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Italiens Notenbankchef Visco mit bisher einmaliger Ansage Zinsen und Inflation: In der EZB kracht es – Kritik an Kollegen

Konflikt zwischen Notenbankern: Süd gegen Nord

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In der EZB kracht es gewaltig bei der Frage, wie weit die Zinsen angesichts der hohen Inflation angehoben werden sollten – das zeigen Aussagen des italienischen Notenbankchefs Visco. Er kritisiert jene EZB-Kollegen scharf, die für die nächsten Monate eine deutliche Erhöhung der Zinsen in den Raum gestellt hatten. Damit wird die Spaltung innerhalb der EZB immer offensichtlicher – diese Spaltung verläuft zwischen EZB-Vertretern der Nordländer der Eurozone einerseits – und den Vertretern der Südländer andererseits.

Der Grund dafür liegt auf der Hand: die südlichen Länder der Eurozone (Italien, Spanien, Griechenland, Portugal) sind deutlich stärker verschuldet als die Nordländer (Deutschland, Österreich, Niederlande etc.). Der starke Anstieg der Zinsen dürfte daher in diesen Ländern schmerzhafter sein als für die weniger verschuldeten Nordländer.

EZB, Inflation und Zinsen: Italiener Visco mit scharfer Kritik an Kollegen

Ignazio Visco hat seine Kollegen von der EZB offen dafür kritisiert, dass sie sich zu künftigen Erhöhungen der Zinsen geäußert haben, obwohl sich die Notenbanker darauf geeinigt hätten, keine solchen Hinweise zu geben. Das berichtet nun Bloomberg.

Der verbale Ausbruch des Gouverneurs der italienischen Zentralbank am Ende einer Rede in Rom am Mittwoch ist ein deutlicher öffentlicher Angriff, der auf zunehmende Spannungen hinter verschlossenen Türen im Vorfeld der EZB-Zins-Entscheidung in der nächsten Woche hinweist.

„Die Unsicherheit ist so groß, dass der EZB-Rat beschlossen hat, von Sitzung zu Sitzung zu entscheiden, ohne „Forward Guidance““, sagte er. „Ich halte daher nichts von Äußerungen meiner Kollegen über künftige und lang anhaltende Erhöhung der Zinsen“.

Visco ist einer der letzten Redner, bevor am Mittwoch eine „Blackout-Periode“ (Schweigepflicht) vor der EZB-Entscheidung in Kraft tritt. Eine Sitzung, die eigentlich eine Zinserhöhung um einen halben Punkt besiegeln sollte, hat sich zu einer verstärkten Debatte darüber entwickelt, wie viele weitere Erhöhungen der Zinsen vorgenommen werden sollen.

Vor allem der österreichische Notenbankgouverneur Robert Holzmann deutete an, dass die Erhöhung der Zinsen am kommenden Donnerstag nur die erste von vier 0,5%-Anhebungen sein wird – damit würde der Einlagensatz auf 4,5% ansteigen. Sein belgischer Kollege Pierre Wunsch räumte am Freitag offen ein, dass die Markterwartungen, die einen Gipfel der Zinsen bei 4% erwarten, sich als richtig erweisen könnten.

„Ich weiß nicht, wir wissen nicht genug“, sagte Visco über die Aussicht auf eine hohe und lang anhaltende Inflation. Er zitierte die Worte von Eugenio Montale, dem italienischen Dichter und Nobelpreisträger für Literatur: „Was wir nicht sind, was wir nicht wollen“.

Konflikt nimmt seit Veröffentlichung der letzten Inflationsdaten zu

Die zunehmend öffentlich ausgetragenen Meinungsverschiedenheiten haben sich seit den jüngsten Daten zur Inflation in der Eurozone der letzten Woche vertieft. Diese hatten gezeigt, dass die Kern-Inflation auf 5,6% angestiegen ist, die höchste in der Geschichte des Euro. Am Montag spekulierte der Österreicher Holzmann über künftige Zinserhöhungen, während Chefvolkswirt Philip Lane zu einer vorsichtigeren Herangehensweise an Entscheidungen aufrief.

Am selben Tag hob Nomura seine EZB-Zins-Prognose an und sagte voraus, dass der Zinssatz nun bis auf 4,25% steigen werde – mit Erhöhungen um 50 Basispunkte im März, Mai und Juni, gefolgt von einer letzten Erhöhung um einen Viertelpunkt im Juli.

EZB Zinsen Inflation Erwartungen

Mittelfristige Inflationserwartungen der Verbraucher im Euroraum gehen zurück

Zu Beginn seiner Rede sagte Visco, dass die Geldpolitik datenorientiert bleiben müsse, um die anhaltende globale und geopolitische Unsicherheit zu bewältigen.

„Die ernste geopolitische Lage erschwert die Vorhersage künftiger makroökonomischer Trends“, sagte er. „Die Geldpolitik muss daher weiterhin umsichtig und datengestützt sein, um die Inflation mittelfristig wieder auf 2% zu bringen, ohne die Finanzstabilität zu gefährden und die Auswirkungen auf den fragilen Aufschwung zu minimieren“.

Der Gouverneur sagte auch, dass die EZB gezwungen sein wird, die Zinssätze weiter anzuheben, wenn „der Anstieg der Löhne und der Gewinnmargen nicht mit einer schnellen Rückkehr zur Preisstabilität einhergeht“.

Er ermutigte die Regierungen, Hand in Hand mit der EZB zu arbeiten. Ziel sei es, „einen schädlichen Anstieg der Preise und Löhne zu vermeiden und stattdessen die Entwicklung der Wirtschaft zu fördern“, sagte er.

FMW/Bloomberg

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2 Kommentare

  1. Jetzt sollen die Regierungen sogar ein angemessenes Lohnwachstum verhindern. So weit ist es schon gekommen in der EU. Traurig aber wahr. Gleichzeitig wird natürlich die Grundsicherung aber um 10% angehoben und zusätzlich die Energiepreise in unbegrenzter Erhöhung übernommen. Arbeiten lohnt sich für viele in D mittlerweile wirklich nicht mehr. Ich wunder mich, dass es so Viele im unteren bis mittleren Lohnsegment derzeit trotzdem immer noch tun

    1. @Shong:
      in Tat, das kann sogar kurzfristig nicht funktionieren

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