In der kommenden Woche wird die Europäische Zentralbank (EZB) erneut über die Zinsen entscheiden. Eine Zinssenkung im Oktober gilt als wahrscheinlich, doch das bedeutet nicht, dass sie es auf ihrer letzten Sitzung in diesem Jahr mit Sicherheit auch wieder tun wird, so EZB-Ratsmitglied Bostjan Vasle.
Zinsen: Aussagen der EZB-Räte
„Selbst wenn die EZB beschließen sollte, die Zinsen nächste Woche Donnerstag zu senken, würde das nicht automatisch bedeuten, dass im Dezember eine weitere Zinssenkung ansteht“, sagte er gegenüber Bloomberg und bezeichnete eine Senkung in diesem Monat als „eine Option“.
Die Äußerungen könnten als Gegenreaktion auf die Wetten der Märkte gewertet werden, dass die EZB ihren Einlagensatz bis Ende 2025 sechsmal senken wird – unter anderem bei den nächsten beiden Sitzungen – und ihn damit von derzeit 3,5 % auf 2 % bringt. Er warnte, dass solche Wetten zwar eine natürliche Reaktion auf die stotternde europäische Wirtschaft sein mögen, die Zentralbanker sich aber nicht zu irgendwelchen Maßnahmen drängen lassen werden.
„Die Märkte diktieren uns nicht, was wir zu tun haben“, sagte der slowenische Notenbanker, dessen Zentralbank Gastgeber der EZB-Tagung vom 16. bis 17. Oktober ist. „Sie sind jedoch eine wertvolle Information für unsere Überlegungen“.
Zinssenkung im Oktober
Märkte und Analysten erwarten nun eine schnellere geldpolitische Lockerung, nachdem Unternehmensumfragen eine deutliche Verschlechterung der Wirtschaft in den 20 Ländern der Eurozone zeigten und die Inflation unter die Zielmarke von 2 % sank. Einige EZB-Räte haben bereits angedeutet, dass ein Schritt im Oktober wahrscheinlich ist, obwohl mehrere betonen, dass der Kampf um die Eindämmung des historischen Preisanstiegs im Euroraum noch nicht gewonnen ist.
Nach Ansicht von Vasle nehmen die Inflationsrisiken ab, aber er sieht immer noch einige Unsicherheitsfaktoren, insbesondere auf dem Arbeitsmarkt, bei den Dienstleistungspreisen und in der Geopolitik. Der Septemberwert von 1,8 % – der niedrigste seit Juni 2021 – sei zum Teil auf Einmaleffekte zurückzuführen. Ein vorübergehender Anstieg der Inflation sei in den kommenden Monaten wahrscheinlich, warnte er.
In einer am Dienstag veröffentlichten Stellungnahme sagte EZB-Direktoriumsmitglied Frank Elderson, dass die jüngsten Daten darauf hindeuten, dass sich die Abwärtsrisiken für die Wirtschaft „bereits materialisieren“. Die Zentralbanker „müssen sorgfältig prüfen, ob dies Auswirkungen auf unsere Inflationsaussichten hat“, sagte er der slowenischen Zeitung Delo.
Bundesbankpräsident Joachim Nagel sagte unterdessen, er sei offen für eine Zinssenkung im Oktober, während der lettische Zentralbankchef Martins Kazaks erklärte, dass die Daten zwar auf einen solchen Schritt hindeuten, die Inflation aber noch nicht besiegt sei.
Mit Blick auf die Zukunft sagte Vasle, die Richtung der Geldpolitik sei klar – sollte das Basisszenario der EZB eintreten.
„Die Hauptfrage ist die Dynamik der Zinssenkungen“, sagte Vasle. Er geht davon aus, dass die Zinsen bis Ende 2025 auf ein neutrales Niveau gesenkt werden, das die Wirtschaft weder einschränkt noch anregt.
Das ist mehr, als andere EZB-Mitglieder versprechen. Die meisten sagen einfach, dass die EZB vorerst den Grad der Restriktivität reduzieren muss.
EZB-Nagel ist offen für eine Senkung
Bundesbank-Chef Joachim Nagel sagte, er sei bereit, bei der Entscheidung der Europäischen Zentralbank in der nächsten Woche über eine Zinssenkung zu sprechen.
„Ich möchte bis zur eigentlichen Sitzung warten, aber ich bin sicherlich offen dafür, die Möglichkeit einer weiteren Senkung der Zinsen in Betracht zu ziehen“, sagte er in einer am Dienstag veröffentlichten Folge des Podcasts Table Today.
Nagel gehört zum Falken-Lager des EZB-Rates, sodass seine Bereitschaft, auf der Sitzung am 16. und 17. Oktober über einen Zinsschritt zu diskutieren, eine Senkung der Zinsen noch wahrscheinlicher macht. Die Märkte und Ökonomen hatten bereits auf einen solchen Schritt gewettet.
„Die jüngsten Zahlen waren sehr ermutigend – wir nähern uns eindeutig unserem Ziel von 2 %“, sagte er über die Inflation im Euroraum, die im September zum ersten Mal seit 2021 unter das Ziel der EZB fiel. „Der Inflationstrend ist sicherlich eine gute Nachricht.“
Allerdings „erweist sich die Kerninflation immer noch als etwas robuster“, sagte Nagel.
FMW/Bloomberg
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