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Einblick in die Bankenkrise UniCredit-Chef warnt vor weiterer Unsicherheit für Banken

Der CEO der Großbank UniCredit-Chef warnt vor weiterer Unsicherheit für Banken. Hier ein Einblick in die Branche in einem aktuellen Interview.

UniCredit CEO Andrea Orcel gibt Einblick in die Probleme der Banken

Nur wenige Banker verfügen über einen so umfassenden Einblick in die sich schnell verändernde Finanzlandschaft wie Andrea Orcel. Der Chef der italienischen Großbank UniCredit leitet Banken in 13 Ländern in Mittel- und Osteuropa. Und als ehemaliger Leiter des Investmentbankings der Schweizer UBS weiß er genau, warum der rasche Zusammenbruch der Credit Suisse ein solcher Schock war. Im Bezug auf die Fusion beider Institute zu einem Bankenkoloss sieht Orcel wenig Anlass zur Sorge. Was ihn jedoch beunruhigt, ist der tiefgreifende Wandel des Konjunkturumfelds. Um Probleme zu umschiffen, müssten die großen Banken wachsam sein, so mahnt er es im folgenden Gespräch mit Bloomberg an.

Plötzlich scheitern Banken auf beiden Seiten des Atlantiks – gibt es eine Bankenkrise?

Es gibt sie, und es gibt sie nicht. Wir haben in den USA einen Schock erlitten. Einen weiteren Schock gab es in der Schweiz. Aber diese Schocks sind relativ lokal begrenzt. Wenn man sich die Kapitalstärke der Banken ansieht — ich spreche von den europäischen Banken —, wenn man sich die Liquidität, die Einlagen und all das zusammen ansieht, ist es sehr schwierig zu erkennen, wo die Schwachstellen liegen.

Sehen Sie Parallelen zur globalen Finanzkrise, die 2007 begann, oder zur US-Savings—&-Loan-Krise in den späten 1980er Jahren?

Ich sehe keine. Bei allen Banken, vor allem bei den systemrelevanten, ist es wichtig, schnell und entschlossen zu intervenieren. Vertrauen und Zuversicht in die Stabilität und Stärke des Systems sind das A und O. Die Credit Suisse war in den Bereichen Wealth Management, Investment Banking und Asset Management tätig — Geschäftsfelder, in denen wir und die meisten europäischen Banken nicht aktiv sind. Jetzt wird sie von der UBS übernommen, und das geschieht mit Unterstützung der Schweizerischen Nationalbank und der Aufsichtsbehörden. Ich denke, die Auswirkungen werden sich in Grenzen halten.

Was ist mit den Insolvenzen der Silicon Valley Bank und der Signature Bank in den USA?

Ich glaube nicht, dass es ein Problem mit dem Bankensystem in den USA gibt. Wir hatten einen Schock, der besorgniserregend ist und offensichtlich in Angriff genommen werden muss, und das wird auch getan.

Gibt es Maßnahmen, die die Aufsichtsbehörden Ihrer Meinung nach als Reaktion darauf ergreifen sollten?

Alle Zentralbanken haben auf ihre Weise erklärt, dass es keinen Grund zur Panik gibt und sie hinter dem System stehen. Erklärungen sind wichtig, aber jeder wird sich die Fakten ansehen: wie sich die Zinssätze entwickeln, welche Liquidität im System vorhanden ist, ob die Banken Dividenden zahlen oder Aktionäre auf andere Weise belohnen dürfen.

Wie sichern Sie das Geschäft von UniCredit gegen diese oder andere Pleiten in der Zukunft ab?

Wir haben gerade eine große Bereinigung und Kürzung abgeschlossen und einige Lehren daraus gezogen. Wir sind besonders konservativ, was Kapital, Liquidität und Gegenparteirisiken angeht. Wir sind einfach konservativ. Jeder sollte ein bisschen paranoid sein. Die Welt verändert sich, und zwar schnell. Was könnte uns überraschen? Wir versuchen, vorbereitet zu sein. Es sollte einen Dialog zwischen den Banken und ihren Aufsichtsbehörden sowie zwischen den Banken selbst geben: Was sehen wir? Was sehen Sie? Was brauchen wir, um die Integrität des Systems zu schützen? Wir sind miteinander vernetzt. Wir müssen uns gegenseitig helfen.

Hat sich das Verhalten Ihrer Privat- oder Firmenkunden geändert, z. B. was die Verlagerung oder den Abzug von Einlagen betrifft?

Dies ist einer der größten Unterschiede zwischen den USA und Europa. In den USA waren die Einlagen bereits rückläufig und neigten dazu, in Geldmarktfonds umgeschichtet zu werden. In Europa nahmen die Einlagen zu. Und sie bleiben stabil, vor allem die Privatkundeneinlagen. Nach einer Situation wie der, die wir gerade erlebt haben, gibt es eine Flucht in die Qualität. Die stärkeren, größeren, besser kapitalisierten, liquideren und konservativeren Banken profitieren davon, und das haben wir in unseren Zahlen gesehen.

Wie wird der Wegfall der Credit Suisse die Wettbewerbsdynamik im Finanzdienstleistungssektor verändern?

Die Frage ist, ob der Kauf der Credit Suisse UBS zu einem stärkeren Konkurrenten macht. Wenn die Integration so abläuft, wie ich es mir erhoffe, wird die UBS über eine beispiellose Größe im Wealth Management verfügen, insbesondere außerhalb der USA, und über globale Größe im Investment Banking.

Wie schwierig wird diese Integration sein?

Am schwierigsten ist es, die beiden Kulturen zu vereinen. Das ist zwar schwer zu quantifizieren, aber die Kultur ist entscheidend für eine erfolgreiche Integration. Wenn das geschafft ist — und ich bin zuversichtlich, dass es gelingt — ist der Rest nur eine Frage der Zeit.

Welche Risiken erfordern Ihrer Meinung nach mehr Aufmerksamkeit?

Nach Jahren der Globalisierung, einer positiven Dynamik und einem günstigen wirtschaftlichen Umfeld stehen wir vor einer ungewissen Zukunft. Sehen Sie sich die Inflation an, die aus strukturellen Gründen hoch bleiben wird. Sehen Sie sich die Zinsen an. Sehen Sie sich die Geopolitik an. Schauen Sie sich die Wirtschaft an. Sehen Sie sich die Deglobalisierung an, die Neuordnung der Wertschöpfungsketten. All diese Dinge laufen parallel ab. Es ist fast unvermeidlich, dass etwas Schlimmes passieren wird, und die Regierungen werden kein Drehbuch haben, weil unser Drehbuch für vergangene Krisen ist, nicht für die nächste Krise. Deshalb sage ich zu meinem Team: “Die einzige Gewissheit ist die Ungewissheit.”

FMW: Markus Krall würde die positiven Aussagen in diesem Interview wohl völlig anders sehen als der CEO der UniCredit. Finden Sie HIER sein aktuelles Interview mit Mario Lochner über 70 Minuten Länge. Er sieht für die nächsten Quartale eine gigantische Bankenkrise auf uns zurollen.

FMW/Bloomberg



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1 Kommentar

  1. Schönreden, verharmlosen und Tatsachen „auf den Kopf stellen „.
    Keine einzige Bank hat soviel Eigenkapital um die Einlagen ihrer Kunden zu 100 Prozent auszuzahlen.
    Meist beträgt das Eigenkapital noch nicht einmal 10 Prozent.
    Würde man sich mit diesem Prozentsatz z.B. um einen Immobilienkredit bemühen – man würde ausgelacht werden – einfach eine riesengroße Schweinerei

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