Nach der jüngsten Erholung im S&P 500 kehrt allmählich die Angst vor einem weiteren Einbruch des Aktienmarktes zurück, ein Anzeichen dafür sind die steigenden Kosten für Absicherungen. Anhaltende Zins- und Inflationssorgen, die in steigenden Renditen münden und den Dollar stärken, belasten weiterhin die Aktienmärkte. Seitdem der marktbreite S&P 500 am 27. Juli ein Jahreshoch bei 4.607 Punkten erreicht hat, ist die Luft raus. Die anschließende Korrektur führte den Leitindex bis auf Tief von 4.339 Punkten. Nach einer Gegenbewegung notiert er aber wieder bei 4.461 Punkten. Doch so richtig trauen die Investoren der Erholung nicht, da der Gegenwind für Aktienmärkte wieder zugenommen hat. Im Vorfeld der wichtigen US-Inflationsdaten am Mittwoch nimmt der Risikoappetit der Anleger ab, während die Vorsicht überwiegt.
S&P 500: Absicherungskosten steigen
Die überraschende 16%ige Rally des S&P 500 Index in diesem Jahr belohnt Händler, die sich früh eingekauft haben, und bestraft diejenigen, die skeptisch geblieben sind. Doch die Angst vor einem Abschwung bleibt.
Die Anleger können derzeit am Optionsmarkt beobachten, dass die Absicherungen gegen einen weiteren Abschwung teurer werden. Kontrakte, die auf einen 10-prozentigen Rückgang des SPDR S&P 500 ETF wetten – der größte börsengehandelte Fonds, besser bekannt unter dem Kürzel SPY – kosten inzwischen 1,8 Mal mehr als Optionen, die von einem 10-prozentigen Anstieg profitieren, wie von Bloomberg zusammengestellte Daten zeigen.
Das ist zwar immer noch nicht so hoch wie zu Beginn des Jahres während der Bankenkrise, aber es ist ein Zeichen dafür, dass die Anleger im Vorfeld der für Mittwoch anstehenden wichtigen US-Verbraucherpreisdaten beginnen, sich gegen fallende Kurse abzusichern. Dies wird die Bühne für die Aktien im S&P 500 im Vorfeld der Zinsentscheidung der Federal Reserve am 20. September und der anschließenden Pressekonferenz des Vorsitzenden Jerome Powell bereiten.
„Die nächste große Etappe der Aktienrally wird erst dann kommen, wenn wir Gewissheit über die Entwicklung der Zinssätze haben“, sagte Scott Ladner, Chief Investment Officer bei Horizon Investments.

Korrektur an den Aktienmärkten
Die Aktienmärkte sind in letzter Zeit ins Wanken geraten: Der S&P verzeichnete in vier der letzten sechs Wochen Verluste. Zeitweise fiel der Index um fast 6% zurück – aktuell beläuft sich der Rückgang nur noch auf rund 3 %. Die Korrektur erfolgte inmitten der sich verschärfenden wirtschaftlichen Probleme in Europa und China. Unterdessen erwartet die Marktteilnehmer, dass die Verbraucherpreise wieder steigen. Der kommende VPI-Bericht dürfte zeigen, dass die Inflation im August einen jährlichen Anstieg von 3,6 % verzeichnet, gegenüber 3,2 % im Vormonat. Das bevorzugte Inflationsmaß der Fed, die Kerninflation ohne Energie und Nahrung, dürfte hingegen nur um 4,3% steigen nach 4,7% im Juli.
Angesichts der immer noch hartnäckigen Inflation setzen Händler darauf, dass die Fed die Kreditkosten im September konstant halten wird. Die Erwartung für eine weitere Zinserhöhung vor Jahresende ist zuletzt jedoch gestiegen und liegt aktuell bei 43%.
Absicherungen waren bislang ein Verlustgeschäft
Angesichts der Stärke der Aktienmärkte in diesem Jahr war die Absicherung meist eine Verluststrategie. Letztendlich zwang sie die Händler immer wieder dazu, den Schutz vor fallenden Kursen aufzugeben, da sich die Aktienmärkte nach kurzen Rücksetzern immer schnell erholt haben. Bislang blieb eine große Korrektur (10% und mehr) aus, stattdessen bewegt sich der S&P 500 in den letzten Monaten in einer Seitwärtsspanne. Bis Freitag wurden seit Ende April 94 Handelssitzungen ohne einen einzigen Verlusttag von mindestens 1,5 % im S&P 500 abgewickelt – die längste Zeitspanne seit 2018.
„Es gibt eine Absicherungsmüdigkeit“, sagte Peter Cecchini, Direktor für Forschung bei Axonic Capital. „Viele Investoren haben sich bei der diesjährigen Rally geirrt, dass sie es leid waren, Geld auszugeben, um sich gegen zukünftige Verluste zu schützen. Aber wir wissen nicht, wie lange das KI-Narrativ noch in der Lage sein wird, Aktien auf breiter Front nach oben zu tragen.“

S&P 500: Einbruch der Volatilität (VIX)
Händler, die nicht glauben, dass die Flaute bei der Volatilität anhalten wird, nutzen die derzeitige Ruhe, um sich günstig abzusichern, so Scott Nations, Präsident von Nations Indexes, einem unabhängigen Entwickler von Volatilitäts- und Optionsstrategieindizes. Die Kosten für eine Absicherung gegen ein Wiederaufleben der Volatilität sind so niedrig wie seit der Zeit vor dem Covid-Crash im März 2020 nicht mehr.
Das Ende des Sommers könnte einen Tiefpunkt für den CBOE-Volatilitätsindex, besser bekannt als VIX, markieren, der die meiste Zeit dieses Jahres deutlich unter seinem langfristigen Durchschnitt gelegen hat. Goldman Sachs bleibt neutral gegenüber dem Verkauf von Put-Optionen auf den S&P 500, da die Volatilität im September tendenziell ansteigt – der Börsenmonat gilt historisch als ein sehr schwacher Monat. Das Risiko einer Ausdehnung der Korrektur bleibt also bestehen.

Wall Street-Bären revidieren ihre Prognosen
Der überraschend starke Anstieg des S&P 500 in diesem Jahr hat die Konsenserwartungen der Wall Street-Analysten deutlich übertroffen. Viele Strategen, die das gesamte Jahr zu bärisch waren, mussten ihre Jahresendprognosen für den Index schließlich nach oben revidieren. Die Inflation hat sich abgeschwächt, während die Wirtschaft trotz des aggressivsten Straffungszyklus seit Jahrzehnten relativ widerstandsfähig geblieben ist.
„Wenn die Wirtschaft stark bleibt und die Inflation weiter nachlässt, wird dies die Rezessionsprognosen der Strategen weiter beeinträchtigen“, sagte Chris Murphy, Co-Leiter der Derivatestrategie bei der Susquehanna International Group. „Ich sehe einfach nicht, dass die Wirtschaft zusammenbricht.“
FMW/Bloomberg

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