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Weltwirtschaftskrise 1929 und 2020 – ein Vergleich für etwas Optimismus

Der Vergleich mit der großen Weltwirtschaftskrise nach 1929 macht derzeit die Runde. Aber es gibt ein paar gravierende Unterschiede zur damaligen Zeit

Der Vergleich mit der großen Weltwirtschaftskrise nach 1929 macht derzeit die Runde. Aber muss es überhaupt dazu kommen? Es gibt ein paar gravierende Unterschiede zu der damaligen Zeit.

Wir leben in Zeiten der wirtschaftlichen Superlative, zumeist im negativen Sinne. Aber gelegentlich auch im positiven: Der Dow Jones schloss gestern mit dem größten Anstieg seit 1933. Noch nie stürzten Aktienindizes in so kurzer Zeit so schnell ab – und noch nie wurde die Weltwirtschaft außerhalb der Weltkriege in bestimmten Ländern so schnell abgebremst wie heute.

Weltwirtschafrtskrise: Die Roaring Twenties

Zwar gibt es derzeit auf den Finanzmärkten große Analogien zu den Verhältnissen der 1920-er-Jahre, also bevor es zur Weltwirtschaftskrise kam: die Ausweitung der Verschuldung, Aktienspekulation auf Kredit, Aktienrückkäufe und vieles mehr, was wir aus heutiger Zeit kennen. Ein Anstieg des Dow Jones von 100 (1923) bis auf 381 Punkte (1929), zum Beispiel. Aber es gibt auch große Unterschiede zwischen der Weltwirtschaftskrise 1929 und heute:

  • Die US-Notenbank ging im Jahr 1929 zu einer Hochzinspolitik über.
  • Die Reaktion der Federal Reserve auf die Kursexzesse war, dass sie die Geldmenge im Anschluss an den „Schwarzen Donnerstag/Freitag“ 1929 um 30 Prozent verknappte.
  • Der Staat kürzte drastisch seine öffentliche Ausgaben, eine Austeritätspolitik, die rasch zur Rezession und Deflation führte. Dies und die Kontraktion der Geldmenge wird von vielen Ökonomen als Verursachung der Weltwirtschaftskrise angesehen
  • Die Deflation führte zur Bankenkrise, zur Kreditklemme und zu massenhaften Firmenpleiten.

Und was werden gerade von Staaten und Notenbanken an Maßnahmen zur Abwendung des Supergaus infolge des Coronavirus getroffen? Extreme Zinssenkungen, extreme fiskalpolitische Maßnahmen und damit Flutung der Märkte mit Liquidität. So ziemlich das Gegenteil von dem, was in der Weltwirtschaftskrise 1929 und in den Folgejahren passierte.

Von US-Finanzminister Andrew Mellon stammt aus der Zeit der Weltwirtschaftskrise der Spruch: abwickeln, abwickeln (liquidate, liquidate!) – Arbeitsplätze, Landwirte, Kapital liquidieren und Immobilien veräußern. Das würde die Fäulnis aus dem System spülen, die Menschen würden härter arbeiten und es würde ein höherer Lebensstandard daraus resultieren. Was war die Folge? Auf dem Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise sank die Industrieproduktion in den USA um 46,7 Prozent, die Arbeitslosigkeit stieg in den Industrieländern auf 25 Prozent – und zwar dauerhaft. Es entstand unsagbare Not.

Der vorletzte Fed-Chef Ben Bernanke hat die Weltwirtschaftskrise sehr genau studiert und sogar mit dem Thema „die große Depression“ promoviert (hier im Original Bernankes „Money, gold and the Great Depression“ – lesenswert!). Von ihm stammt auch der Vorschlag des Helikoptergeldes, um eben so eine Verknappung des Geldes wie 1929 zu verhindern. Die USA werden nicht mehr den gleichen Fehler wie damals machen, deshalb ist die Vorstellung, dass sich die Geschichte diesbezüglich wiederholt, nicht sehr realistisch.

Ein weiterer Grund für die extreme Not in der damaligen Weltwirtschaftskrise war die Dominanz der Landwirtschaft in der US-Wirtschaft. Nach deren Zusammenbruch kam es zu einer dramatischen Unterversorgung der Bevölkerung und es mussten damals sogar ganz junge Menschen auf den Feldern mitarbeiten, um nicht zu verhungern. Und heute? Aktuell macht die Agrarwirtschaft nicht einmal ein Prozent des US-Bruttoinlandsprodukt aus. Wenige Bauern mit riesigen Farmen und überdimensionalen computergesteuerten landwirtschaftlichen Maschinen versorgen das Land, die Produktivität hat sich seither vervielfacht. Auch hat die Produktion von Gütern heute einen ganz anderen Automatisierungsgrad erreicht: es gibt menschenleere Fabrikendie R, obotisierung hat eine große Dimensionen angenommen.

Weltwirtschaftskrise und heute: Hoffnungsschimmer – die Entwicklung in Asien

Die große Hoffnung der Optimisten ruht auf der Entwicklung in Fernost.

Allen voran in der Entwicklung im Ursprungsland für das Coronavurus, China, der Werkbank der Welt mit ihren 1,4 Milliarden Menschen.

So zum Beispiel Volkswagen: man hat in China die Produktion in allen 23 Werken wieder aufgenommen und möchte von dort aus Europa beliefern. Oder Apple, wo sowohl die Stores in China wieder geöffnet wurden als auch bei Foxconn die Produktion wieder hochgefahren wird. Es gibt viele Anzeichen dafür (nicht nur durch Satellitenbilder), dass das Reich der Mitte acht Wochen nach dem Shutdown selbst in Wuhan wieder zu ein bisschen Normalität zurückkehrt.

Positive Signale auch aus Japan oder Südkorea, wo die aktuellen Infektionen deutlich nach unten zeigen. Im Übrigen liegen in ganz Fernost die Infektionszahlen niedriger als in Europa und auf die Weltwirtschaft bezogen, gibt es einen großen Trend zu Wachstum in den ASEAN-Staaten, deren Wirtschaftsblock von 3,5 Milliarden Menschen künftig eine ganz andere Rolle in der Welt übernehmen wird. Großes Sorgenkind ist derzeit das 1,3 Milliarden Menschen-Land Indien, welches gerade den großen Shutdown zur Verhinderung des Ausbruchs angeordnet hat. Angesichts der Bevölkerungsexplosion, der Bevölkerungsdichte und der kritischen hygienischen Verhältnisse (über eine halbe Milliarde Bewohner haben nicht einmal eine Toilette) und der Gesundheitsversorgung weiter Teile der Bevölkerung, ist dieser Staat eine Dauerquelle für den Ausbruch einer Epidemie.

Damoklesschwert westliche Gesundheitssysteme

Betrachtet man sich die Ausbreitung von Covid-19, so muss man feststellen, dass es gerade in den Gesundheitssystemen der hochentwickelten Industrieländer hapert. In Italien und auch in den USA werden in Kürze die Zahlen an Infizierten die von China weit überschreiten. Es fehlt an ausreichend Notfallbetten sowie an Beatmungsgeräten. Auch hat in den USA Präsident Trump mit seiner Verharmlosung der „Grippe“ wertvolle Zeit verschenkt. Es gab und gibt zu wenig Test-Kits. Bis vor zwei Wochen gab es in den gesamten Vereinigten Staaten nur 10.000 Testungen, in Südkorea allein gibt es bereits über 20.000 Tests – täglich. In den USA haben insbesondere die Gouverneure das Heft des Handelns in die Hand genommen, aber zunächst werden die „Drive-In“-Testungen noch ganz andere Zahlen offenbaren.



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