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Warnung an die EZB: Löhne in der Eurozone steigen, Inflation auch?

Warnung an die EZB: Löhne in der Eurozone steigen, Inflation auch?
EZB in Frankfurt. Foto: EyeEm - Freepik.com

Die jüngsten Aussagen einiger EZB-Ratsmitglieder, unter anderem auch von Christine Lagarde, vermitteln den Eindruck, als ob die Inflation in der Eurozone schon besiegt sei. Die EZB-Präsidentin sagte am Dienstag: „Ich bin wirklich zuversichtlich, dass wir die Inflation unter Kontrolle haben“. Zudem deutete Lagarde an, dass eine Zinssenkung im nächsten Monat wahrscheinlich ist, da der rasche Anstieg der Inflation nun weitgehend eingedämmt ist. Ob sie damit recht behält? Abwarten! Denn es gibt immer noch Faktoren, die den Preisdruck erneut erhöhen könnten – wie zum Beispiel die Löhne.

Gestern berichteten wir bereits darüber, dass die deutschen Tariflöhne im ersten Quartal gegenüber dem Vorjahr mit 6,2% kräftig zulegten (hier mehr dazu). Wälzen die Unternehmen die erhöhten Lohnkosten auf die Endverbraucher ab, könnte dies die Lohn-Preis-Spirale antreiben, was die Inflation letztlich anheizen könnte. Der Lohndruck für die Unternehmen ist derzeit immens. Denn auch in der Eurozone nimmt das Lohnwachstum weiter zu und sollte eine Inflationswarnung an die EZB sein.

Wo ist die Verlangsamung des Lohnanstiegs, von der EZB-Chefin Christine Lagarde auf der letzten Pressekonferenz sprach? – twitterte der Chefvolkswirt der Commerzbank Jörg Krämer schnippisch. Die Frage ist berechtigt, wie neueste Daten zeigen.

Inflation: Steigende Löhne als Warnsignal für die EZB

Laut einem Bericht von Bloomberg hat sich ein wichtiger Indikator für die Löhne im Euroraum Anfang 2024 nicht verlangsamt – ein Warnsignal für die Vertreter der Europäischen Zentralbank, die auf eine Abkühlung der Inflation in Richtung des 2%-Ziels setzen.

Wie die EZB am Donnerstag mitteilte, stiegen die Tariflöhne im ersten Quartal um 4,7 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Das ist ein Anstieg von 4,5 % in den letzten drei Monaten des Jahres 2023 und entspricht einem Rekord aus dem dritten Quartal des vergangenen Jahres. Die meisten Ökonomen hatten mit einem Rückgang oder einem stabilen Wert gerechnet.

Anzeichen für einen anhaltenden Aufwärtsdruck gab es am Mittwoch, als die Bundesbank mitteilte, dass die Löhne und Gehälter in Europas größter Volkswirtschaft zwischen Januar und März um 6,2 % gestiegen sind, was auf steuerfreie Einmalzahlungen zurückzuführen ist, mit denen Arbeitnehmer für die steigenden Lebenshaltungskosten entschädigt werden.

Zinssenkung: Steigende Löhne sind ein Warnsignal an die EZB - Zieht die Inflation an?
Lohnzuwachs in der Eurozone im ersten Quartal erneut beschleunigt

Inflation noch nicht besiegt

Die Daten zu den Löhnen liegen nur zwei Wochen vor der weithin erwarteten ersten Zinssenkung der EZB, nachdem eine Reihe von Zinserhöhungen die galoppierende Inflation eingedämmt hat. Zwar hat sich der Anstieg der Verbraucherpreise deutlich verlangsamt, diese ging zuletzt auf 2,4 % zurück. Doch hängt die Rückkehr zum 2 %-Ziel nach Ansicht der Zentralbanker vom Zusammenspiel zwischen Löhnen, Unternehmensgewinnen und Produktivität ab.

Da die Angebotsschocks der letzten Jahre abklingen, konzentriert sich ein Großteil der verbleibenden Besorgnis auf die Inflation im Dienstleistungssektor, die stark von den Arbeitskosten bestimmt wird. In einem Blog-Beitrag erklärten die EZB-Volkswirte, dass der allgemeine Trend bei den Löhnen und Gehältern in Richtung Mäßigung gehe.

„Es wird erwartet, dass das Wachstum der ausgehandelten Löhne im Jahr 2024 erhöht bleibt, was mit der Hartnäckigkeit übereinstimmt, die in den von Experten des Eurosystems erstellten Prognosen berücksichtigt wurde und den mehrjährigen Anpassungsprozess der Löhne widerspiegelt“, schrieben sie. „Allerdings dürfte sich der Lohndruck im Jahr 2024 abschwächen. Die EZB-Lohndaten für die ersten Monate des Jahres, in denen die meisten Abschlüsse erfolgt sind, deuten darauf hin, dass der Druck auf die ausgehandelten Löhne nachlässt“.

Was Bloomberg Economics sagt:

„Die Tariflöhne im Euroraum haben sich in den ersten drei Monaten des Jahres leicht beschleunigt. Doch das wird die erste Zinssenkung der EZB im Juni wahrscheinlich nicht verhindern. Aber es gibt guten Grund für die Währungshüter weiterhin nervös zu sein, wenn es darum geht, sich auf zukünftige Zinssenkungen festzulegen.“ – David Powell, Wirtschaftswissenschaftler.

Eine Herausforderung für die Ratsmitglieder bei der Beurteilung der Lohn- und Gehaltsentwicklung besteht darin, dass die Löhne und Gehälter in den 20 Ländern des Währungsblocks auf unterschiedliche Weise ermittelt werden. Während die aktuellen Zahlen in Deutschland durch die Umsetzung von in der Vergangenheit getroffenen Vereinbarungen in die Höhe schießen, hat sich das Wachstum in einigen anderen großen Volkswirtschaften der Region bereits verlangsamt.

Mehrere EZB-Banker äußerten sich zuversichtlich, dass die Daten insgesamt in die richtige Richtung gehen. Selbst Bundesbankpräsident Joachim Nagel sagte, er rechne mit einem moderaten Lohnwachstum, „da die Inflation weiter zurückgeht“.

Die starken Lohnzahlen für das erste Quartal könnten jedoch eine rasche Lockerung der Geldpolitik nach der ersten Zinssenkung im Juni unwahrscheinlich machen, so sieht es auch Isabel Schnabel. Die Anleger rechnen derzeit mit drei Zinssenkungen in diesem Jahr und einer Pause bei der Sitzung im Juli.

Weitere Erkenntnisse über die Löhne und Gehälter der Arbeitnehmer ergeben sich erst einen Tag nach der Zinsentscheidung im nächsten Monat, wenn Eurostat das Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer veröffentlicht – eine Kennzahl, die der Chefvolkswirt der EZB, Philip Lane, als den umfassendsten Indikator für den Lohndruck bezeichnet hat. Im März prognostizierte die Zentralbank, dass das Wachstum dieses Indikators in diesem Jahr durchschnittlich 4,5 % betragen und sich bis 2026 auf 3 % abschwächen wird. Das ist ein Niveau, das nach Ansicht der EZB weitgehend mit ihrem Inflationsziel übereinstimmt.

FMW/Bloomberg



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