Allgemein

Dramatischer Bevölkerungs- und Fachkräfteschwund durch Krieg Russland: LNG – Zeitbombe Braindrain durch Krieg in der Ukraine

Warum sich die Perspektiven für Russland verdüstern

Russland LNG Ukraine

Russland hat ein großes Problem mit der Demografie, es fehlen zunehmend Fachkräfte – und diese Fachkräfte verlassen aufgrund des Kriegs in der Ukraine verstärkt das Land und machen das Problem noch schlimmer: Das zeigt sich nun besonders im Bereich LNG (Flüssiggas), also dem für das Land so wichtigen Energiesektor. Dazu kommen die westlichen Sanktionen, wodurch vermehrt ausländisches know how in Russland fehlt, um die Ressourcen effizient zu fördern.

Russland ringt um Humanressourcen im LNG-Ausbau

Nachdem sich die Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft im Staatshaushalt halbiert haben, schrillen die Alarmglocken in Russland lauter. Präsident Waldimir Putins Energiefachmann und Vizepremier Alexander Nowak holte jetzt im März Führungskräfte aus Ministerien, Unternehmen und Forschung an einen Tisch, um die Dringlichkeit nach mehr Durchsatz im Flüssiggasgeschäft zu verkünden. Nicht nur Technik auch Fachkräfte sind Mangelware, um die Produktion von LNG mittelfristig von 33 auf 100 Millionen Tonnen im Jahr voranzutreiben.

Für Gasexporte ist LNG strategisch

„Das strategische Ziel und die Zukunft für unsere Gasexporte liegt im Ausbau der LNG-Produktion, die mittelfristig mindestens 100 Millionen Tonnen pro Jahr erreichen soll“, rief Nowak bei seinem Arbeitstreffen zur Entwicklung der LNG-Produktion in Russland am 7. März aus.

Schließlich wiesen LNG-Exporte nach Europa im letzten Jahr im Gegensatz zu den Lieferungen per Pipeline ein deutliches Wachstum auf. Am Treffen nahmen Vertreter des Ministeriums für Industrie und Handel, des Energieministeriums und Unternehmen wie Gazprom, Novatek, Rosneft, Rosatom, die LNG-Projekte umsetzen sowie russische Wissenschaftler, darunter der Rektor der St. Petersburger Bergbauuniversität Wladimir Litwinenko teil. Die Produktionskapazität im Jahr liegt Nowak zufolge aktuell bei 33 Millionen Tonnen im Jahr. Mit Blick auf Projekte wie Ust-Luga und Arctic LNG 2, die sich im Aufbau von Gasverflüssigungsanlagen befinden, ließen sich die Produktionskapazitäten im Jahr auf 66 Millionen Tonnen LNG verdoppeln.

Für die übrigen 34 Millionen Tonnen LNG müsse allerdings noch die Ressourcenbasis erschlossen werden. Hier gelte es die komplexe Zusammenarbeit zwischen Behörden und Unternehmen zu organisieren, die Lokalisierung von großen und mittleren Anlagen für die LNG-Industrie sicherzustellen und Verwaltungshürden mit geeigneten Maßnahmen abzubauen. Das Energieministerium und das Ministerium für Industrie und Handel sollen einen Fahrplan für Projekte mit einem Anteil einheimischer Technologien von 80 Prozent des Bedarfs der Industrie entwickeln und dabei die Chancen und Risiken der russischen LNG-Produktion überwachen. Ziel ist der Kauf von Ausrüstungen und Technologien mit der anschließenden Organisation ihrer Serienproduktion.

Die Nachfrage nach Fachkräften ist größer als das Angebot

„Das Hauptproblem der LNG-Industrie ist die Nachfrage nach Fachkräften, die das Angebot deutlich übersteigt. Es ist notwendig, das Problem der Bereitstellung von Humanressourcen für die Entwicklung der heimischen LNG-Produktion zu lösen“, brachte es Litwinenko beim Arbeitstreffen auf den Punkt. Die Bemühungen von Auftraggebern zur Entwicklung eigener Technologien zur Fertigung von Ausrüstung für die LNG-Produktion seien zu koordinieren. Dies reiche von Wärmetauschern bis zu Turbinen, die dann in Serienproduktion gehen könnten. Ebenso müssten Fachkräfte Projekte mit einer Ressourcenbasis mit profitablen Gasreserven ausarbeiten.

Mit Arbeitsgruppen will Nowak dem Problem auf die Sprünge helfen. Daher wies er die Teilnehmer am Treffen an, gemeinsame Arbeitsgruppen zu bilden, in denen sie den Grad der Importunabhängigkeit in der Branche bewerten, einen Fahrplan für die Lokalisierung von LNG-Produktionsanlagen und -technologien erstellen sollen. Auch die Nachfrage und die Situation mit Personalschulungen sollen sie bewerten und neue vielversprechende Projekte mit der nötigen Ressourcenbasis ausmachen.

So wie die Ausbauziele zum LNG gigantisch sind, so riesig sind die Herausforderungen, wenn die Bevölkerung seit Jahren schrumpft, was der Krieg in der Ukraine dazu dramatisch beschleunigt hat. Die damit einhergehende Abwanderung von Spezialisten und Wissenschaftlern wirkt sich offenbar auch im LNG-Sektor aus. Dass Mitarbeiter von Gazprom und Rosneft angewiesen wurden, keine Auslandsreisen zu unternehmen, ist vielleicht nur ein kleines Puzzleteil zur Lage im Kriegszustand.

Russland braucht internationale Experten

Im Januar nannte die russische Zentralbank in ihrem Bulletin drei Hauptfaktoren, die den Übergang der Wirtschaft zu einem nachhaltigen Wachstum ab der zweiten Jahreshälfte 2023 entgegenstehen. Dies seien Personalmangel, anhaltende technologische Einschränkungen und eine schwache Auslandsnachfrage.

Alle drei Komponenten scheinen in Russland Raum zu greifen. Energieträger finden in China und Indien zwar Absatz, aber nicht in dem Umfang wie früher. Die Frage der Technik ist für die Erschließung von lukrativen Gasvorräten und zur Produktion und Verschiffung von LNG ein Schlüsselfaktor. Auch wenn es gelingt, kleine und mittelgroße Anlagen in heimischer Produktion zu fertigen, bleiben große Produktionsanlagen zur Gasverflüssigung eine Herausforderung. Was die Fertigung in Lizenzen angeht, von denen Gazprom sprach, genau bedeutet, liegt ein Stück im Dunkeln. China ist für Technikeinfuhren aus westlichen Ländern ein offenes Tor. Was über China dann nach Russland gelangt, ist vielleicht Spekulation – aber es wäre für Russland ein gangbarer Weg, um Sanktionen zu umgehen.

„Russland hat die Energieschlacht verloren“, sagte jüngst im März der Chef der Internationalen Energieagentur (IEA), Fatih Birol, in einem Interview mit der französischen Zeitung Libération, worüber deutsche Medien berichteten. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine seien die Öl- und Gasexporte um 40 Prozent zurückgegangen.

Dies sei erst der Anfang, da die russischen Öl- und Gasfelder technisch und geologisch komplex seien. Dafür benötigten sie die technologische Unterstützung internationaler Experten. „Diese haben sich jedoch aus Russland zurückgezogen.“ Dadurch erhielten die Felder nicht die notwendige technologische Unterstützung, so dass die Förderung mittelfristig sinken werde. Für die Erschließung neuer Vorkommen zur Gasverflüssigung verheißt das nichts Gutes. Auch das Großprojekt, China an die west- und nordsibirischen Gasfelder anzuschließen, braucht nicht nur Zeit und Geld. Das Verlegen der Rohre und der kontinuierliche Förderbetrieb erfordert Know-how. Wieweit China da aushelfen kann und will, ist die Frage.



Kommentare lesen und schreiben, hier klicken

Lesen Sie auch

16 Kommentare

  1. 100.000.000 Tonnen LNG kann aber auch nicht das maximale Ziel sein, denn das hat ja schon alleine N1 in gasförrmigen Zustand transportiert.

    Viele Grüße aus Andalusien Helmut

    1. Hallo Helmut,

      100 Millionen Tonnen LNG sind ca. 138 Milliarden Kubikmeter Erdgas.

      Beste Grüße aus Österreich 🙋

    2. Dafür ist die Gewinnmarge des LNGs im Vergleich zur NS I um ein Vielfaches Höher.
      Wahrscheinlich reichen die 100 Mio t um den gleichen Gewinn zu machen wie vorher.
      Gleichzeitig braucht man wesentlich weniger Förderkapazität, welches wiederum ein leichteren Umgang mit den schwierigeren Import westlichen KnowHows ergibt.
      Der einzige Leidtragende ist Europa, das nur noch ein Bruchteil der Energie wie vorher erhält, und das zum gleichen Preis wie zuvor.
      An Russlands Stelle würde ich allerdings die LNG Kapazitäten nicht allzu sehr ausbauen, denn Investitionen stützen sich auf das Vertrauen auf den Export nach Europa, und wer weiss ob das nicht morgen im 55. Sanktionspaket ebenfalls sanktioniert wird

  2. Hallo Gerhard,
    nach meinen Informationen lieferte N1 etwa 55 Milliarden m3 Gas.
    Verflüssigt etwa 93 Millionen m3

    Viele Grüße aus Andalusien

    1. @Helmut
      es geht aber nicht um das Volumen von LNG, sondern um das Gewicht von 100 Millionen Tonnen, wie Sie selber schreiben. Und das sind nun einmal umgerechnet 138 m³. Das war wohl ein Griff ins Klo?!

      @Shong09
      Die Russen mögen zwar blöd sein, aber so blöd nun auch wieder nicht. Und so dürften sogar die es schaffen, mit der 2,5-fachen Menge den gleichen Gewinn zu machen wie zuvor. Obwohl ich mir bei den wesentlich höheren Produktions- und Transportkosten und den gleichzeitigen Dumpingpreisen an die BRICS-Freunde da gar nicht so sicher bin.

      1. Korrektur: 138 Milliarden m³ natürlich…

        1. Russland hat aber ein vielfaches der 55mrd m3 nach Europa verkauft. Kleiner Tipp am Rande, Europa besteht nicht nur aus D und viele Pipelines führen nach Rom.
          Das überflüssige Gas welches für die Verdichtung benötigt wird werden die Russen liebend gern dafür verbrauchen

          1. @Shong09

            Das mag vielleicht noch ansatzweise für das Gesamtjahr 2022 zutreffen, weil der Überfall auf die Ukraine erst Ende Februar stattfand und die Umstellung etwa bis Jahresmitte dauerte. Seit Juli 2022 haben sich die Gasimporte aus Russland jedoch massiv reduziert, was auch so bleiben bzw. noch weiter zurückgehen wird.

            Importe in die EU 2. Hj. 2022: Ca. 16 Milliarden m³ https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/NRG_TI_GASM__custom_5267296/default/bar?lang=de

    2. Lieber Helmut,

      Das stimmt natürlich: 55 Milliarden Kubikmeter sind verflüssigt etwa 92 Millionen Kubikmeter LNG.

      Aber wir haben ja nicht über Kubikmeter sondern über Tonnen geredet. 🙂

      55 Milliarden Kubikmeter Piplengas sind ~ 40 Millionen Tonnen LNG.

      Beste Grüße aus Österreich.

  3. Endlich mal ein Artikel der des Pudels Kern im Innersten trifft. Das ist das große Verbrechen Putins am eigenen Volk. Wie kann ein Junge aus St. Petersburg nur so etwas tun?! Einen Krieg gegen seine Brüder zu beginnen und den Herausforderungen an eine russische Zivilgesellschaft, als Teil einer friedlichen und freien Welt, nicht ansatzweise gerecht werden. Dennoch stellt sich die Frage, ob Putin Treiber oder Getriebener ist. Für Russland Norden wünsche ich mir, dass man sich dieses Verbrecher Regimes entledigen und wertvoller und friedlicher Teil Nordeuropas und des Baltikums werden kann. Die Mentalität Moskaus und seiner Umgebung verstehe ich sowieso nicht, das scheint auch das Problem zu sein, was allerdings Nichts rechtfertigt. Das war A. Das B wie Biden ist die andere Seite der Medaille.

  4. Was für eine riesen Umweltsauerei dieser LNG Hype. Mutter Natur kann einem nur leid tun genauso wie die Ärmsten der Armen in den Schwellenländern die mangels Alternativen wirklich darauf angewiesen sind.

    1. @Cui bono
      Aber, aber, das spielt doch jetzt keine Rolle mehr, wird ausgeblendet wie alles Unangenehme. Waren die Grünen zuvor gegen Frackinggas und LNG sind sie jetzt dafür so wie für den Krieg. Man muss nur imstande sein eine 360° Wende hinlegen zu können. Die Medien erklären es dann dem tumben Volk.
      Es geht doch gegen Russland, oder nur gegen Putin ? da sind alle Mittel recht und genehmigt. Ich glaube es geht gegen Russland. Denn Putin hat großen Rückhalt im Volk. Logisch, so russophob wie der Westen sich gibt und auch der westliche Bürger sich gibt.
      Und die Armen ? Die haben nur in Sonntagsreden eine Rolle gespielt. Man lese das Memorandum 200. 1974 Herausgegben von Henry Kissinger. Es geht darin um Bevölkerungsreduzierung. Die USA haben nämlich Angst, daß die Armen auf der Welt zu viel werden, sie werden als unnütze Esser bezeichnet, und dann auf Grund ihrer Vielzahl zur Bedrohung für die USA werden können. Man sieht die USA haben wie die Briten (vor den Deutschen) ständig vor irgendjemandem Angst und müssen daher frühzeitig Gegenmaßnahmen treffen die auch Kriege sein können. Seit dem Debakel in Vietnam bevorzugen die USA keine Kriege mehr mit viel eigenen Leuten.

      1. @ottonorma: Nicht alles, was vor knapp 50 Jahren gesagt wurde, ist heute noch richtig und deshalb schon lange kein Teil der Staatsraison mehr. Markus Fugmann wirft den Demokraten in den U.S.A. im aktuellen Video zur Zinserhöhung auch eine zu armenfreundliche Haltung vor. Das passt wohl nicht zur Auffassung der fehlenden Empathie. Mit gleichem Recht könnte man übrigens deutsche Reden von vor 80 Jahren zitieren und daraus Schlüsse auf die Haltung der Ministerin für Äußeres zum aktuellen Krieg ziehen.

        1. Also ich möchte sagen, daß die Bevölkerungsreduzierung mehr denn je auf dem Plan steht, weil auch schon öffentlich darüber gesprochen wird. Und so ein Memorandum wie das 200 ist eine Langzeitstrategie die keinen Anspruch erhebt in den nächsten 5 Jahren schon umgesetzt zu werden. Das Biden ein „Herz“ für die Armen hat wage ich stark zu bezweifeln. Bei den Demokraten vielleicht ein teil aber insgesamt … ?

        2. Markus Fugmann wirft den Demokraten keine zu armenfreundliche Haltung vor, er ktitisiert lediglich Elisabeth Warren, weil es seiner Meinung nach keinen Sinn macht, ein paar Jobs zu retten, während der Großteil der Bevölkerung das Vertrauen ins Geldsystem verliert und dadurch viel größere Probleme für alle Amerikaner entstehen.

        3. Young Global Leader

          @AE_Conrady, der Unterschied zwischen früheren Zeiten und heute besteht v.a. darin, dass der Rassismus der Extinktionspolitik seine Polarität vertauscht hat.

          Die Alt-Progressiven, wenn man sie so nennen will, sanfte und gebildete Leute, die Eugenik und Malthusianismus auf der Agenda hatten, machten sich Sorgen um die edleren Triebe am menschlichen Stammbaum [1]. Wer, wenn nicht deren Sprösslinge, soll die Menschheit in eine leuchtende Zukunft führen? Dass diese Agenda etwas später als in Yale auch in Deutschland, von weit brutaleren Naturen als in Connecticut vorangetrieben wurde, verdarb die Sache des humanen Fortschritts für eine Weile, aber was, wenn sich die alten Professoren einfach in der Bestimmung der besseren Triebe geirrt hatten?

          Behaftet mit den Vorurteilen ihrer Zeit standen sie auf die Nachkommen der Wikinger und anderer Tätervölker des alten Halb-Kontinents. Wenn man die weiche Welle reiten will, die der „boomer“ auf amerikanisch, die der „68er“ auf deutsch, dann muss man es genau umgekehrt machen und die Opfervölker der Tätervölker in den Blick nehmen, mit ganz viel Empathie und so. Die Menschheit muss sich entweißen, wenn sie den alten Putin überwinden will. Zwischendurch tauchte noch der farbenblinde, schwarze Prediger auf, eine ambivalente Gestalt, die auf der einen Seite die Sache der Schwarzen vorantrieb, sie auf der anderen Seite auch wieder neutralisierte, indem er allen von seiner farbenblinden Vision der Zukunft erzählte, von einer schönen Illusion, an die der liberale Mainstream nur allzu gerne glauben wollte und darin seine Tugend sah [2]. Kulturbürger mögen romanhafte Gestalten wie M(a)L(i)K und sie können eine Weile in noblen Täuschungen leben, aber irgendwann findet die Politik ihren Weg zurück zu einfachen Antworten, zu ja und nein, gut und böse und der Verkörperung moralischer Kategorien.

          Kissinger wird demnächst 100. Ich habe noch die deutsche Übersetzung seiner Doktorarbeit über den Wiener Kongress von 1815, über die Stunde der Diplomaten. Diplomatie wird gerade massiv geshortet, sie gilt jetzt als „Appeasement“ und einfachere Empfindungen und weniger subtile Leute beherrschen die Szene. Möglich, dass das irgendwann auch wieder dreht. Wenn man an Zyklen in der Geschichte glaubt, dann ist das fast sicher, aber ich erwarte das nicht in naher Zukunft.

          [1] Thomas Sowell, Black Rednecks and White Liberals
          [2] „The woke left is more right than the mainstream“ – Internetspruch

Hinterlassen Sie eine Antwort

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert




ACHTUNG: Wenn Sie den Kommentar abschicken stimmen Sie der Speicherung Ihrer Daten zur Verwendung der Kommentarfunktion zu.
Weitere Information finden Sie in unserer Zur Datenschutzerklärung

Meist gelesen 7 Tage