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Ford, GM, Chrysler und Jeep betroffen USA: Größter Streik im Automobilbau seit 1998 droht

Der Streik der United Auto Workers hat das Potenzial, zur größten Arbeitsunterbrechung der letzten drei Jahrzehnte im US-Automobilbau zu werden.

UAW-Streik in Ohio

Der Streik der Gewerkschaft United Auto Workers, der bereits drei Produktionswerke in Detroit stillgelegt hat, begann am vergangenen Freitag. Die Arbeitsniederlegung hält bereits den fünften Tag in Folge an.

Streik geht mangels neuer Angebote weiter

Laut Bloomberg News wartet die Gewerkschaft der Automobilbauer (UAW) am Dienstag, dem bereits fünften Tag der Arbeitsniederlegung in Detroit, auf neue Angebote der drei großen US-Hersteller General Motors (GM), Ford und Stellantis (Chrysler, Dodge, Jeep etc.). Die UAW hatte am 14. September entsprechende Vorschläge zur Abwendung einer Arbeitsunterbrechung unterbreitet:

Die UAW weigerte sich, Einzelheiten zu ihrem letzten Angebot zu nennen, aber die Hersteller informierten Bloomberg, die Gewerkschaft habe ihre Forderung nach einer Lohnerhöhung von 40 Prozent, verteilt auf drei Jahre auf 36 Prozent Lohnerhöhung gesenkt. GM und Ford konterten jeweils mit Angeboten einer Erhöhung um lediglich 20 Prozent für den gleichen Zeitraum, die die Gewerkschaft jedoch sofort zurückwies. Das neueste Angebot von Stellantis sieht eine Erhöhung um 19,5 Prozent vor, die sich auf 21 Prozent erhöht, wenn sie über die Laufzeit des Deals verteilt wird, so Bloomberg News. Außerdem will Stellantis eine Lösung für das stillgelegte Jeep-Werk in Belvidere, Illinois finden.

Normalerweise dauern Streiks in den USA nicht sehr lange: Laut einer NBC News-Analyse der Daten des Bureau of Labor Statistics (BLS) dauerte die Arbeitsunterbrechung bei Unternehmen mit mehr als 1.000 Arbeitnehmern in den letzten 30 Jahren durchschnittlich fünf Wochen.

Gewerkschaftsführer der UAW sagten, es werde sich um eine Reihe von Streiks in mehreren Werken in Detroit handeln, die es ermöglichen würden, ihren Streikfonds in Höhe von 825 Millionen US-Dollar effizient und lang anhaltend zu nutzen. Der Streikfonds würde einen Vollstreik von bis zu 11 Wochen finanzieren können.

Ungewöhnlich hoch motiviert

Die Vertreter der Gewerkschaft UAW und deren Mitglieder sind in diesem Arbeitskampf laut Bloomberg ungewöhnlich motiviert und engagiert. Der andauernde allgemeine Preisdruck, der Niedergang Detroits als Automobilhauptstadt der Welt sowie die extreme Gehaltsschere zwischen Arbeitnehmern und Managern seien eine Vielzahl von Faktoren, die zum jetzigen Streik im US-Automobilbau führten.

UAW-Präsident Shawn Fain lehnte das Gehaltserhöhungsangebot von Stellantis um 21 Prozent bereits als „No-Go“ ab.

Da die Forderungen der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber noch sehr weit auseinanderliegen und der Arbeitskampf somit noch länger andauern könnte, müssen sich Spediteure, Zulieferer, Händler und Kunden auf Einschränkungen einstellen. Auch die Gebrauchtwagenpreise könnten mangels Neuwagenangeboten wieder steigen, was in den August-Statistiken natürlich noch nicht sichtbar ist. Daraus könnte sich erneut ein Inflationstreiber über die Preis-Lohn-Preis-Spirale hinaus entwickeln.

Manheim Gebrauchtwagen-Preis-Index für August 2023

GM entlässt wegen „Spill-Over-Effekten“ erste Mitarbeiter

Die Streiks begannen zwar erst am 15. September, wenige Minuten nachdem die Verträge der UAW mit den Autoherstellern ausgelaufen waren. Doch es gibt bereits erste streikbedingte Entlassungen: GM und Ford haben angekündigt, nicht streikende Mitarbeiter unentgeltlich freizustellen und dabei gegenüber Bloomberg auf „Spillover-Effekte“ der Streiks auf drei große Fabriken verwiesen, die sie zu dieser Maßnahme zwingen.

Die Automobilbauer-Gewerkschaft UAW werde nach Informationen von Bloomberg News diesen Arbeitern umgerechnet 500 US-Dollar Streikgeld pro Woche zahlen, auch wenn sie nicht an einem Streik teilnehmen. Die Gewerkschaft verfügt über einen ausreichend großen Streikfonds (825 Mio. US-Dollar).

Seitdem 15. September haben sich fast 13.000 Arbeiter u. a. in einem Ford-Werk in Michigan, das Bronco-SUVs herstellt, einem GM-Werk in Missouri, das Chevrolet Colorado-Pickups montiert, und einem Stellantis-Werk in Ohio, das Jeep Wrangler-SUVs baut, dem Arbeitsausstand angeschlossen.

Neue Verhandlungen und vorsichtiger Optimismus

Die Gewerkschaftsvertreter führten bereits am 16. September Verhandlungen mit Ford und bezeichneten diese als „ziemlich produktiv“. Am Sonntag wurden Gespräche mit GM geführt und am Montag mit Stellantis. Es wurde jedoch nicht kolportiert, wie diese Gespräche verliefen. Im Laufe der Woche wollen die Tarifpartner versuchen, sich weiter anzunähern, um den Streik so kurz wie möglich zu halten. Ob dies gelingt, bleibt abzuwarten.

In Anbetracht der anhaltend hohen Teuerungsrate für die Arbeitnehmer auf der einen Seite und den enormen Herausforderungen, vor denen auch die US-Automobilindustrie steht, ist der Ausgang und die Dauer des Streiks aktuell völlig offen.

Die bereits darbende US-Automobilindustrie ist mit stark ansteigenden Repo-Zahlen (Rückholungen wegen ausbleibender Zahlungen), der Umstellung auf E-Mobilität, hohen Treibstoffpreisen, steigenden Umweltstandards, dem KI-basierten autonomen Fahren sowie mit der Billigkonkurrenz aus China konfrontiert.

Dafür bräuchte die US-Automobilbranche eigentlich jeden Cent, um sowohl auf der Preis- als auch auf der Innovationsebene mithalten zu können. Insofern kommt der absolut verständliche Streik aus Sicht der Arbeitnehmer dennoch zur Unzeit – auch für die Autostadt Detroit.

FMW/Bloomberg



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1 Kommentar

  1. Dr. Sebastian Schaarschmidt

    Unter normalen Umständen hätte es GM heute gar nicht mehr gegeben, denn GM ging 2008/09- im Rahmen der Finanzkrise pleite !

    Aber GM wurde, wie so viele, von der Politik, mit viel Geld hochgepäpelt und stellt nun hohe Ansprüche. Das Durchschnittsgehalt eines GM Mitarbeiters ,am Bande,einfachste manuelle Handgriffe, nur angelernt, beträgt gegenwärtig 35 US-Dollar die Stunde. Dazu kommen dann noch die Schichtzuschläge und die betriebliche Altersversorgung.

    Jeder GM Worker kann, über sogenannte Aktienoptionen,am Erfolg des eigenen Unternehmens teilhaben. Dazu erhält jeder GM Worker betriebseigene Fahrzeuge, mit bis zu 35 Prozent Abschlag ,zum Listenpreis.

    Das Beispiel 98 taugt nicht, denn damals ging’s darum den Stundenlohn von 12 auf 15 Dollar zu steigern, jetzt reden wir davon, diesen von 35 auf 55 Dollar anzuheben.

    Das gibt doch das Unternehmen gar nicht her. Ich kenne die Zahlen, sie sind frei im Internet erhältlich.

    Das einzige was rauskommt,ist die erneute Pleite von GM. Und dann soll wieder der Steuerzahler GM retten, genau wie in 2008/09.

    Man sollte einfach mal den Markt Markt sein lassen….und nicht immer retten !

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