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Jetzt gilt das Motto "in China für China" Wie die deutsche Wirtschaft ihr „China-Risiko“ minimieren will

China Deutsche Wirtschaft

Die Europäische Union und die Bundesregierung verfolgen eine Politik des „De-Risking“ gegenüber China, um die Abhängigkeit zu verringern: Die deutsche Wirtschaft reagiert darauf mit der Strategie „In China for China“. Eine neue Studie zeigt die Auswirkungen dieser Strategie auf die Exporte.

Investitionen der deutschen Wirtschaft in China: Ein Schritt in die Zukunft

Als BASF letztes Jahr ankündigte, bis 2030 bis zu 10 Milliarden Euro in einen neuen Standort in China investieren zu wollen, war der Aufschrei in Deutschland groß. So hatte man sich das De-Risking nicht vorgestellt. BASF wurde vorgeworfen, sich nicht weniger, sondern mehr abhängig von China zu machen.

Dabei ist die Investition von BASF nur die konsequente Antwort der deutschen Wirtschaft auf die Frage, wie man Risiken und Chancen, die China bietet, ausbalanciert. Ein Teil dieser Antwort heißt „In China for China“.

Bei der Diskussion über die Abhängigkeit von China wird in der deutschen Öffentlichkeit meist undifferenziert vorgegangen. Dabei sollten drei Fälle voneinander unterschieden und separat betrachtet werden:

  • Die Abhängigkeit Deutschlands von chinesischen Importen, insbesondere von kritischen Produkten wie in der Medizin oder bestimmten Rohstoffen
  • China als Absatzmarkt für deutsche Produkte
  • China als Produktionsstandort deutscher Unternehmen, wobei deutsche Unternehmen entweder für den chinesischen Markt produzieren oder von dort aus exportieren

Vulnerabilität der Lieferketten: Lehren aus den letzten Jahren für die deutsche Wirtschaft

Die letzten drei Jahre haben der deutschen Wirtschaft vor Augen geführt, wie verwundbar die Lieferketten zwischen China und Deutschland sind. Zunächst kam es zu Verstopfungen und Verteuerungen im Güterverkehr zwischen Ost und West. Dann zeigte der russische Überfall auf die Ukraine, wie schnell ein ganzer Markt und der Zugang dazu innerhalb weniger Tage abgeschnitten werden können.

Eine Antwort auf die Frage, wie die Abhängigkeit von den Lieferketten zwischen China und Deutschland reduziert werden kann, ist die Strategie „In China for China“.

China ist nach wie vor ein wichtiger Absatzmarkt für deutsche Unternehmen. Laut dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln sind sechs Prozent der 40.000 deutschen Unternehmen, die im Ausland registriert sind, in China tätig, im Vergleich zu 12 Prozent in den USA. Die Gesamtjahresumsätze der deutschen Unternehmen im Ausland stiegen 2020 auf 3,1 Billionen Euro, wovon fast 11 Prozent in China erwirtschaftet wurden, verglichen mit 17 Prozent in den Vereinigten Staaten.

Vorteile der lokalen Präsenz und Produktion

Vor Ort tätig zu sein reduziert nicht nur die Zeit, die benötigt wird, um ein Produkt vor Ort verfügbar zu haben. Vor Ort zu produzieren hat natürlich auch Preisvorteile. Dazu kommt ein Punkt, der häufig völlig unterschätzt wird: Der Markt in China funktioniert völlig anders als in Deutschland, und dieser Unterschied hat sich in den letzten drei Jahren noch verschärft. Themen wie Digitalisierung, Entscheidungsfindungstempo und Kundenansprache unterscheiden sich stark von Deutschland.

Das Beispiel der ID-Familie bei VW zeigt eindrücklich, wie ein Produkt am Markt vorbeientwickelt werden kann, wenn die Entscheidungsträger zu weit von ihrem Markt entfernt sind.

Zwei Studien zeigen, wie weit sich deutsche Unternehmen in China von Deutschland entkoppelt haben. Im Mai veröffentlichte Zahlen der deutschen Bundesbank zeigten, dass deutsche Unternehmen 2022 so stark wie nie zuvor in China investiert hatten, aber diese Investitionen praktisch nur aus Re-Investitionen von zuvor erzielten Gewinnen gespeist wurden.

Eine Studie des Instituts für Weltwirtschaft ergab, dass die tatsächlichen Exporte nach China hinter der wirtschaftlichen Entwicklung Chinas zurückbleiben würden. Vincent Stamer errechnete eine mögliche Lücke von bis zu 30 Milliarden Euro zwischen den tatsächlichen Exporten und den auf Basis des Wirtschaftswachstums erwarteten Exporten.

„In China for China“ und „Made in China 2025“

Er führt dies auf zwei Gründe zurück: erstens auf die Verlagerung der Produktion für China in China und zweitens darauf, dass chinesische Unternehmen zunehmend Güter ausländischer Hersteller durch eigene substituieren. Hier spielt die chinesische Regierungsinitiative „Made in China 2025“, die 2015 gestartet wurde, eine Rolle. Gemäß dem Plan soll der inländische Marktanteil chinesischer Lieferanten für „grundlegende Kernkomponenten und wichtige Grundmaterialien“ bis 2025 auf 70 Prozent erhöht werden.

Angesichts der Verwundbarkeit der deutschen Industrie zeigt sich, dass deutsche Unternehmen das Programm „Made in China 2025“ recht gut überstanden haben. In der Tat ist es in China um diese Initiative ruhig geworden. Das Centre for Economic Policy Research (CEPR) stellt in einer aktuellen Publikation fest: „Unsere Ergebnisse werfen Zweifel an der Ansicht auf, dass die Initiative ‚Made in China 2025‘ ihre Hauptziele erreicht hat.“

Medienecho: Sorgen um die deutsche Exportindustrie

Interessant ist die Reaktion in den deutschen Medien auf die IfW-Studie. Sie machen sich hauptsächlich Sorgen um die deutsche Exportindustrie. Dabei dürfte es den Unternehmen relativ egal sein, ob die Wertschöpfung nun in Deutschland oder in China stattfindet. Für sie ist es eher ein buchhalterisches Problem.

Die Studie verdeutlicht jedoch, dass das Risiko „China“ kleiner wird. Im Falle einer vergleichbaren Situation wie dem Überfall Russlands auf die Ukraine, etwa einem Überfall der Volksrepublik China auf Taiwan, wird China wahrscheinlich ähnlich vom Rest der Welt abgeschnitten sein wie Russland. Damit verlieren deutsche Unternehmen zwar die Produktionskapazitäten und Umsätze in China, aber die Exporte selbst und damit die Arbeitsplätze werden weniger betroffen sein, je mehr in China für den chinesischen Markt produziert wird.



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6 Kommentare

  1. Nun, wenn in Deutschland produziert und verkauft wird, fließen die steuerpflichtigen Umsätze nach Deutschland. Wird in China produziert und verkauft, fällt in Deutschland keine Steuer an. Das gilt auch für die Lohnsteuer, Sozialversicherung usw.

    Der Konzernbilanz ist dies egal, der Einzelbilanz eben nicht, von dieser geht die Zahlungsbemessungsfunktion aus.

    Also, wir müssen diese Abgänge irgendwie kompensieren – aber wie?

  2. Die deutsche Wirtschaft ist aufgerufen, das Engagement auf dem chinesischen Markt mit der chinesischen Regierung abzustimmen. Ministerpräsident a.D. Rudolf Scharping kann den Unternehmen in Sachen chinesischer Markt beratend zur Seite stehen.

    1. @Holger Voss

      Na dann rufen Sie mal auf, womöglich hören die ja sogar auf Sie.

    2. Ein Kommentar aus der Abteilung: „Wie zeige ich moeglchst gut, dass ich keine Ahnung vom Thema habe“….

  3. Young Global Leader

    ‚In China for China‘ klingt schon nach Containment und damit viel weniger bedrohlich als ‚We are in China for the whole world‘. Gut für all die Unternehmen, die Appeasement betreiben müssen, damit die politischen Entscheider im Westen ruhig bleiben. Wenn Scholz und Co. das Spiel mitspielen, dann kann ich nicht viel dabei finden.

    1. @Young Global Leader Nach dieser Logik sind also alle chinesischen Firmen, die ins Ausland exportieren agressive Interventionisten, die die Welt beherrschen wollen.

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