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Österreich klebt am Gas aus Russland

Österreich hat die Gasimporte aus Russland zuletzt wieder kräftig erhöht. Erst einmal bleibt eine Abhängigkeit bestehen. Eine Analyse.

Österreich-Flagge

Nachdem die größten Gaskunden Deutschland und Italien mehr oder minder freiwillig von russischen Lieferungen absehen, hat Österreich im Zentrum von Europa die Gasimporte aus Russland zum Jahresende wieder kräftig erhöht. Die Alpenrepublik steht zugleich in der Kritik, weil sie an russische Abgeordnete Visa für die kommende OSZE-Konferenz im Land erteilt hat. Die Ukraine will deswegen fernbleiben. Gas aus Russland importiert Österreich über die Ukraine und Ungarn aus Richtung Süden.

Anteil russischer Gaslieferungen in Österreich gestiegen

Auch wenn Österreich wie viele andere Länder in Europa den Gasverbrauch eingeschränkt hat, legten die Gasimporte aus Russland im letzten Dezember anteilig kräftig zu. „Im Dezember kamen geschätzte 71 Prozent der Gasimporte aus Russland, wie aus dem Energie-Dashboard des zuständigen Klimaministeriums hervorgeht. Von Mai bis Oktober 2022 war die Abhängigkeit schrittweise von über 70 auf knapp 20 Prozent gesunken, und danach im November auf rund 40 Prozent gestiegen. Vor dem Ukraine-Krieg war Österreich zu rund 80 Prozent von russischem Gas abhängig“, berichteten österreichische Medien jüngst. Damit sei die Abhängigkeit von Russland wieder gestiegen.

Als Grund für den Anstieg gelten geringere Gasimporte aus Deutschland und Italien im November und Dezember, während die Gasflüsse aus Russland in dieser Zeit relativ konstant geblieben sind. Im Sommer hatte der russische Gaskonzern Gazprom seine Lieferungen an den österreichischen Mineralölkonzern OMV, die in Baumgarten in Niederösterreich, sprich über die Ukraine, ankommen, dagegen stark gedrosselt. Hierzu erklärte OMV-Finanzvorstand Reinhard Florey Anfang Februar, dass Gazprom derzeit wieder 100 Prozent der bestellten Mengen nach Österreich liefere. Im Sommer seien es zeitweise nur 30 Prozent oder noch weniger gewesen. „Das Gazprom-Gas kommt nicht verlässlich, aber es kommt noch“. Für den Vertrag mit Deutschland liefere Gazprom nichts mehr.

Gasimporte diversifizieren ist erste Bürgerpflicht

Im April legte die Österreichische Energieagentur eine Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität, kurz BMK, vor, die zeigt, wie Österreich seinen Gasbedarf ohne russische Importe decken kann. „Rund 80 Prozent des nach Österreich importierten Gases stammen aus Russland. Diese über Jahrzehnte gewachsene Abhängigkeit kann weder unmittelbar noch kurzfristig geändert werden. Bis 2027 ist es durch eine nationale und internationale Kraftanstrengung möglich, die Abhängigkeit von russischem Erdgas zu beenden“, betonte Franz Angerer, Geschäftsführer der Österreichischen Energieagentur.

Gasbezüge diversifizieren, Gas einsparen und die Nutzung eigener Energiequellen sind die Handlungsoptionen, die sich laut Studie anbieten. All das will OMV beherzigen, und setzt auf mehr Eigenproduktion in Norwegen, mehr Gas durch zusätzliche Lieferverträge aus Norwegen und Italien, sowie erhöhte Kapazitäten am LNG-Terminal für Flüssiggas in Rotterdam, an dem die OMV beteiligt ist. In Sachen Reduktion russischer Gasimporte hat Italien bereits im letzten Jahr einen bemerkenswerten Weg hingelegt, und kann laut italienischem Wirtschaftsminister Adolfo Urso auch die letzten 10 Milliarden Kubikmeter Gas aus Russland ab Anfang 2024 durch neue LNG-Importkapazitäten ersetzen. Zugleich war die Importabhängigkeit von Russland nur bei 40 Prozent. Vor allem mit erhöhten Lieferungen aus Algerien konnte Italien das russischen Anteil herunterfahren. Dazu kommen erhöhte Lieferungen aus Aserbaidschan über die Transadriagasleitung TAP, die bis 2027 verdoppelt werden sollen. Italien kommt die geographische Lage entgegen.

Importströme aus Russland sind stabil hoch

Österreich und Ungarn im Zentrum Europas ohne Meereszugang haben demgegenüber das Nachsehen. Traditionelle und neue Pipeline-Verbindungen zementieren nahezu die Abhängigkeit zu Russland. Beide Länder erhalten über die Ukraine und die Schwarzmeergasleitung Turkish Stream aus dem Süden Gas aus Russland. Über die aktuellen Importströme von Österreich informiert der Fernleitungsnetzbetreiber Gas Connect Austria. Demnach bewegen sich diese auf ein Jahr gerechnet in Summe aktuell auf rund 13 Milliarden Kubikmeter Gas.

Dass die russischen Lieferungen wieder so hoch zu Buche schlagen, ist eine Sache. Hinzu kommt, dass russische Abgeordnete nach Österreich zur Wintertagung der Parlamentarischen Versammlung von Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) am 23.-24. Februar in Wien offenbar einreisen dürfen. Welche Wellen das schlägt, darüber berichtet der Standard am 15. Februar. Wegen der erwarteten Teilnahme der russischen Parlamentarier werde das ukrainische Parlament keine Teilnehmer nach Wien zur Tagung entsenden. Auch Litauen habe angekündigt, die Tagung zu boykottieren. Zuvor hätten 81 Abgeordnete aus 20 Ländern Österreich aufgefordert, die Teilnahme der russischen Delegation an der OSZE-Tagung zu verhindern.

Mehr Gas für Österreich aus Italien bietet Ausweg

„Das Österreich-OSZE-Stammsitzabkommen verpflichtet Österreich, die Einreise von Delegationen von Teilnehmerstaaten zu OSZE-Treffen zu erleichtern. Das bedeutet, dass die Erteilung von Visa keine Ermessenssache, sondern eine Frage einer rechtlichen Verpflichtung ist. Folglich wird das Wintertreffen voraussichtlich die Teilnahme der russischen und belarussischen Delegationen einschließen“, hieß in der Pressemitteilung von der Parlamentarischen Versammlung der OSZE am 6. Februar. Die Visa sollen dem österreichischen Außenministerium zufolge nur für Österreich und die Tagungsdauer gültig sein. Ob sich damit der Unmut glätten lässt, ist zweifelhaft. Bei aller Nachsicht für rechtliche und geographische Zwänge erweckt die Alpenrepublik wie Ungarn eine gewisse Neigung zu Russland. Die Diskussionen über die Probleme beim Verzicht auf russische Energielieferungen halten an. Der Zeithorizont bis 2027 zur Unabhängigkeit ist weit gesteckt. Vielleicht kann Italien mit seinen Absichten, zum Gashub für Europa zu werden, Österreich mit mehr Gas aus der russischen Gasklemme befreien. Mehr LNG steht dann ebenfalls auf der Rechnung.



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7 Kommentare

  1. Italien und Österreich haben seit den 70ern beispielgebend gut zusammengearbeitet.
    Von der Südtirolfrage über den Ötzi bis zum aktuellen Gasproblem.
    Das macht Hoffnung für Europa den ganzen Schlechtrednern zum Trotz.

  2. Pingback: Aktuelles vom 16.02.2023 | das-bewegt-die-welt.de

  3. ausser der rechtsradikalen FPÖ, Schwesterpartei d.AfD hat keine der 5 Parlamentsparteien auch nur die geringste Affinität zu Russland! Offenbar hat die Redaktion den Besuch d.BP vor wenigen Wochen in Kiew bei Szelensky nicht mitbekommen, in der er wie der BK u.VK den Überfall auf die Ukraine schärfstens verurteilte, die Kriegsverbrechen als solche benannte u.auch die grosse Solidarität mit der Ukraine betonte.
    Nichts weiss man offensichtlich auch von der vor Tagen erfolgten
    Ausweisung von 4 russischen Diplomaten, was das russ.AM als feindlichen Akt bezeichnete.
    Der Bezug auf die OPEC Konferenz ist insoferne ebenfall unrichtig, es war eine Forderung d.OPEC, dass Ö seine rechtlichen Verpflichtungen einhalten muss u.da liefen im Hintergrund nicht nur wegen d.Standortes Wien sondern auch wegen österr.Mitgliedschaft.
    Und am nächsten Montag wird es eine Sondersitzung d.Nationalrat geben mit dem Thema Ukraine u.alle Parlamentsparteien samt Regierung werden ihren klaren Standpunkt bekanntgeben, Solidarität mit der Ukraine u.Verurteilung Russlands.
    Ausgenommen die FPÖ, die wie in D AfD u.Linke u.die ungarische Regierung die Sanktionen verurteilt, eine Schuld bei der Natoosterweiterung sieht u.über führende österr.u.EU Parlamentsabg.noch immer enge Beziehungen zu Russland u.Belarus pflegt.
    Ich glaube, der ganze Artikel ist auf zuletzt häufige Statements d.ung.Aussenministers u.entsprechende Nachrichten der Staats TV Sender u.regierungsnaher Medien zurückzuführen,die versuchen, innerhalb der EU nicht allein dazustehen.
    ich lebe z.Zt.berufsbedingt in Ungarn u.sehe/ lese tgl.derartige Lügen u.Halbwahrheiten.
    LG aus Österreich🇦🇹🇪🇺

    1. @Berndt Weihs
      Sagen wir es einmal so: Die ÖVP unter Sebastian „The Kid“ Kurz hat sich die letzten Jahre nicht unbedingt mit Ruhm bekleckert und die eigene Russlandpolitik mordsmäßig hinterfragt. Hinter dem Deckmäntelchen der Neutralität lässt sich Opportunismus treffend verstecken.
      https://web.de/magazine/politik/sebastian-kurz-verteidigt-entscheidung-russisches-gas-37334912
      https://www.nzz.ch/wirtschaft/sebastian-kurz-zur-russland-politik-neutralitaet-und-korruption-ld.1687329
      https://www.tagesspiegel.de/internationales/putinunterstutzer-und-scharfmacher-warum-osterreich-sanktionierte-russen-zum-osze-treffen-nach-wien-lasst-9329546.html

    2. Die Schuld liegt auch in der Nahosterweiterung, oder haben Sie etwas nicht mitbekommen. Und was haben Verurteilungen des russ. Angriffs mit dem Einkauf von Gas zu tun ?? Die Ukraine hat die ganzen Monate noch Gas von Russland bezogen.
      Die USA hatten auch auch Sanktionen gegen russ. Düngemittel verhängt. Aber es dauerte nicht lange das sie merkten wie sie sich ins eigene Fleisch schnitten und die Düngemittel wieder kauften. Gleiches tat daraufhin die EU. Nur der Rest der Welt, auch die armen Länder mussten sich daran halten.
      Ich würde sagen Ungarn betreibt eine recht kluge Politik.

      1. @ottonorma

        Was haben Verurteilungen des russ. Angriffs mit dem Einkauf von Gas zu tun ?? … Ich würde sagen Ungarn betreibt eine recht kluge Politik.
        Früher nannte man so etwas Bündnistreue, heute gilt es als klug und schlau, Vertragslücken auszunutzen und wie ein Fähnchen im Wind herumzuflattern.
        Um es in Ihren typischen Phrasen zu formulieren, haben Sie noch nicht mitbekommen, dass Ungarn Mitglied in der EU ist, so wie die Türkei in der NATO?

        In Bündnissen und Kooperationen gibt es Rechte und Pflichten.
        In alten Bündnissen des vergangenen Jahrhunderts gibt es rechtliche Schwächen, Schlupflöcher, unangepasste Prämissen für neue Mitglieder.
        In Krisensituationen ist es nicht die Aufgabe, als unbedeutendes Mitglied nur auf den Rechten zu bestehen und alle Pflichten zu vernachlässigen. Es ist Privileg und Sakrileg zugleich, dass unbedeutende konservative Fanatiker und Extremisten in Zwergenstaaten den Takt vorgeben können und dürfen.

        Leider entwickelt sich das Privileg in Ungarn und der Türkei zum Schwanzvergleich oder Basar, auf dem man kleine unbedeutende Eigeninteressen gegen überragende Bündnisinteressen ausspielt. In Friedenszeiten, meinetwegen. Aber nicht, wenn Russland historische Machtfantasien in Europa auf grausamste Art und Weise zu verwirklichen sucht.

        Ich würde sagen, Ungarn betreibt eine recht kremlfreundliche und europafeindliche Politik.
        So wie die Türkei als NATO-Mitglied den generischen Hauptfeind eher beim westlichen NATO-Nachbarn oder im hohen Norden Europas verortet.

        Ich würde sagen, das alles ist eine kranke, hinterhältige, eigennützige und schizophrene Politik im Sinne Putins.
        Ob sie schlau ist, wird sich zeigen.

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