Am 21. Juli verkündete die EZB ihr neuestes Instrument zur Manipulation der freien Preisbindung an den Märkten. Offiziell geht es darum spekulative Übertreibungen an den Anleihemärkten abzubremsen. Was die EZB mit „Spekulative Übertreibungen“ meint, sind lediglich die frei am Markt gebildeten Risikoaufschläge für die Renditen zum Beispiel von italienischen Staatsanleihen im Vergleich zu denen für deutsche Staatsanleihen. Es ist nun mal so, dass der internationale Kapitalmarkt für Italien ein höheres Ausfallrisiko bei der Rückzahlung von Staatsanleihen erwartet als bei Anleihen aus Deutschland.
Rendite-Spread zwischen Italien und Deutschland steigt
Und dieses Risiko preist man ein, in dem durch die Neubepreisung für Staatsanleihen höhere Renditen für Italien herauskommen als für Deutschland. Derzeit sehen wir für 10 Jahre laufende deutsche Staatsanleihen (allgemein genutzter Referenzwert für europäische Anleihen) eine Rendite von 1,31 Prozent, und für Italien bei 3,64 Prozent. Der Spread, also der Abstand beträgt also 2,33 Prozent oder 233 Basispunkte. Eben diesen Spread sieht man im großen Chart am Ende des Artikels. Je größer der Spread, desto geringer das Vertrauen der Märkte in Italien als Schuldner.
Im letzten halben Jahr hat die deutsche Rendite von 0,21 auf jetzt 1,31 Prozent zugelegt im Zeichen der Zinswende. Aber die italienische Rendite legte weitaus stärker zu von 1,92 auf 3,64 Prozent. Obwohl beide Länder die selben Zinssätze durch die selben Zentralbank haben und die selbe Währung, steigen die italienischen Renditen schneller an. Letzte Woche sah man, wie die italienische Staatsverschuldung für den Monat Juni vermeldet wurde mit einem neuen Rekordhoch von 2,76 Billionen Euro (siehe erste Grafik mit dem stetigen Anwachsen in den letzten 25 Jahren). Ein wenig Aufatmen wird man vielleicht, weil die Verschuldung Italiens in Relation zum Bruttoinlandsprodukt derzeit mit 126 Prozent etwas geringer ist als vor einem Jahr mit 130 Prozent. Dies liegt an der gewachsenen Wirtschaftsleistung, weswegen die prozentuale Relation der Schulden etwas sinken konnte.
In vier Wochen wird in Italien gewählt
Aber die Verschuldung an sich nimmt in Italien immer weiter zu. Und nun könnte sich die Lage wieder verschärfen. Erstens steht Europa direkt an der Schwelle zur Rezession. Und in vier Wochen werden in Italien Parlamentswahlen abgehalten. Und so wie es derzeit aussieht, wird es wohl eine neue Regierung aus einem rechten Block geben. Man könnte nun vermuten, dass diese neue Regierung ihre Wähler mit Wahlgeschenken versorgen wird, die man auf Pump finanziert. Wird es so kommen, dürften die Anleihemärkte dies mit noch größeren Renditeabständen zu den deutschen Bundesanleihen einpreisen – weil die Wahrscheinlichkeit eines Staatsbankrotts für Italien zunimmt. Auch wenn EZB und EU so eine Pleite wohl kaum zulassen würden – dennoch ist es ein gesunder „Hinweismechanismus“ der Märkte, über den die Regierungen auf Probleme hingewiesen werden.
EZB aktiviert bald das TPI?
Bei derzeit 233 Basispunkten Abstand in den Renditen zwischen Italien und Deutschland müsste es doch längst Zeit sein für den TPI der EZB? Im Juli hatte sich die EZB endlich mal wieder eine neue Abkürzung ausgedacht. TPI steht für „Transmission Protection Instrument“, dass am 21. Juli beschlossen, aber noch nicht aktiviert wurde. Mit dem Verkauf von Nordländer-Anleihen und dem gezielt verstärkten Ankauf von Südländer-Anleihen sollen die Rendite-Spreads verringert werden. Die EZB schaltet also die Funktion von Risikoprämien aus, die auf Probleme hindeuten. Aus Aussagen von EZB-Direktorin Isabel Schnabel von vor fünf Tagen geht hervor, dass die EZB das TPI noch nicht aktiviert hat.
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source: tradingeconomics.com
Der folgende TradingView Chart zeigt den Rendite-Spread zwischen Italien und Deutschland seit dem Jahr 2018. Seit gut 11 Monaten ist der Spread kräftig an Anwachsen von 103 auf 233 Basispunkte. Aktuell ist der Abstand fast so groß wie kurz nach Ausbruch der Coronakrise vor zwei Jahren – damals waren es 240 Punkte. Man kann vermuten, dass die EZB nun jederzeit entscheiden könnte das TPI zu aktivieren, also aktiv mehr italienische Staatsanleihen aufzukaufen – was die Rendite italienischer Papiere und auch den Spread zu Deutschland drücken würde. Es wäre aber keine Lösung eines Problems, sondern nur das künstliche und temporäre Verdecken eines Problems.
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Denkbar wäre auch, dass eine neue Rechtsregierung die Sanktionen abmildert oder gar beendet.
Zum Beispiel weil die Bürger nicht mehr über die Runden kommen, was teilweise jetzt schon der Fall ist.
Das würde die italienische Wirtschaft beflügeln (wieder jede Menge billlige Energie).
Was würde dann wohl der berüchtigte Spread machen?
Die Italiener hängen am Tropf der EZB. Hätte Draghi die Italiener, rechtswidrig, nicht gerettet, wäre die heutige Währung die italienische Lira, so stark wie die türkische Lira mit 80 Prozent Inflation.
Die Italiener sind zu hoch verschuldet, bald 200 Prozent des BIP, als das sie irgendwelche Ansprüche stellen können.
Wenn die EZB die Unterstützung entzieht, dass muss Italien bald die Vor- Draghi Zinsen zahlen, im Jahre 2011,das waren damals um die 7 Prozent.
Der italienische Staat könnte das maximal zwei, drei Monate stemmen, dann müsste er sich Unterstützung beim IWF holen, so wie derzeit Argentinien, mit allen Folgen, Sparmaßnahmen etc.
Halt alles nur Theorie.
Italien ist too big to fail.
Das Schicksal Argentiniens trifft entweder alle oder niemanden.
Die Italiener werden den Deutschem also kräftig ans Bein pinkeln – wie lustig! :-)