Anleihen

Vernichtende Kritik an der Kommunikation der EZB – Constancio verteidigt sich

Von Markus Fugmann

Seitens zahlreicher Analysten hagelt es an Kritik über die Kommunikation der EZB. So formuliert etwa der Chefsvolkswirt des französischen Vermögensverwalters Oddo Securities, Bruno Cavalier:

„Wenn Mario Draghi ein Fußballer wäre, würden wir sagen, er hat einige Tore geschossen, aber gegen die eigene Mannschaft“.

EZB Mario Draghi
Viel zu wenig geliefert, viel zu viel versprochen: Mario Draghi
Foto: EZB

Bums. Eigentor also. Draghi selbst, Constancio, Praet und auch Benoit Coeure hatten zuvor immer wieder die Erwartungen geschürt und damit die Latte extrem hoch gelegt, die gestern glatt untersprungen wurde. Daher sagt der Chefsvolkswirt der Deutschen Bank, Mark Wall:

„Vor nicht allzu langer Zeit wären solche Maßnahmen noch als beachtlich eingestuft worden. Draghi hat zugelassen, dass sich die Märkte davon mitreißen ließen“.

Und Cavalier bringt das Dilemma der EZB auf den Punkt: es sei für eine Notenbank gefährlich, „die ökonomische Realität zu verzerren, um ihr Politik zu rechtfertigen“. Genau das war das Problem der EZB: es gab eigentlich wenig echte Gründe, um die große Bazooka auszupacken, die Wirtschaft in der Eurozone steht so gut da wie schon lange nicht mehr. Daher mußte die EZB zurück rudern und damit die Märkte enttäuschen, weil sie sich sonst zu weit eben von der ökonomischen Realität entfernt hätte!

Wahrscheinlich ist, dass Draghi erkannt hatte, dass der Widerstand gegen die ganz große Bazooka aus diesem Grunde zu groß sein würde – sodass die gestern verkündeten Massnahmen eine Art Kompromiß waren. Laut Insider-Angaben haben aber selbst gegen diesen Kompromiß Jens Weidmann (der das offiziell nach der Entscheidung geäußert hat) und EZB-Direktorin Sabine Lautenschläger (schon zuvor geäußert) auch die Chefs der niederländischen, estnischen und lettischen Zentralbank gestimmt.

Vor wenigen Minuten hat nun der EZB-Vize Constancio, ein erklärter Anhänger Draghis, die Entscheidung der EZB in einem CNBC-Interview verteidigt:

„Wir müssen anerkennen, dass sich an den Märkten falsche Erwartungen herausgebildet hatten. Nach der Ratssitzung im Oktober haben wir gesagt, dass wir den Akkommodationsgrad unser Geldpolitik überprüfen werden. Wir haben aber nie gesagt, dass wir eine neue Art von QE2 oder so etwas planen“.

Wirklich überzeugend ist das nicht. Draghi hatte am 20.November in Frankfurt gesagt:

„Wir betrachten besonders das Wertpapierkaufprogramm als ein wirksames und flexibles Instrument, da wir seine Größe, Zusammensetzung und Dauer verändern können, um eine expansivere Ausrichtung der Geldpolitik zu erreichen.“

Immerhin die Zusammensetzung (Einbeziehung regionaler Anleihen) und die Dauer wurden von der EZB ausgeweitet. Aber die Größe eben nicht – und genau damit hatten alle gerechnet nach den zahlreichen Wortmeldungen Draghis und seiner Jünger in der EZB.

John Hardy von der Saxobank bringt es auf den Punkt: wir erlebten gestern „one of the worst communication breakdowns in modern history“. Amen!



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2 Kommentare

  1. Da hat man die Leute per psychologischen Durchschüttelmaßnahmen (vorwärts, rückwärts, und wieder zurück) schon aus der Fassung gebracht und jetzt versagt so langsam das (Trick-)Spiel: es kommt Unmut auf, jedoch der Retter kann nicht, weil er nicht kann. Die beleidigte, doofe Masse ist dann auch noch sauer das sie nicht geliefert bekommen hat, obwohl es hintergründig eine Ohrfeige gewesen wäre – Drogenjunkies im Wahn außer Rand und Band (jenseits jeglichen Bewusstseins und Verstandes).

    1. Herr Draghi hätte sich einfach seine Aussagen im Vorfeld genauer überlegen sollen. In seiner Position wird halt jedes Wort auf die Goldwaage gelegt, das sollte er wissen. Besser noch, er hätte gar nichts im Vorfeld gesagt, dann wären die Märkte gestern vor Freude durch die Decke gegangen.

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