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Spanien + Griechenland: Licht und Schatten am Arbeitsmarkt

Licht und Schatten, das gehört beim Betrachten der Arbeitslosenzahlen in Europa seit Jahren zusammen. Eine einfache positive oder negative Betrachtungsweise gibt es hier nicht. Am Freitag titelten wir...

FMW-Redaktion

Licht und Schatten, das gehört beim Betrachten der Arbeitslosenzahlen in Europa seit Jahren zusammen. Eine einfache positive oder negative Betrachtungsweise gibt es hier nicht. Am Freitag titelten wir nach der Veröffentlichung der neuesten EU-Daten Arbeitslosigkeit in Europa: Weiterhin langsam aber konstant in die richtige Richtung.

In Spanien ist nach heutiger offizieller Veröffentlichung die Arbeitslosigkeit im Juni mit -3,2% gegenüber dem Vormonat und einer Zahl von 3,77 Millionen Menschen auf den niedrigsten Stand seit der Finanzkrise 2009 gefallen. Im Vergleich zu den Mai-Eurostat-Zahlen kommt Spanien also fast genau auf 20% Arbeitslosenquote. Allerdings weisen wir hier wie schon am Freitag darauf hin, dass es sich hierbei um Zahlen handelt, die wir in Deutschland als „Erwerbslosenquote“ bezeichnen würden. Arbeitslose, die sich nach Meinung der Behörden nicht fleißig genug um Arbeit bemühen, werden in dieser Art der Zählung einfach nicht mehr als arbeitslos angesehen, und aus der Statistik entfernt. Vergleicht man die deutsche Arbeitslosenquote mit der deutschen Erwerbslosenquote (Unterschied 30%), und geht man mal grob davon aus, dass die Spanier zumindest genau so schummeln, hat man dort aktuell eher eine Arbeitslosenquote von irgendwo um die 26%.

Hinzu kommt noch, dass seit April die Sommer-Belebung einsetzt. Der Tourismus braucht wie jedes Jahr Arbeitskräfte, die jetzt für einen kräftigen Rückgang der Arbeitslosigkeit sorgen, dann ab September aber wieder vermutlich für einen Anstieg. Also: Es geht langsam aber vorsichtig in die richtige Richtung in Spanien, aber immer noch auf einem extrem hohen Niveau der Arbeitslosigkeit. Dass viele neue Jobs nur als Teilzeitstellte entstehen, und dann auch noch sehr schlecht bezahlt, dafür sprechen wir an dieser Stelle noch überhaupt gar nicht – hier geht es nur um die Arbeitslosen.

Griechenland

Griechenland hatte im März noch über 24% Arbeitslosenquote (oben drauf bitte noch 30% rechnen). Warum März? Nun ja, aktuellere Daten als 2 Monate verzögert kann man aus Athen wohl auch nach Jahren der „Restrukturierung“ des Staates nicht liefern. Schwache Leistung, aber nun gut. Man darf wohl sagen sie liegt „nur“ bei 24%, denn wie Zahlen der griechischen Zentralbank + Statistikbehörde zeigen, haben zwischen 2008 und 2014 mindestens 517.000 Griechen im Alter von 15-64 Jahre das Land verlassen. Dabei muss man bedenken, dass in Griechenland nur knapp 11 Millionen Menschen leben. Das wäre ungefähr so, als hätten von 2008-2014 vier Millionen Deutsche ihre Heimat verlassen.

Ob die griechischen Bevölkerungszähler da wirklich hinterherkommen? Muss man diese Abwanderung großteils von den 11 Millionen abziehen, auch wenn die Zahl aus 2015 stammt? Geradezu vernichtend für Griechenland ist dieser Umstand: Früher gingen Ungelernte, jetzt die Hochschulabsolventen (die meisten zwischen 20-30 Jahre) – das ist für die Zukunft der griechischen Volkswirtschaft eine Katastrophe – denn es bedeutet langfristig gesehen eine strukturelle Verarmung der breiten Masse der Bevölkerung, wenn „das Wissen“ und „die geschulten Fachkräfte“ nicht mehr vorhanden sind. Statistisch wäre die Arbeitslosigkeit in Griechenland dramatisch höher, wenn die Menschen nicht mit den Füßen abstimmen würden. Und dennoch, obwohl sich die Arbeislosigkeit so quasi von alleine abbaut, ist sie immer noch bei 24% (+30% oben drauf). Verdammt viel.

Laut dem griechischen Wirtschaftsforschungsinstituts Kepe ist der Anteil der Langzeitarbeitslosen an der Gesamtarbeitslosigkeit in Griechenland seit Beginn der Finanzkrise auf 74% angestiegen. 2008 lag sie noch bei 40%. Am Stärksten betroffen waren demnach die 30-44jährigen. Im 4. Quartal 2008 waren 178.000 Griechen länger als 1 Jahr arbeitslos – 2015 waren es 872.000. In diesem Zeitraum seien mehr als 1 Million Arbeitsplätze verloren gegangen.

Wie soll da ein bißchen EU + ESM + IWF-Restrukturierung Griechenland helfen? Das Land bräuchte eigentlich einen richtigen Reset! Und laut griechischer Zentralbank ist ein Ende der Auswanderungswelle raus aus Griechenland auch jetzt nicht in Sicht.



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2 Kommentare

  1. Die Zahlen aus Griechenland kann man getrost als geschönt betrachten.Ich bin 3 mal jedes Jahr in Griechenland und habe guten Kontakt zu vielen Griechen. Wir sehen in Bezug auf den miserablen Zustand des durch staatliche Misswirtschaft heruntergewirtschaften Landes nur die Spitze des Eisbergs. Vor kurzem hat die größte Supermarktkette Griechenlands, Marinopoulos, Insolvenz beantragt ( ca. 12500 Arbeitsplätze ohne die davon betroffenen Lieferanten), eine große Tankstellenkette, Jetoil, hat auch vor wenigen Tagen Konkurrenz angemeldet. Dessen Gründer hat mittlerweile Selbstmord begangen.
    Aber es wird gerade mal wieder das staatliche Bahnunternehmen bestreikt. Dank SYRIZA nähert sich Griechenland dem totalen Zusammenbruch.

  2. Ich denke beantragt wurde Insolvenz und nicht Konkurrenz, aber das ist ja auch zweitrangig.
    Ich denke aber nicht, dass Syriza an all dem schuld ist, denn wenn ich das richtig sehe, hat die Regierung von Griechenland ohnehin nichts zu melden.
    Die Talfahrt wurde selbstverständlich von den Griechen selbst eingeleitet, wird jetzt aber meiner Meinung durch die EU (EZB) und den IWF immer mehr befeuert.

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