Auf seinem Arbeitsbesuch im Iran stellte sich der russische Präsident Wladimir Putin den Fragen von Journalisten: In seinen Antworten nahm er Stellung, wie er die Lage auf dem Gas-Markt in Europa sieht. Erstmalig seit langem äußerte er sich dabei auch zu den aktuellen Ereignissen zur Gasleitung Nord Stream 1, was er zuvor seinem Kremlsprecher und dem russischen Gaskonzern Gazprom überlassen hatte.
Putins Signal an Europa und Deutschland lautete gleich am Beginn: „Gazprom hat stets alle seine Verpflichtungen erfüllt und beabsichtigt, dies auch in Zukunft zu tun.“ Das Spiel mit der Unklarheit hat für ihn weiter Bestand. Bemerkenswert an dieser Stelle ist, dass Putin seinen Rundumschlag in Richtung Europa über Gaspreise, Gaslieferungen und Gasleitungen auf iranischem Boden machte, in dem die weltweit zweitgrößten Gasvorkommen lagern.
Putin nennt Gründe für die hohen Gaspreise in Europa
Dass die Partner in Europa versuchten, ihre Fehler auf Russland und Gazprom abzuwälzen entbehre jeglicher Grundlage, monierte Putin und gab im Anschluss eine Übersicht zur Entwicklung der Gaspreise. So kostete Im ersten Halbjahr des vorletzten Jahres Gas in Europa 100 Euro je 1000 Kubikmeter. In der ersten Hälfte des letzten Jahres waren es 250 Euro je 1000 Kubikmeter. In diesen Tagen liege der Gaspreis bei 1.700 Euro je 1.000 Kubikmeter.
Es lohne sich nicht, auf die Energiepolitik vieler Länder Europas einzugehen, die traditionelle Energieträger vernachlässigen und alles auf alternative Energiequellen wie Wind oder Sonne setzen würden. „Der Winter war lang, es gab keinen Wind – das ist alles“, so Putin knapp. Investitionen in Anlagekapital traditioneller Energien seien aufgrund früherer politischer Entscheidungen zurückgegangen. Banken hätten das nicht finanziert und Versicherungen nicht versichert. Behörden hätten zudem kein Land für neue Entwicklungen zugewiesen, Pipelines und andere Transportmittel würden nicht entwickelt. Für Putin ist das alles die Konsequenz für den Anstieg der Gaspreise in Europa.
Ukraine und Polen sorgten für Lieferreduzierungen bei Gas
Dann gab Präsident Putin einen Überblick zu den Gaslieferungen nach Europa und in die Türkei: „Bis vor kurzem haben wir in die Türkei 30 Milliarden Kubikmeter Gas im Jahr geliefert und nach Europa 170 Milliarden Kubikmeter geliefert.“ 55 Milliarden Kubikmeter seien über Nord Stream 1 gegangen, 33 Milliarden über die Jamal-Europa Gasleitung in Polen und über zwei Leitungsstränge in der Ukraine. Etwa 12 Milliarden Kubikmeter Gas seien über die Schmarzmeergasleitung Turkish Stream nach Europa transportiert worden.
Zum Rückgang der Gaslieferungen führte Putin die Ukraine ins Feld, die den Strang der Transitgasleitung, die über das Gebiet von Luhansk verläuft, selbst abgeschaltet habe. Danach habe Polen Sanktionen gegen Jamal-Europa verhängt, so dass die Gaslieferungen aus Russland nach Deutschland komplett wegfielen. Jamal-Europa werde nun in umgekehrter Richtung für den Transport von Gas aus Deutschland genutzt, weil das für Polen günstiger sei. Denn Deutschland beziehe im Rahmen langfristiger Verträge von Russland 3-4 mal billigeres Gas als zum Marktpreis in Europa. Für deutsche Unternehmen lohne es sich, gegen einen geringen Aufschlag an die Polen zu verkaufen und für Polen sei dies günstiger, als direkt von Russland Gas zu beziehen. Dadurch sei das Gas-Volumen auf dem europäischen Markt zurückgegangen, und der Gesamtpreis auf dem Markt gestiegen.
Gas: Sanktionen behindern Nord Stream 1
Zum Transport über die Hauptroute Nord Stream 1 in der Ostsee machte Putin deutlich, dass fünf Siemens-Gasturbinen und ein Ersatzturbine im Einsatz seien, um im Jahr 55 Milliarden Kubikmeter pumpen zu können. Eine Turbine sollte, die im Siemens-Werk in Kanada generalüberholt wurde, zurückkommen. Über die Rückführung der Turbine aus Kanada habe Gazprom bisher keine offiziellen Dokumente erhalten. „Natürlich müssen wir sie bekommen, denn das ist unser Eigentum, das ist das Eigentum von Gazprom“, so Putin.
Gazprom benötige zur besagten Turbine rechtliche und technische Dokumentationen, um über den technischen Zustand und den rechtlichen Status mit Blick auf Sanktionen informiert zu sein. Bis zum 26. Juli müsse außerdem geklärt werden, wie eine weitere Turbine überholt werden könne. Die europäischen Sanktionen behinderten den Instandsetzungsprozess der Turbinen, die für den vollen Umfang der Gaslieferungen von Gazprom nötig sind.
Nord Stream 2 als Rettungsanker
Was die Gas-Lieferungen angeht, sei die Gasleitung Nord Stream 2 betriebsbereit, aber nicht in Betrieb gegangen. „Hier gibt es Probleme, die darin liegen, dass wir vor anderthalb oder vielleicht zwei Monaten, dieses Thema in einem Gespräch mit dem deutschen Bundeskanzler diskutiert haben.“ Gazprom habe Kapazitäten geschaffen und reserviert. Diese Kapazitäten könnten jedoch nicht „ewig in der Luft hängen“, sagte Putin. Da keine passende Antwort erfolgte, warnte er, die Hälfte der Menge, die für die Gasleitung bestimmt war, für den Inlandsverbrauch und die Verarbeitung zurückzustellen. Das habe Gazprom bereits getan. „Daher werden es, selbst wenn wir morgen Nord Stream 2 in Betrieb nehmen, nicht 55 Milliarden Kubikmeter pro Jahr sein, sondern genau die Hälfte. Und wenn man bedenkt, dass von diesem Jahr nur noch die zweite Jahreshälfte übrig ist, dann ist das ein Viertel. So ist die Versorgungslage“, erklärte Präsident Putin.
Gazprom werde seine Verpflichtungen vollständig erfüllen, wenn Bedarf besteht und die Europäer nicht „alles mit ihren eigenen Händen schließen und dann den Schuldigen suchen.“ Die Idee, Nord Stream 2 in deutschen Hoheitsgewässern für den Import von Flüssigerdgas LNG nutzbar zu machen, dürfte dem russischen Präsidenten wenig gefallen haben, so dass er sich jetzt bemüßigt sah, diese Gasleitung als Alternative wieder ins Gespräch zu bringen.
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Foto: By Kremlin.ru, CC BY 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5110365
Kommentare lesen und schreiben, hier klicken
Natürlich weiß ich auch nicht wo die Wahrheit liegt.
Aber ich habe immer mehr den Eindruck, dass von deutscher Seite aus ganz bewusst die Lieferung der Turbine verhindert wird.
So der Pearl Harbor-Effekt.
Wir sind unabwendbar und unverschuldet in eine Krise geraten. Sonst wäre alles nicht passiert.
Viele Grüße aus Andalusien Helmut
Deutschland will kein Gas, kein Öl was aus Russland kommt. Also selbst schuld und schadet Russland nicht.
Deutschland will keine Kohle, Deutschland will kein AKW, was will Deutschland???? Nichts nichts nichts……….
„auf die Energiepolitik vieler Länder Europas einzugehen, die traditionelle Energieträger vernachlässigen und alles auf alternative Energiequellen wie Wind oder Sonne setzen würden.“
Das haben Sie schön formuliert. 🙂
Wenn man sich seinen Wortlaut genau anschaut, hat er fast wörtlich gesagt, die europäische Energiepolitik sei schwul.
Kein Scherz.
Pingback: Putin weist Europa in die Schränke: Gas-Problem selbst versursacht - finanzmarktwelt.de - Blickpunkt-europa
Genau, die traditionellen Energieträger dürfen nicht vernachlässigt werden.
Eigenverschulden. Mehr nicht. Deutschlands Regierung hat sich bewusst dazu entschieden- die Gesellschaft muss jetzt mit den Preiserhöhungen „irgendwie“ zurechtkommen. Im Winter werden es mehr als 400-500% Preissteigerung.