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Aktienmärkte: Jahresausblicke als Kontraindikator?

Warum Jahresprognosen meist daneben liegen - vor allem, wenn wie derzeit zu große Einhelligkeit herrscht

Derzeit erleben wir in allen Medien und deren Wirtschaftssektor die stets immer gleich gestellte Frage an die bekannten Fondsmanager und Analysten: Wie wird das kommende Jahr für die Aktienmärkte – und wo steht der Dax zum Jahresende? Diese sind wie immer mit Vorsicht zu genießen, vor allem, wenn ein zu großer Gleichklang vorherrscht.

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Aktienmärkte: Der einheitliche Grundtenor der Ausblicke

Außerhalb der Crashpropheten, die in absehbarer Zeit mit einem Kollaps des Geldsystems rechnen, geht man in der Analystenzunft auch 2020 von einem guten Jahr für die Aktienmärkte aus.

Die Gründe sind durchaus nachvollziehbar: Weiter niedrige Zinsen und Quantitative Easing durch die Notenbanken, keine Inflation,eine Pause im Handelsstreit und ein Wahljahr in den USA, wo man als amtierender Präsident nur bei guter Konjunktur (Arbeitsmarkt) und hohen Ständen der Aktienmärkte gute Chancen auf eine Wiederwahl hat. Zusammenfasst soll also TINA gelten: There is no alternative!

Dr. Jens Erhardt, Dr. Hendrik Leber, Klaus Kaldemorgen, Volker Hellmeyer, Gottfried Heller, um nur einige zu nennen, alle sind – schon aus Eigeninteresse – positiv für das neue Börsenjahr gestimmt. Dazu die Prognosen der Großbanken für den Dax. Der Durchschnitt der Bankenprognose 2020 von 15 Großinstituten für den deutschen Leitindex lautet: 13980 Punkte

In einer auffallend geringen Schwankungsbreite von 13500 bis 14000 Punkten, nur zwei Banken liegen mit 13200 (DZBank) beziehungsweise 14600 (Julius Bär) Punkten etwas außerhalb des Spektrums.

Zur Erinnerung die beiden Vorjahre:

Prognose-Durchschnitt Dax

2018: 14008 – Endstand 10599

2017: 11629 – Endstand 12917

2019: 12431 – Endstand 13xxx?

 

Aktienmärkte – und warum es diesmal anders kommen könnte

Das für mich bedeutsamste Argument gegen das Eintreffen einer Prognose im Mainstream ist Folgendes: Wenn Fondsmanager und Analysten in ihrer Gesamtheit eine ähnliche Prognose abgeben, so bedeutet dies doch, dass sie sich gerade in dieser Richtung bereits positioniert haben.  In der Hoffnung, dass viele weitere Anleger auf diesen Zug aufspringen – schon aus Respekt vor den Größen der Branche und deren klug vorgetragenem Fachwissen.

Hier beginnt das Faszinosum der Börse. Anders als in den Naturwissenschaften bedeutet ein Gleichklang in der Analyse nicht eine stark gestiegene Wahrscheinlichkeit, dass das erarbeitete Ergebnis (Effizienz von Methoden, Wirksamkeit von Medikamenten etc.) auch tatsächlich eintrifft. Es ist eher das Gegenteil der Fall. Je mehr Experten einer Meinung sind, desto unsicherer wird die spätere Umsetzung der Prognose. Man ist in dieser Weise investiert –  und es genügt nur ein kleines abweichendes Ereignis und man muss dann Korrekturen in seiner Strategie vornehmen.

Das ist das von mir schon oft angesprochene Prinzip der Reflexivität: Die Masse der Anleger mir ihrer Psychologie im Korsett von Angst und Gier bestimmt das Kursniveau – und nicht die rationale und intelligent erarbeitete Projektion von Wirtschaftsnobelpreisträgern, um nur ein Extrembeispiel zu nennen.

Langfristig spielt natürlich doch immer die Gewinnsituation der Unternehmen die entscheidende Rolle – gelegentlich mit einem Timelag, bis es zur „Mean Reversion“ kommt. Noch extremer wird das Ganze am Terminmarkt, wenn dort mit Hebel in hoher Konzentration und in einer Richtung spekuliert wird. Hier kann man regelmäßig auf die gegensätzliche Reaktion der Aktienmärkte warten. Oftmals mit der berühmten Shortsqueeze, ausgelöst durch eine Eindeckungsrally, bei der Bären regelmäßig von der Börse als Casino sprechen.

Da genügt oft nur ein kleines Ereignis, wie der Flügelschlag eines Schmetterlings und seiner Auswirkung in der Meteorologie, um eine Kettenreaktion auszulösen.

Ein weiteres Phänomen an der Börse ist die lineare Fortschreibung der Vergangenheit in die Zukunft. Im Wissen um die durchschnittliche Zunahme von Aktienindizes von ungefähr acht Prozent per annum, rechnet man diese Summe einfach auf den Jahreschlussstand drauf und läuft damit nicht Gefahr, sich mit einer Extremprognose die Finger zu verbrennen oder sogar seinen Ruf als Experte zu ruinieren.

Schlussfolgerung

Unter Berücksichtigung der gerade angebrachten Argumente und der Erfahrung der letzten Jahre beim Vergleich zwischen Prognose und deren tatsächlichem Eintreffen, muss man derzeit schon etwas misstrauisch und vor allem vorsichtig sein: Traue keiner Einheitsmeinung von Volkswirten für die Aktienmärkte!

Außerdem besteht für die USA bereits kurzfristig schon im Januar ein extremes Korrekturrisiko. Bei einer derartigen Sorglosigkeit (Complacency), der derzeitigen Anleger-Gier und der fehlenden Absicherung an den Terminmärkten wie derzeit, gibt es aus meiner Sicht eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen Januarrückschlag. Und wenn er von einzelnen Fondsmanagern ausgelöst wird, die nach ihrem opulenten Jahresbonus 2019 einfach ein paar Chips vom Tisch nehmen.

Jahresprognosen für die Aktienmärkte liegen regelmäßig daneben



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2 Kommentare

  1. Am Ende wird abgerechnet, aber was passiert im Laufe des Jahres?
    2019 gab es nur eine Richtung, das war prozentual auch nur sobgut weil es Ende 2018 so stark runter ging.

    2020 „könnte“ schwächer abschliessen 11500-12500, aber die 14000 trotzdem erreicht werden. Warum? Weil die Us-Börsen geil auf runde Zahlen sind und 30.000 im DOW sozusagen sehr reizvoll sind.

    So stelle ich mir 2020 vor:
    Bis März wird der SP500 die 3000 von oben reissen und ggf. bis 2900 fallen,
    Bis Ende Mai steigende Kurse mit neuen ATH im SP500 und DAX
    Über den Sommer langweilig seitwärts
    September Einbruch um 10-15%
    Zur US-Wahl wieder aufwärts aber keine neuen ATH
    Nach der US-Wahl. ein zweiter Einbruch der Märkte und schwache Erholung zum Jahresende.

    Die FED wird noch mindestens einmal die Zinsen senken, ein kleiner inszenierter Börseneinbruch hilft ( Korrektur Januar und Zinssenkung im März oder April )

    2018 war mein bestes Jahr seit 98, 2019 mies ( alle SP500 Puts zur Absicherung wertlos geworden Danke FED) , 2020 hoffentlich wieder gut –

  2. @Torsten, einverstanden ,das 2019 Hoch bei den Amis war nur etwa 8% über dem 18 er Hoch. Da wir jetzt 2019 ziemlich hoch abschliessen, wird es schwierig in 2020 noch viel höher zu gehen.Darum verstehe ich die sehr optimistischen Prognosen der ERFAHRENEN PROFIVERWALTER nicht. TINA stimmt überhaupt nicht.Man könnte in diesem Fall auch einmal dem hochverehrten Warren Buffett nacheifern u.mit viel Cash oder kurzen US Anleihen an der Seitenlinie einige Monate bessere Kurse abwarten.
    Liebe Prognostiker mit Deformation professionell, das CRV bei den USAktien ist etwa bei 5-10% zu 30-40%,
    Und das soll ALTERNATIVLOS sein? Bitte weiterschönreden. Habt ihr vielleicht schon daran gedacht ,dass euer verwaltetes Geld Leuten gehört ,die kein Risiko vertragen u.deren Existenz beim Scheitern gefährdet ist, während ihr mit den Verwaltungskosten ein sorgenfreies Leben führt.

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