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Warum Shortseller Börse und Gesellschaft Nutzen stiften

Nachdem Muddy Waters den Bericht am 25. August 2016 veröffentlichte, hat St. Jude weder die Ursachen der berichteten Sicherheitslücke entsprechend den vorgeschriebenen Routinen gesucht, noch das Problem von sich aus entsprechend der Vorschriften behoben und auch nicht getestet, ob die von St. Jude vorgenommenen Änderungen überhaupt regelkonform sind und den Herzschrittmacher in seiner Funktion nicht beeinträchtigen. Kurz gesagt: Man hat schnell herumgefrickelt. Fazit der FDA: Die Maßnahmen waren nicht adäquat.

St. Jude versendete Herzschrittmacher, die man wegen Problemen gerade erst zurückrief

Weiterhin fand die FDA heraus, dass bei St. Jude ein derartiges Chaos herrschte, dass man nicht einmal wusste, in welchen Geräten die fehlerhaften Batterien steckten und in welchen nicht. Selbst nachdem St. Judes einen Rückruf für die Geräte durchführte, verschickte eine andere Abteilung noch mindestens zehn Herzschrittmacher mit defekten Batterien und sieben Patienten erhielten defekte Geräte implantiert, von denen St. Judes angesichts des Rückrufs hätte wissen müssen, dass sie fehlerhaft sind. Der Bericht listet noch diverse andere Verfehlungen von St. Judes auf.

Das Patientenrisiko war St. Jude und nicht der Shortseller

Mein Fazit: Muddy Waters hatte mit den veröffentlichten Recherchen nicht nur auf ganzer Linie Recht, sondern unterschätzte sogar noch das Ausmaß der Sicherheitsprobleme beim Hersteller von Herzschrittmachern. St. Jude kannte die Probleme und behob sie über Jahre nicht. Selbst nach der Veröffentlichung des Berichts agierte St. Jude nicht im besten Interesse der Patienten. Hätte Muddy Waters den Bericht nicht veröffentlicht, würden vermutlich bis heute Herzschrittmacher mit defekten Batterien und Sicherheitslücken implantiert werden. Der durch den Bericht erzeugte öffentliche Druck zwang die Aufsichtsbehörde, schnell und gründlich nach Problemen bei St. Jude zu suchen und fand dort mehr, als Muddy Waters dachte.

Ende Januar hatte Muddy Waters auch bei Luckin Coffee Short-Positionen aufgebaut, aber keinen eigenen Bericht veröffentlicht, sondern lediglich den Bericht eines anonymen Dritten. Muddy Waters‘ Gründer Carson Block warf Luckin Coffee auf Twitter nicht weniger als Bilanzbetrug vor, der sich kurze Zeit später bestätigte und zur bis heute anhaltenden Aussetzung des Aktienhandels führte. Die Zuverlässigkeit von Muddy Waters‘ Berichten ist der Grund dafür, dass nach Veröffentlichung neuer Berichte die Aktienkurse der betroffenen Unternehmen einzuknicken pflegen. Aktionäre von Luckin Coffee hätten besser auf Muddy Waters gehört. Schon am Tag nach Muddy Waters Tweet stieg der Aktienkurs jedoch wieder, nur um Anfang April von 26 auf 4,39 US-Dollar zu kollabieren.

Das sind für Muddy Waters Anzeichen für Betrug

Der Economist veröffentlichte einen Artikel über Muddy Waters Gründer, in dem selbiger auch davon erzählt, wie er betrügerische Unternehmen identifiziert. Prinzip der meisten Betrüger sei, Gewinne aufzublasen, damit den Aktienkurs aufzupumpen und Aktien anschließend an leichtgläubige Anleger zu verkaufen. Erkannt werden kann das in der Regel durch zum Beispiel steigende Verbindlichkeiten und das schnellere Eintreiben von Ausständen. Diese Unternehmen würden zudem Kredite auftürmen, da trotz der augenscheinlich guten Geschäftsentwicklung nicht genügend Cashflow im laufenden Geschäft erzielt werden kann. Übrigens: St. Jude Medical zog am 1. Februar 2018 schließlich den Schwanz ein und bat vor Gericht, die Klage gegen Muddy Waters endgültig abzuweisen. Schade, dass im TFF Forum niemals jemand davon erfahren wird.



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8 Kommentare

  1. Früher waren Leerverkäufer die bösen Buben, heute sind sie die wahren Realisten.

    1. Genau ! – Jetzt fehlt noch die Ehrenrettung für mich als bösen Rohstoffhändler, der sich am Zocken von Lebensmitteln bereichert ;-)

      1. Lieber @Segler, Du kennst meine Meinung.

        Die Notenbanken dieser Welt kaufen mittlerweile alles – außer Aktien. Aber auch das, wird nur noch eine Frage der Zeit sein und man wird, früher oder später, auch durch solche Maßnahmen versuchen systemrelevante Unternehmen zu stützen. (Siehe auch hierzu die italienischen Banken 2018/19) Im Grunde sind die Notenbanken zum größten Marktteilnehmer in den letzten 10 Jahren mutiert. Niemand hinterfragt diese Dominanz. Wo wären die Märkte ohne das Zutun der Notenbanken? Ich nehme an, die Märkte wären in der Realität. Die momentane Situation zeigt das hervorragend. Da bekommen die USA, innerhalb von vier Wochen, 20 Millionen Arbeitslose und der Markt, der steigt innerhalb eines Tages um 1000 Punkte aufgrund solcher erschreckenden Nachrichten – was völlig absurd ist. Und die Bullen haben selbstverständlich nichts anderes zu tun und kaufen freudig alles auf, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Sie wetten weiter auf diese krankhafte Liquidität und somit auf eine Markterholung. Hiervor zu mahnen, ist wahrscheinlich völlig unpopulär.

        Ich kann den Bullen nur ein Zitat von André Kostolany zurufen „Wenn alle Spieler auf eine todsichere Sache spekulieren, geht es fast immer schief.“

        In diesem Sinne …

  2. Ich werde euch alle in Grund & Boden shorten und zu den Suppenküchen treiben! Wenn @Hesterbär erstmal seinen Riesen-Grill anwirft, ist sowieso kein Halten mehr! So hat es mir jedenfalls das Corona-Virus zugeflüstert… ;-)

    1. @Lausi

      Wenn das Corona-Virus zuflüstert, ist es dem Gehirn schon bedenklich nahe. Ruf die Rettung!

      1. @Columbo – ich habe in letzter Zeit irgendwie so wirre Corona-Träume, aber ansonsten fühle ich mich top-fit. ;-)

  3. Ich muss mich berichtigen, seit März haben sich 39 Millionen US-Bürger arbeitslos gemeldet.

  4. Aber immer scheint es auch nicht zu klappen.
    Als Muddy Waters im April 2016 die deutsche Ströer aufs Korn genommen hatte, ging es anfangs auch recht schnell runter. Doch dann erholte sich der Kurs auch schnell wieder.
    Ob an den Vorwürfen letztendlich was dran war, darüber war nie wieder was zu lesen.
    Ströer drohte zwar mit Klagen, aber was daraus geworden ist,wurde auch nicht mehr publiziert.

    Es kann natürlich sein dass in Deutschland nicht so streng kontrolliert wird und so die Firmen mehr Spielraum haben.

    Nach Ströer hat sich Muddy Waters auch erstmal keine deutschen Aktiengesellschaften mehr vorgenommen.
    Zumindest weiß ich nichts darüber.

    Auf den Muddy Waters Zug aufzusteigen kann aber sehr lukrativ sein.

    Ich bin seiner Zeit bei Ströer bei 40€ long gegangen nachdem der Kurs von über 50 € bis ca. 36 € in den Keller gegangen ist und dann erst bei 62 € wieder ausgestiegen.

    Im April diesen Jahres ist Muddy Waters bei eHealth short gegangen.

    Nach einem Kursrückgang von ca 117 $ auf 93 $ steht die Aktie aktuell wieder bei über 120 $.

    Auch hier hätte man schnell Geld mitnehmen können wenn man die Gegenbewegung getradet hätte.

    Ich habe für Muddy Waters einen Google Alert gesetzt, damit ich nicht verpasse wenn Carson Block mal wieder short geht.
    Meiner Meinung nach, ist dann immer noch genügend Zeit zu überlegen ob eine Gegenbewegung kommen wird, die man traden sollte.
    Denn in der Zeit in der sich die Medien um die short-attacke kümmern ist die Aktie sehr volatil und so ergeben sich auch nach reichlicher Überlegung noch passende Zeitpunkte zum Einstieg.

    Danke für den interessanten Artikel den ich ohne den Muddy Waters Google Alert nicht gesehen hätte.

    Grüße Lothar

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