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Sri Lanka: Krise, Unruhen – Vorbote eines Finanzbebens in den Emerging Markets?

Sri Lanka und Emerging Markets

Sri Lanka ist in einer schweren Krise – ist das ein Vorbote für eine große Krise der Emerging Markets insgesamt?

Wenn steigende Zinsen auf ausufernde Staatsverschuldung treffen, ist dies eine höchst toxische Mischung, die Staaten in den Ruin und Gesellschaften ins Chaos stürzen kann. In den letzten Wochen sind die CDS-Spreads für Anleihen aus Sri Lanka in die Höhe geschossen, der Aufschlag zu einer 10-jährigen Bundesanleihe beträgt jetzt satte 3.283 Basispunkte.

Credit Default Swaps sind Kreditderivate, die das Ausfallrisiko einer Anleihe abbilden. Je größer der Wert, ausgedrückt in Basispunkten, desto höher das Ausfallrisiko. Was bedeuten CDS-Spreads? Der CDS-Spread errechnet sich aus der Renditedifferenz zwischen zwei Anleihen gleicher Laufzeit, wobei als Referenzenwert (Benchmark) üblicherweise 10-jährige Bundesanleihen aus Deutschland, der Schweiz oder 10-jährige Staatsanleihen aus den USA genommen werden.

Die Website Worldgovernmentbonds.com verfolgt die wichtigsten Anleihen-CDS und Spreads weltweit. Dort ist zu lesen, dass man für eine 10-jährige Staatsanleihe aus Sri Lanka, zum aktuellen Kurs gerechnet, unglaubliche 33,689 Prozent Rendite per Annum erhält, wenn es keinen Zahlungsausfall gibt. Wie dramatisch die Situation ist, zeigt sich an dem Spread zwischen einer zweijährigen und einer fünfjährigen Sri Lanka-Anleihe, der Aufschlag beträgt 850 Basispunkte, vor einem Monat lag er noch bei 150 Basispunkten.

Ausschreitungen in Sri Lanka fordern erste Todesopfer – schlechtes Omen für Emerging Markets?

Steigende Lebensmittel- und Energiepreise haben das Land in einen gefährlichen Chaoszustand versetzt. Die Landeswährung, die Sri-Lanka-Rupie, hat seit Anfang des Jahres um 40 Prozent zum US-Dollar abgewertet und als unmittelbare Folge die Importkosten drastisch erhöht. Anfang März kam es zu schweren Ausschreitungen in der Hauptstadt Colombo, die ein Todesopfer forderten, als die Protestanten den Präsidentenpalast stürmen wollte. Die Regierung reagierte darauf mit Gewalt und verteidigte vorerst ihre Macht. Seit letzter Woche hat Sri Lanka alle Schuldenzahlungen ausgesetzt. Die Regierung gibt das Geld aktuell lieber für Nahrungsmittel und Energieimporte aus, anstatt Investoren ihre Zinsen zu bezahlen. Aus menschlicher Sicht zu begrüßen, aus Machterhaltungswunsch nachvollziehbar. Eine Erklärung des Finanzministerium besagt, Ziel sei die Restrukturierung der Schulden. Sri Lanka hatte in seiner Geschichte bis jetzt noch keinen Zahlungsausfall zu verzeichnen.

„Inflation und FED-Zinserhöhung sind ein Desaster für die Emerging Markets“ – Jim O`Neill, ehemaliger Goldman Sachs Ökonom, Erfinder des Akronyms „BRICS“ (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika)

Die Zinserhöhung der FED trifft insbesondere solche Länder besonders hart, die sich zuvor in Dollar stark verschuldet haben, wie auch Sri Lanka. Die neuen Schulden wurden hauptsächlich zur Bekämpfung der Covid19 Krise aufgenommen. Fehlender Tourismus und die Misswirtschaft der Präsidentenfamilie haben dem Land sehr geschadet. Die aktuelle Regierung Sri Lankas gleicht einem Familienunternehmen mit hohem Kreditbedarf. Der ältere Bruder des Präsidenten ist Ministerpräsident, ein jüngerer Bruder ist Finanzminister. Die Staatsschulden belaufen sich mittlerweile auf rund 50 Milliarden US-Dollar.

Da der Krieg in Europa die Lage an den Agrarmärkten verschlimmert und ein kurzfristiges Ende nicht absehbar ist, werden weiter steigende Lebensmittel- und Energiepreise zu einem Brandbeschleuniger. Diese toxische Melange hat nicht nur Sri Lanka an den Rand der Zahlungsunfähigkeit getrieben: weitere Länder stehen laut einer Bloomberg Economics Analyse (siehe Grafik unten) kurz davor und könnten leicht im Strudel mit hinab gerissen werden: Äthiopien, El Salvador, Tunesien, Pakistan und Ghana. Der IMF (International Monetary Fund) und die Weltbank sind ebenfalls alarmiert, der Zahlungsausfall in Sri Lanka war das dominierende Thema während des Frühlingmeeting in dieser Woche in Washington. Die Weltbank hat ihren globalen Wachstumsprognose radikal zusammengestrichen und ein Hilfspaket für taumelnde Staaten in Höhe von 170 Milliarden US-Dollar geschnürt. Das ist mehr, als für das Covid19-Hilfspaket aufgebracht wurde. John Lipsky, eine ehemalige hohe Führungskraft beim IMF, befürchtet, dass „die Kombination aus real-ökonomischem Schock und gestiegenen Kapitalmarktkosten eine große Anzahl von Niedriglohn-Ländern in die Notwendigkeit der Schuldenrestrukturierung zwingen wird.“

Welche Emerging Market – Länder stehen kurz vor dem Zahlungsausfall?

Bis jetzt ist Sri Lanka die Vorhut einer möglichen Krise, die in den Emerging Markets droht. Aber Sri Lanka ist, wie schon erwähnt, nicht das einzige Land, dem ein Zahlungsausfall droht. 13 Länder haben Spread-Aufschläge von mehr als 1.000 Basispunkten zu den US-Treasuries. 2021 hatten nur sechs Länder derart hohe Aufschläge.

Ukraine Krise als Brandbeschleuniger

Zieht man die aktuelle Ukraine-Krise mit all ihren Verwerfungen mit ins Kalkül, auf Finanzmarktwelt.de wurde bereits detailliert über die engen Verflechtungen berichtet, geraten noch mehr Länder an den Rand des Abgrundes. Ganz oben auf der Liste der gefährdeten Länder stehen die Türkei und Ägypten, gefolgt von Tunesien, Äthiopien, Pakistan, Ghana und El Salvador. Alle aufgezählten Länder kämpfen mit gestiegenen Finanzierungskosten und hohen Schuldenbergen, die Kosten der Refinanzierung sind seit 2019 um mehr als 700 Basispunkte gestiegen. Auf Twitter wurde eine Übersicht gepostet, die die Länder auflistet, die durch den Russland-Ukraine Krieg einem erhöhten Risiko ausgesetzt sind.

Selbst ein Zahlungsausfall in mehreren Ländern wäre für die Weltwirtschaft kaum mehr als eine Randnotiz, aber solche anfänglich kleinen Krisen in den Emerging Markets haben in der Vergangenheit oft größere Kreise gezogen, als zuerst gedacht. Banken und Hedge-Fonds könnten durch Zahlungsausfälle in Schieflagen geraten, denn seismische Schockwellen in der Finanzwelt benötigen Zeit, bis sie ihre volle Wirkung entfalten. Das kann man aktuell an der Ukraine-Krise konkret beobachten.

Peru, Äthiopien, Sri Lanka, Pakistan, Ghana, Tunesien, Sambia, Türkei und Ägypten, alles Länder, in denen es unter der Oberfläche brodelt und die unmittelbar vor einer humanitären Katastrophe stehen. Fast täglich kommt es in einem dieser Länder zu Ausschreitungen. Irgendwann werden Hunger und Elend so groß sein, dass möglicherweise Regierungen stürzen.



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4 Kommentare

  1. Sri Lanka leidet aktuell im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg/militärische Sonderoperation unter hohen Energie- und Lebensmittelpreisen. Dies bekräftigt meine Ablehnung gegen ein russisches Öl-Embargo, bzw. Embargo gegen die russische Landwirtschaft. In Sachen letzteres ist auch die Ukraine ein bedeutender Exporteur. Ich wünsche daher dem anstehenden persönlichen Treffen des UN-Generalsekretärs, der sich auch mit der Weltwirtschaft befasst mit dem russischen und dem ukrainischen Präsidenten grundsätzlich einen entsprechenden Verlauf.

  2. Das Problem von Sri Lanka ist doch, dassdie aktuelle Regierung das Import von Agrar-Chemie vor 2 Jahren verboten hat. Die Ernten sind ausgefallen und weil der Nahrungsexport vorher ca 1/4 der Einnahmen war, fehlt dieses Geld jetzt.
    Touristen haben nur 1/10 ausgemacht.

  3. Nackt unter Wölfen.
    Im Zwielicht der Gefühle,und Informationen,erkennen wir die Wahrheit nicht.
    Familienbetriebe auf Regierungsebene waren auch schon mal besser.

    1. Young Global Leader

      @ALBI, sozialistische Regierungsfamilienbetriebe enthalten etwas von allem.

      Im 18-ten Jahrhundert wäre niemand auf die Idee gekommen, dass „Staatsschulden“ nicht die Schulden des Fürsten sind.

      Demokratie ( = Sozialismus ) verursachen Verwirrung und ein unstillbares Bedürfnis nach Aufklärung: die alte Ordnung wurde zerstört, nichts ist mehr an seinem Platz. Wir sind alle frei, gleich und Brüder und dann doch wieder nicht. Verschwörungstheorien sind Volkspolitologie: niemand kann sich vorstellen, dass nicht jemand anderes hinter allem steckt. Nachdem der König geköpft wurde, wird das Volk für immer dem glanzvollen Schein misstrauen und auf diese weise „philosophisch“. Der Westen ist da immer noch drin, es sind „unsere Werte“, er folgt dem Algorithmus.

      PS. Es ist wichtig Mitleid zu haben und ich bin kein Fan von Sanktionen. Ich habe beim Online-Versandhandel theceylontee.com aus Sri Lanka für 45 USD Ceylon-Tee bestellt ( 3 Sorten ). Was weiß ich über den Versand? Nichts was nicht in „about us“ auf der Website steht. Es könnte alles Fake sein, die Regierung könnte dahinter stecken und das wäre nicht mal das Schlimmste. Wird der Tee ankommen? Ich bin optimistisch, aber es wird ca. 4 Wochen dauern, bis ich den Tee als Antwort habe. Wie wird er sein? Werde ich ihn zu gut beurteilen, weil ich nicht zugeben will, einen Fehler begangen zu haben? Warum sollte mir jemand glauben?

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