Aktien

Überhöhte Gehälter für Betriebsräte? Volkswagen: Bewaffnete Ermittler durchsuchen Büros und Wohnungen

Volkswagen-Logo
Volkswagen-Logo. Photographer: Zed Jameson/Bloomberg

Bei Volkswagen in Wolfsburg hat es wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Begünstigungsverbot des Betriebsverfassungsgesetzes mehrstündige Durchsuchungen von Firmenbüros, der Rechtsabteilung und sogar von Privatwohnungen gegeben.

Bewaffnete Razzia bei Volkswagen in Wolfsburg

Wie erst am Mittwoch durch die Staatsanwaltschaft in Braunschweig bekannt wurde, kam es bereits am 26. September zu erneuten Durchsuchungen bei Volkswagen wegen überhöhter Gehälter für Aufsichtsräte. Das Verfahren schwelt schon seit Jahren und wurde bereits 2019 durch einen Vergleich beendet. Doch neue Details haben laut der Staatsanwaltschaft zu den jüngsten Durchsuchungsbeschlüssen geführt.

Damit wird Deutschlands größter Autobauer neben betriebswirtschaftlich ernsthaften Herausforderungen in Sachen E-Autos (Einbruch der Nachfrage) nun auch wieder mit juristischem Gegenwind konfrontiert. Zudem hat eine IT-Störung am Mittwoch die zentrale Infrastruktur des Volkswagen-Konzerns lahmgelegt. In mindestens vier Werken, unter anderem in Wolfsburg und Osnabrück, steht offenbar die Produktion seit Mittwochmittag still.

Der Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hatte Anfang dieses Jahres Freisprüche für vier frühere VW-Personalmanager gekippt, denen die Staatsanwaltschaft Untreue vorwirft, weil sie Betriebsräten zu hohe Gehälter bewilligt haben sollen. Jetzt muss das Verfahren vor dem Landgericht Braunschweig gegen die vier Beschuldigten neu aufgenommen werden. Nach Angaben von Volkswagen wurden bei der Razzia durch bewaffnete Beamte mehrere Büros durchsucht und dabei Unterlagen sowie Daten sichergestellt. Der Einsatz habe mehrere Stunden gedauert.

Autobauer handelte unzulässig

Gegenüber dem Norddeutschen Rundfunk (NDR) erklärte Roland Schwarze vom Institut für Arbeits-, Unternehmens- und Sozialrecht an der Leibniz Universität Hannover: „Nach dem Betriebsverfassungsgesetz sind die Betriebsratsmitglieder ehrenamtlich tätig.“ Sie werden danach für ihre Tätigkeit von der Arbeit freigestellt, erhalten ihr normales durchschnittliches Gehalt aber weiterhin. Bei VW bestehe das Problem darin, dass sich das Entgelt an der Arbeit im Betriebsrat orientiere – also an der Qualifikation und Verantwortung der Tätigkeit, so Schwarze. Das sei jedoch unzulässig und kehrt die Rechtslage um.

Stark überzogene Gehälter?

Bei dem Verfahren ging es konkret um die Frage, ob vier Manager zwischen 2011 und 2016 für einflussreiche VW-Betriebsräte wie den langjährigen Vorsitzenden Bernd Osterloh (67) überzogene Gehälter unrechtmäßig freigegeben hatten. Jetzt muss das Verfahren vor dem Landgericht Braunschweig, das die vier Manager zunächst freigesprochen hatte, neu aufgerollt werden. Doch das ganze Verfahren scheint in einer Zwickmühle zu stecken:

Der Konzern hatte nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs bereits mehreren Dutzend Betriebsräten die Gehälter signifikant gekürzt. Zahlreiche Betroffene klagten dagegen vor dem Arbeitsgericht und fast alle bekamen Recht. Von 17 Entscheidungen seien 16 zugunsten der klagenden Betriebsräte von Volkswagen ausgegangen, sagte ein Betriebsratssprecher am Dienstag. Daraus sei eine klare Tendenz zu erkennen, dass die Arbeitsgerichte die Sache anders sehen als der Strafsenat des BGH.

Die Betriebsräte von VW argumentieren, dass ihre Verantwortung im Aufsichtsrat eine andere wäre, als früher am Produktionsband. In der Belegschaft sorgt das Thema dennoch für Unmut, denn anders als Vorstandsmitglieder müssen Betriebsräte ihre Gehälter nicht offenlegen, was im Zuge der Prozesse aber unvermeidbar war.

Eine juristische Einigung in Sachen Interpretation der Rechtslage zwischen dem Strafsenat des Bundesgerichtshofs auf der einen Seite und den Arbeitsgerichten auf der anderen Seite scheint nicht in Sicht.

Unklare Rechtslage

Überhöhte Vergütungen plus Boni sind nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft jahrelang an mehrere Betriebsräte bei VW geflossen – in Folge einer bewussten Entscheidung des Vorstands.

Es ist auch ein politisch heikles Thema, denn neben womöglich deutlich zu üppigen Bezügen für Mitglieder der Arbeitnehmervertreter in Deutschlands größtem Unternehmen birgt auch der Verdacht Konfliktpotential, man habe sich das Wohlwollen der Gegenseite quasi erkaufen wollen. Die Rechtslage ist wegen des veralteten Betriebsverfassungsgesetzes zudem unklar und in Teilen widersprüchlich.

Volkswagen kooperiert nach eigenen Angaben „vollumfänglich“ mit den Strafverfolgungsbehörden. Die Staatsanwaltschaft will mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen keine weiteren Einzelheiten nennen.



Kommentare lesen und schreiben, hier klicken

Lesen Sie auch

Hinterlassen Sie eine Antwort

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert




ACHTUNG: Wenn Sie den Kommentar abschicken stimmen Sie der Speicherung Ihrer Daten zur Verwendung der Kommentarfunktion zu.
Weitere Information finden Sie in unserer Zur Datenschutzerklärung

Meist gelesen 7 Tage