Gas

Russland schürt Flamme von Energieproblemen in Europa

In Russland diskutiert man derzeit über die Energieprobleme in Europa. Wird Gas doch noch knapp werden? Ein aktueller Überblick.

Gas-Pipeline
Gas-Pipeline. Foto: Ksandrphoto - Freepik.com

Kaum ist in Deutschland nach Regen und Hochwasser der Winter mit Frost und Schnee eingekehrt, überschlagen sich in Russland Expertenmeinungen, wie es um die Energieversorgung des einstigen Hauptmarktes Europa bestellt ist. Das geht von der Vorstellung einer wundersamen Wiederherstellung der wirtschaftlichen Beziehungen bis hin zum Gastransitstopp über die Ukraine im Frühjahr 2024.

Alles hängt in Europa von den Wintertemperaturen ab

In einem Interview mit dem russischen Onlinemedium Lenta.ru erklärte am 7. Januar Igor Juschkow, Analyst vom Nationalen Fonds für Energiesicherheit in Russland, was in der Europäischen Union in diesem Jahr zu Energieproblemen führen kann. Ganz oben stehen für ihn die Wintertemperaturen. Sollten diese sich im Mittel der letzten zehn Jahre bewegen, verblieben in den Gasspeichern nach der Heizsaison in Europa weniger als 50 Prozent. „Das bedeutet, dass sie im Jahr 2024 mehr Gas kaufen müssen als im Jahr 2023, und die Nachfrage wird ziemlich groß sein“, schlussfolgerte Juschkow. Sollten die Preise dann hoch sein, käme es zu weniger Nachfrage und einer weiteren Deindustrialisierung in Europa.

Der Winter im letzten Jahr sei im Vergleich dazu sehr warm gewesen. “In vielen Ländern sank die Temperatur überhaupt nicht unter null. Daher verblieb am Ende der Heizperiode mit mehr als 50 Prozent viel Gas in unterirdischen Speichern. Dadurch konnten die Europäer das ganze Jahr über recht komfortabel leben“, sagte Juschkow. Darüber hinaus sei der Gasverbrauch in der Europäischen Union im Jahr 2022 um etwa 60 Milliarden Kubikmeter zurückgegangen. „Im Jahr 2023 hielt die Situation an. Zum Jahresende hat die Europäische Union den Gasverbrauch um weitere 30 Milliarden Kubikmeter gesenkt.“

Ukraine könnte im Frühjahr Gastransit einstellen

Zu den unerwarteten Dingen, die im Jahr 2024 passieren könnten, zählte der Analyst den Stopp des russischen Gastransits durch die Ukraine nach der Heizperiode. „Tatsächlich wird dies die russischen Gaslieferungen nach Mittel- und Westeuropa stoppen. Denn mittlerweile wird ganz Mittel- und Westeuropa im Rahmen von Verträgen mit Gazprom nur noch über die Ukraine beliefert. „Höchstwahrscheinlich wird Kiew auf Druck der Vereinigten Staaten den Gasvertrag abbrechen, da Washington Russland aktiv aus dem Gasmarkt verdrängt“, bemerkte er.

Zugleich könnten formelle Gründe zum Transitstopp führen. Die Ukraine werfe dem russischen Gaslieferanten Gazprom vor, die Vertragsbedingungen nicht einzuhalten. Laut Vertrag müssten am Tag 109,5 Millionen Kubikmeter Gas von Russland aus über die Ukraine durchgeleitet werden. Tatsächlich liefere Gazprom weniger und zahle auch nur für diese Menge. Im Gegenzug habe die Ukraine zuvor gegen die Vertragsbedingungen verstoßen und leite kein Gas über die Südroute durch das Gebiet von Lugansk durch. Dieser Konflikt könnte eine Rechtfertigung für einen Transitstopp sein, oder die Ukraine könnte einfach Sanktionen verhängen. Juschkow hält es für möglich, dass dies bereits im Frühjahr geschieht.

Russland setzt auf Nachfrage in Europa

Offiziell läuft der Transitvertrag zwischen Gazprom und dem ukrainischen Gasversorger Naftgaz von 2019 Ende dieses Jahres aus. Moskau werde bei der Prüfung der Frage der Fortsetzung des Gastransits durch die Ukraine nach 2024 die Nachfrage der Verbraucher berücksichtigen, sagte Dmitri Biritschewski, Direktor der Abteilung für wirtschaftliche Zusammenarbeit beim russischen Außenministerium laut russischen Medien Ende letzten Jahres.

Der Chef von Naftogaz, Alexey Chernyshov, hatte Ende Oktober erklärt, dass die Ukraine das Transitabkommen nicht verlängern werde. Weigere sich die Ukraine, im nächsten Jahr kein russisches Gas mehr durch ihr Territorium zu transportieren, werde sie daraus Einnahmen verlieren, wandte Biritschewski ein. Der Verlust von Einnahmen für die Ukraine und der fortbestehende Bedarf von europäischen Abnehmern lassen Russland offenbar Aufwind spüren, um weiter über die Ukraine Gas nach Europa zu exportieren.

Wiederauflage soll möglich sein

Die Zukunft der Gaslieferungen aus Russland nach Europa hängt von der Politik ab, machte Forschungsdirektorin beim Unternehmen Implementa Maria Belowa gegenüber Ria Novosti am 6. Januar klar. Dies könne in den kommenden Jahren auf einen vollständigen Verzicht von Europa auf russisches Pipelinegas hinauslaufen. Aber auch die Wiederherstellung der Wirtschaftsbeziehungen sei möglich. Dann könnten die Exporte aus Russland in europäische Länder auf 80–90 Milliarden Kubikmeter im Jahr steigen. Vor dem Krieg in der Ukraine umfassten diese 150 Milliarden Kubikmeter Gas im Jahr und mehr.

Pipelinelieferungen hätten allerdings wirtschaftlich mehr Sinn gemacht, als es neben den konstanten Gasvertragsmengen in bestimmten Zeiträumen möglich gewesen sei, die Lieferungen über Pipelines zu erhöhen und durch den Verkauf von Gas zu Spot-Konditionen zusätzliche Einnahmen zu erzielen. „Heute, wo mit einem weiteren Rückgang der Pipeline-Lieferungen zu rechnen ist, ist es nur bei sehr hohen Verkaufspreisen sinnvoll, das System für einmalige Lieferungen funktionsfähig zu halten. Der Ausgleich des europäischen Marktes durch LNG wird eindeutig weniger Kosten erfordern“, ergänzte Belowa.

Europa will Gasimporte aus Russland hinter sich lassen

Daraus erklärt sich, wieso Russland seinen einstigen Hauptmarkt Europa vermehrt mit Schiffstransporten anläuft. Hinzu kommt der vergleichsweise kurze Transportweg. Im letzten Jahr exportierte Russland nach Europa 15,8 Millionen Tonnen LNG und damit 1,9 Prozent weniger als im Vorjahr. Ein Grund für gesunkene LNG-Exporte von Russland sind Instandsetzungsarbeiten an LNG-Produktionsstätten im letzten Sommer. Mit der Aufnahme der Gasverflüssigung im zweiten großen Werk Arctic LNG 2 vom größten LNG-Produzenten Novatek auf der Halbinsel Gydan im letzten Dezember öffnet sich das Tor, mehr LNG nach Europa zu verschiffen.

Sanktionen der USA führten jedoch zu einem Engpass von LNG-Spezialtankern. Lieferverzögerungen hat Novatek deswegen angekündigt. Finnland kündigte Medien zufolge derweil an, schon 2025 und somit zwei Jahre früher, als es die Vorgaben der EU vorsehen, aus dem LNG-Import aus Russland auszusteigen. Die Europäische Union könnte ihren Mitgliedsländern den Import von LNG aus Russland frühestens in zwei bis drei Jahren verbieten, da ein solches Verbot unter den gegenwärtigen Bedingungen Europa selbst schaden würde, erklärte Sergej Kapitonow, Analyst vom Projektzentrum für Energietransition Skoltech, russischen Medienberichten zufolge am 6. Januar. Doch deute alles darauf hin, dass die Abkehr von russischem Gas sich vollzieht. Kapitonow empfiehlt daher, zu prüfen, wie sich LNG beispielsweise in den Länder Südostasiens wie Philippinen, Pakistan und Vietnam verkaufen lässt, um eine Alternative zum Exportvolumen nach Europa zu schaffen.

Technisch seien Russland und Europa noch an langfristige Verträge mit über rund 120 Milliarden Kubikmeter Pipeline-Gas aneinander gebunden. Das sei ein „riesiges Volumen“, so der Experte weiter. Auch wenn Europa die Verträge kündigt, glaubt Kapitonow nicht, dass Europa das russische Gas nicht braucht. „Wenn die Region Wachstum erwartet, wird sie Gasmengen benötigen, aber es ist unmöglich, alles durch erneuerbare Energiequellen zu ersetzen“, schloss er.



Kommentare lesen und schreiben, hier klicken

Lesen Sie auch

11 Kommentare

  1. „Die Zukunft der Gaslieferungen aus Russland nach Europa hängt von der Politik ab“
    Das ist richtig. Und die Politik in Europa wird sich ändern. Gerade in Deutschland sind die verheerenden Folgen der Regierungspolitik zunehmend spürbar. Nach Umfragen lehnen bis zu 80% der Bürger diese Politik ab.
    Leider lässt unser System die Abwahl einer Regierung, die nicht mehr den Willen des Bürgers und Wählers (sprich des Souveräns) bereit ist zu respektieren, nicht zu, was eigentlich nicht mehr „demokratisch zu nennen ist.

    1. @Fruufus Maximus seit wann stellen wir Regierungen nach Meinungsumfragen zusammen? meiner bescheidenen Erinnerung nach, werden Regierungen nach Wahlen gebildet und nach Ablauf der Legislaturperiode wird ein neues Parlament gewählt, aus dem dann ne neue Regierung gebildet wird. Das verstehen wir – solange das GG noch gilt,unter einer parlamentarischen Demokratie.
      vielleicht sollten Sie das nochmal nachschlagen…

      1. Horst Schlemmer
        Schon die damalige Thüringer Wahl vergessen?
        Deine sogenannte Demokratie gibt’s nicht mehr.
        Aber lasse dich weiter berieseln,bist eh bloß ein Komiker

        1. Attenberger Wilhelm

          sehr richtig argumentiert Deutschland ist von einer echten Demokratie mittlerweile soweit entfernt wie die Sonne von der Erde. ich fordere persönliche Haftung für Politiker die dem Volk massiv schaden .Die den Wohlstand des Buergers und der gesamten Nation zunichte machen Würde man die jetzige Regierung als Maßstab nehmen ergaene das tausende von Jahren Knast.

        2. @deutscher
          in Thüringen wurde also eine neue Regierung nach einer Meinungsumfrage gebildet, ja?

    2. Mit Terroristen und Kriegsverbrechern
      macht man keine Geschäfte.

  2. Mit diesen Sanktionen schädigen sich die europäischem Staaten selber und folgen ausschließlich den Anweisungen der USA

  3. Europa und nicht zuletzt Deutschland ,schafft es schon noch ihre eigene Zukunft zu vernichten. Mit den Sanktionen haben wir uns nur von den USA
    abhängig gemacht und uns ins eigene Knie geschossen. Ich bin mal gespannt wann der Erste De.. sich die Pistole an den Kopf hält.
    Wahrscheinlich wird’s mal wieder Deutschland sein.

  4. Autarker Beobachter

    Deutschland befolgt alle Sanktionen der USA, ob sie uns schaden oder nicht; wir sind ein Vasallenstaat der USA und werden es bleiben solange diese Altparteien vor allem die Grüne Blase hier regiert. Auch Volksentscheide werden uns untersagt, es könnte nicht das dabei herauskommen, was unsere Ach so demokratischen Parteien gern wollen. Frau Merkel hat diese Spirale in Gang gesetzt und alle haben mitgemacht, applaudiert… Die anderer Meinung sind, sind Rechte und Nazis, da hat sie sich was schönes einfallen lassen unsere Ach so tolle Alt Kanzlerin (alte Schule gelernt ist gelernt).

  5. Ist wohl hier ein Treffpunkt für AFD, Querdenker und russische trolle?!

    Russland hat es sich selbst versaut. Niemand in Europa wird so schnell wieder Geschäfte mit Russland machen. Mal abgesehen von anderen Möchtegern Diktatoren wie orban und erdogan. Bitte mehr Sanktionen und vor allem mehr Waffen für die Ukraine.

    1. Bin voll damit einverstanden. Mit Kriegsverbrecher soll man keine Geschäfte machen. Für den Westen war es eine gute Lehre. Russland darf man nicht trauen.

Hinterlassen Sie eine Antwort

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert




ACHTUNG: Wenn Sie den Kommentar abschicken stimmen Sie der Speicherung Ihrer Daten zur Verwendung der Kommentarfunktion zu.
Weitere Information finden Sie in unserer Zur Datenschutzerklärung

Meist gelesen 7 Tage