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Türkische Lira kurz vor der Marke 30 pro Dollar – die Gründe

Die türkische Lira fällt immer weiter und steht jetzt unmittelbar vor der Marke von 30 Lira pro Dollar. Ein Blick auf die Gründe des Absturzes.

Türkei-Fahne
Foto: Ededchechine-Freepik.com

Die türkische Lira fällt immer weiter. Dass die Zentralbank in Ankara seit Juni den Leitzins von 8,5 % massiv angehoben hat auf 42,5 % (letzte Anhebung am 21. Dezember), verpuffte bislang am Devisenmarkt. Im folgenden TradingView Chart sehen wir seit 2019, wie der US-Dollar gegen die türkische Lira immer weiter aufwertet. 2019 zahlte man weniger als 6 Lira für 1 US-Dollar. Im Sommer 2022 waren es 20 Lira, und aktuell kratzt man an der 30-Marke mit einem Rekordtief von 29,89 Lira pro Dollar.

Grafik zeigt Verlauf von US-Dollar gegen die türkische Lira seit dem Jahr 2019

Türkische Lira fällt immer weiter – Zweifel am Sieg über die Inflation in der Türkei

Im folgenden Chart sehen wir seit 2019 die Entwicklung von Inflation (blau) und Leitzins (orange) in der Türkei. Das Problem derzeit ist offenkundig: Die Inflation steigt seit einem halben Jahr von 39 % auf jetzt 64,77 %. Und die Befürchtung ist, dass sie weiter ansteigt. Wird die Zentralbank bereit sein, den Leitzins für die Türkei noch kräftiger anzuheben im Kampf gegen die hohe Inflation? Die türkische Lira fällt weiter, was darauf hindeutet, dass man am Devisenmarkt immer noch zweifelt, ob es bislang ausreichende Zinserhöhungen gab in diesem Kampf. Am 25. Januar steht die nächste Zinsentscheidung an. Aber abseits der Aktionen der Zentralbank sollte man auch auf die Politik schauen.

Grafik zeigt Entwicklung von Inflation und Leitzins in der Türkei

Kräftige Mindestlohn-Erhöhung – Treibstoff für die Inflation

Die Regierung hob Ende Dezember den Mindestlohn in der Türkei um 49 % auf 17.002 Lira (578 Dollar) an, ein Niveau, das nach Einschätzung von Goldman Sachs und Morgan Stanley die Zentralbank zu einer weiteren Straffung der Geldpolitik zwingen würde. Bloomberg berichtete hierzu in der letzten Dezember-Woche: Der Mindestlohn ist das Grundgehalt von mehr als einem Drittel der türkischen Arbeitnehmer und dient als Referenz für andere Lohnabschlüsse. Die Entscheidung wurde von Rating-Agenturen und Anlegern aufmerksam verfolgt, die darauf warten, dass die Behörden an der orthodoxen Politik festhalten, die nach den Wahlen im Mai eingeführt wurde, als Erdogan wieder an die Macht kam.

Diese Rückkehr zur Orthodoxie – insbesondere die aggressiven Zinserhöhungen der letzten Monate zur Eindämmung der Inflation – hat ausländische Investoren zurück in die Türkei gelockt. Die türkische Lira ist jedoch weiter gefallen. Nachdem die türkische Zentralbank den Leitzins seit Juni auf 42,5 % verfünffacht hat, erwartet sie, dass die Inflation in diesem Jahr bei 65 % liegen wird, bevor sie im Mai einen Höchststand von über 70 % erreichen soll. Gouverneur Hafize Gaye Erkan sagte, die Zentralbank habe bei der Erstellung der Inflationsprognose auch mögliche Mindestlohnerhöhungen berücksichtigt.

Wenn sich die Inflation gemäß der Prognose von Erkan verlangsamt, könnten sich türkische Anleihen nach Ansicht vieler Fondsmanager als erfolgreiche Anlage für 2024 erweisen. Sie bleiben aber auch vorsichtig, was einen Kurswechsel Erdogans vor den Wahlen angeht, der in der Vergangenheit mehrere Zentralbankchefs wegen ihrer Bemühungen um eine Eindämmung der Inflation entlassen hat. Hochrangige Beamte sagen, der Präsident stehe dieses Mal voll hinter ihr.

In der letzten Dezember-Woche verlängerten die Behörden eine Senkung der Quellensteuer auf Lira-Bankeinlagen bis April, berichtete die staatliche Agentur Anadolu unter Berufung auf ein im Amtsblatt veröffentlichtes Präsidialdekret. Dieser Schritt zeigt, dass die Regierung Bürger und Unternehmen weiterhin ermutigen will, von der Hartwährung in türkische Lira zu wechseln.

Onur Ilgen, Leiter der Finanzabteilung der MUFG Bank Turkey AS, berichtete von einer zusätzlichen Dollarnachfrage von Unternehmen vor dem Jahresende sowie von einem gewissen Appetit, Lira-Positionen abzusichern. „Die unerwartet hohe Erhöhung des Mindestlohns wird ebenfalls einen gewissen Inflationsdruck erzeugen“, fügte Ilgen hinzu.

Lohn-Preis-Spirale? Weitere Zinserhöhung in zwei Wochen möglich

FMW: Das Problem für die türkische Lira besteht in der drohenden Lohn-Preis-Spirale. Bei so deutlich steigenden Löhnen, die aufgrund der hohen Inflation wohl notwendig waren, müssen deren Arbeitgeber nun vermutlich die Preise für ihre Kunden erhöhen, um die höheren Gehälter zu refinanzieren. Und so setzt sich eine Spirale zwischen höheren Löhnen und höheren Preisen immer weiter fort, was die türkische Lira schwächt. Man kann vermuten, dass sich die Zentralbank bei der fortschreitenden Lira-Schwäche genötigt sieht, in zwei Wochen die Zinsen erneut anzuheben.

FMW/Bloomberg



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