der harmonisierte Verbraucherpreisindex ist der zentrale Indikator für die Europäischen Zentralbank (EZB) zur Beurteilung der Preisstabilität innerhalb der Staaten der Eurozone. Er lag nach vorläufigen Berechnungen für Mai 2022 bei 8,7 Prozent für Deutschland gegenüber dem Vorjahresmonat. Das sind 0,8 Prozentpunkte mehr als bei der Berechnung des VPI.

Die Berechnungsmethoden des VPI gegenüber dem HVPI unterscheiden sich in der Berücksichtigung, Aktualisierung und Gewichtung einzelner Preiskomponenten. So lässt der HVPI z. B. Ausgaben für Glücksspiel unberücksichtigt, während der deutsche VPI sie in die Ermittlung der Inflation mit einbezieht. Beim HVPI steht zudem die Aktualität des zugrunde liegenden Warenkorbs mehr im Vordergrund, also die an die aktuellen Gegebenheiten angepassten Konsumgewohnheiten der Verbraucher. Der VPI kommt in der EU ausschließlich in Deutschland zur Anwendung.

Inflation VPI und HVPI

In 9 EU-Staaten lag die Inflationsrate nach der für die EZB relevanten Berechnungsmethode (HVPI) bereits im April bei über 10 Prozent.

EU-Staaten HVPI Inflation

Dass die Inflationsrate in Deutschland in den kommenden Monaten neue bundesrepublikanische Rekorde erreicht und zweistellig wird, lässt sich auch aus den Preisen für die Importe, die Erzeugung und den Großhandel ableiten. Zuletzt stiegen die Importpreise im April mit 31,7 Prozent nach 31,2 Prozent im März auf den höchsten Stand seit 48 Jahren. Die Erzeugerpreise stiegen im April sogar um 33,5 Prozent nach 30,9 Prozent im März. Die Inflationsspirale dreht sich also unbeirrt weiter.

Preisentwicklung in Deutschland

Inflation und Geldpolitik – Wunsch und Wirklichkeit

Allein die EZB scheint den Ernst der Lage völlig zu verkennen. Mit einem Hauptrefinanzierungssatz von 0 Prozent pro Jahr und einem negativen Einlagenzinssatz von -0,5 Prozent pro Jahr bei gleichzeitig weiter rotierender digitaler Notenpresse kommt der Europäischen Zentralbank in Sachen Inflationsbekämpfung jede Glaubwürdigkeit abhanden. Zumal das selbst definierte mittelfristige symmetrische Inflationsziel bei 2 Prozent pro Jahr liegt.

EZB EInlagensatz vs HVPI vs Inflationsziel

Es mag defätistisch klingen, permanent auf die Inflationsgefahren hinzuweisen. Aber die Realität lässt sich nicht aussperren, auch nicht aus dem schicken gläsernen EZB-Turm am Frankfurter Ostend.

Die Schuldentragfähigkeit der Südländer inklusive Frankreich und damit die Bewahrung der Eurozone haben klar Priorität für die EZB. Aber ihr Hauptmandat ist und bleibt die Geldwertstabilität. Ignoriert der EZB-Rat diese Tatsache zu lange, droht eine Vertrauenskrise mit unabsehbaren Folgen für die europäische Gemeinschaftswährung. Und das nicht irgendwann, sondern noch in diesem Jahr.

Alle Maßnahmen, die die EZB bislang angekündigt hat, kommen viel zu spät und sind völlig unzureichend in Hinblick auf die Erreichung ihres selbst gestecktes Inflationsziels.



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2 Kommentare

  1. Dr. Sebastian Schaarschmidt

    Eine Inflation die nicht bekämpft wird erzeugt automatisch eine noch höhere Inflation und die Märkte werden entsprechend reagieren.
    Die Notenbanken haben das Problem der Inflation in Gänze noch nicht erkannt oder wollen es nicht erkennen.

  2. Tja, niemand möchte zugeben, dass sich die EU in ihrer jetzigen Form in einer Sackgasse befindet. Die ursprüngliche Idee, dass alle Länder auf einen ungefähr gleichen Standad kommen, hatte ich auch mal anders verstanden. Jetzt nähern wir uns dem früher Südeuropäischen Standard an.

    Gute Nacht

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