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Macht endlich Schluss mit der Korrelation von Ölpreis und Aktienindizes

Von Claudio Kummerfeld

Man kann es kaum noch sehen. Steigt der Ölpreis dieser Tage mal ein zwei Dollar, steigen Dax & Dow sofort kräftig mit an. Hoher Ölpreis, besser für die Ölindustrie + Zulieferer, gut für die Gesamtwirtschaft, daher rauf mit allen Aktien, so die Logik. Aber das Gesamtbild bei langfristig niedrigen Ölpreisen dürfte anders aussehen. Dieses Hinterherlaufen der Aktienindizes hinterm Ölpreis ergibt wenig Sinn – kurzfristig man der Ölpreis für ALGOS (Computerprogramme) eine gute Signalgrundlage sein, warum man überhaupt kaufen oder verkaufen sollte, aber inhaltlich gibt die Korrelation nicht viel her.

Jacob Lew
US-Finanzminister Jacob Lew. Foto: US-Finanzministerium

Gerade langfristig sollten die Volkswirtschaften und folglich auch die Aktienmärkte in reinen Öl-Konsumentenländern besser laufen als in Ländern die Öl produzieren. Eine prominente Stimmte, die auf den positiven Effekt des niedrigen Ölpreises hinwies, ist US-Finanzminister Lew. Er sagte vor Kurzem beim Weltwirtschaftsforum für jeden der Öl konsumiert, seien niedrige Ölpreise eine Steuersenkung.

Ölpreis Dow
Ölpreis vs Dow Jones-Index in den letzten 10 Tagen.

Endlich mal eine prominente Stimme, die diese Thematik anspricht. Für die USA dürften extrem niedrige Ölpreise langfristig wohl zu einer Art Unentschieden führen. Einerseits haben die US-Konsumenten, die für die US-Volkswirtschaft wichtiger sind als die Exportindustrie, mehr Geld in der Tasche um kräftig sonstige Verbrauchsgüter zu konsumieren. Andererseits haben die USA eine gigantische Ölindustrie. Neben großen Ölkonzernen hat man sehr viel verarbeitende Ölindustrie und seit mehreren Jahren hunderttausende direkte Arbeitsplätze in der Fracking-Industrie, an der nachgelagert wohl Millionen Arbeitsplätze hängen. Die Entlassungswelle, die bereits voll im Gange ist, dürfte in den USA die positiven Effekte der billigen Benzinpreise auffressen. In den USA sind in 2015 laut der Anwaltskanzlei Haynes & Boone 42 Fracking-Unternehmen pleite gegangen, und der Trend dürfte sich jetzt beschleunigen.

In Europa dürften neben Großbritannien (Schottland) vor allem Norwegen als größter europäischer Ölproduzent verlieren. Norwegen zapft jetzt zum ersten Mal seinen Staatsfonds als Reserve an um seine Haushaltslöcher zu stopfen, die durch die niedrigen Öleinnahmen entstanden sind. Die heimische Ölindustrie hat schon 30.000 Mitarbeiter entlassen, was bei nur 5,4 Mio Einwohnern nicht gerade wenig ist. Deutschland hingegen hat quasi gar keine Ölindustrie. Das Öl kommt ins Land und wird konsumiert, um es mal ganz einfach verknappt auszudrücken. Daher wird die deutsche Volkswirtschaft mittel- und langfristig vom niedrigen Ölpreis profitieren wie von einer groß angelegten Steuersenkung oder Konjunkturspritze. Produzierendes Gewerbe, Logistikdienstleister und die Verbraucher haben alle deutlich geringere Kosten. Unternehmen haben damit höhere Gewinnmargen oder können ihre Preise für den Weltmarkt senken und werden konkurrenzfähiger. Die Verbraucher können mehr konsumieren. Wie viele Ölkonzerne sind denn im Dax vertreten? Keine! BASF und Co dürften profitieren. Natürlich gibt es indirekte negative Effekte. Nachlassende Industrieaufträge aus der Ölbranche schlagen auch auf deutsche Produzenten durch, aber unterm Strich sollte das Positive in reinen Öl-Konsumländern deutlich überwiegen!

Aber nochmal zurück zu den Verlierern. Die Fracker haben inzwischen ihre angehäuften Bankschulden mit Hilfe der kreditgebenden Banken in Anleihen umgewandelt und/oder Aktien verkauft. Der Junk Bond-Markt in den USA hat sich in 10 Jahren verdoppelt. Der Schrott in vielen US-Bankbilanzen wurde sozusagen verlagert auf Investoren die nach Alternativen zum Nullzinsumfeld suchten. Wie wir schon mehrmals erwähnten: Welcher Rentenfonds, welcher Versicherungskonzern, welche Großinvestoren (auch in Deutschland) sich diesen Schrott in die Bücher geholt haben, erfahren wir erst bei der nächsten großen staatlichen Stützungsaktion, oder wenn ein Lebensversicherer (in Deutschland?) plötzlich gar keine Verzinsung mehr an die Kunden herausreichen kann.

Energiekonsument ist auch China. Was macht man dort? Man ist eh in einer Wirtschaftskrise und nutzt derzeit die niedrigen Ölpreise dazu seine Öl-Lagerbestände kräftig raufzuschrauben. Brutal auf der Verliererseite sind alle Staaten, die quasi ihren gesamten Staatshaushalt auf die Basis „Öl“ aufgebaut haben, wie Venezuela, Russland, Saudi-Arabien und Co. Diese Länder sind entweder schon pleite (Venezuela) oder müssen ihre angesparten Reserven jetzt aufbrauchen (Saudi-Arabien) um ihre Staatsausgaben halten zu können. Langfristig können sie so nicht überleben – sie brauchen deutlich höhere Ölpreise. Wenn in diesen Ländern die Aktienkurse einbrechen, ist das absolut sinnvoll, denn dort ist alles direkt oder indirekt mit dem Ölpreis verwoben.

Für Deutschland sollte gelten: Einzelhandelsumsätze wie auch Unternehmensdaten dürften mittel- und langfristig besser ausfallen als erwartet, weil die Kosten für Öl gesunken sind. Der Dax könnte (wie auch der Dow) seine blinde Korrelation zum Ölpreis eigentlich aufgeben.



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