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Wenn die Inflation nach unten geht.. Anleihen: Investoren flüchten – eine weise Entscheidung?

Anleihen Anleger flüchten

Das Börsenjahr 2022 war für Anleihen bisher ein Desaster, und viele Anleger fragen sich, warum man überhaupt noch Anleihen im eigenen Portfolio halten sollte. Schließlich galten Anleihen als risikoarmes Investment, dass dem Depot Stabilität verleihen und konstante Erträge generieren sollte. Diese Strategie ist bisher größtenteils nach hinten los gegangen, denn Fonds, die den US-Anleihenmarkt abbilden, haben dieses Jahr rund 16 Prozent verloren und damit das schlechteste Ergebnis seit Jahrzehnten erzielt. Bei langfristigen US-Staatsanleihen sieht es noch düsterer aus, dort stehen 34 Prozent Verlust gegenüber 21 Prozent beim S&P500.

Das Wall Street Journal veröffentlichte am 6. November ein Dossier aus der Reihe „monatlich investieren“ und stellt nun fünf Möglichkeiten vor, wie Investoren trotz der schwierigen Situation Einkommen mit geringem Risiko aus dem Anleihenmarkt ziehen können. Schließlich gibt es mittlerweile einige namhafte Experten, die dort mehr Chancen als Risiken sehen. Mike Mulach, Senior Manager Research Analyst bei Morningstar Inc., sieht „enorme Chancen“ am Anleihenmarkt, da die Renditen so schnell und stark gestiegen sind, so dass man aktuell viel höhere Zinsen erhält als noch vor einigen Jahren überhaupt vorstellbar war. Aber, hohen Chancen bergen auch hohe Risiken, daher sollten Anleger idealerweise folgende Strategien bei ihren Anlageentscheidungen berücksichtigen.

Erste Empfehlung: Anleihen bis zur Endfälligkeit halten

Da sich die Anleihen-Kurse umgekehrt zur Rendite entwickeln, bedeutet dies in einem Umfeld steigender Zinsen teilweise erhebliche Kursverluste für Anleihen. Je länger die Laufzeiten, desto sensibler reagieren diese auf Zinserhöhung. Diese Kursverluste sind aber nur Buchverluste, hält man die Anleihe bis zur Endfälligkeit, wird sie zu 100 Prozent zurückbezahlt, vorausgesetzt der Emittent ist nicht bankrott. Generell sollten Anleger Laufzeiten wählen, die ihrem persönlichen Anlagehorizont entsprechen und diese bis zur Endfälligkeit halten.

Zweite Empfehlung: Achten Sie auf die mögliche Gesamtrendite, nicht nur auf den Zinskupon

Leider investieren gerade Kleinanleger oft in Rentenfonds mit mittlerer Laufzeit, da diese oft nur geringe Anfangsinvestitionen verlangen. Teilweise können Anleger schon ab 1000 US-Dollar Fonds-Anteile erwerben. Aber ausgerechnet diese Fonds wurden ordentlich verprügelt, da sie in Staatsanleihen und Unternehmensanleihen mit Top-Ratings investieren, die besonders heftig auf die Zinsentwicklung reagiert haben. Im Gegensatz zu einer Direktinvestition in einzelne Anleihen gibt es bei solchen Fonds keine Endfälligkeit.

Aber, sobald die FED auf die Zinsbremse tritt und nicht weiter in diesem Tempo die Zinsen anhebt, dies wir immerhin von einigen Marktbeobachtern für das nächste Jahr vorhergesagt, könnten gerade Anleihen mit mittlerer Laufzeit, also vier bis zehn Jahre, wieder deutlich im Kurs zulegen. Das gleiche gilt für Fonds, die diese Laufzeiten als Anlagestrategie abbilden. Die bei Anlegern besonders beliebten Fonds mit mittlere Laufzeit sind laut Wall Street Journal der Pimco Total Return (PTTAX), der aktuell mehr als drei Prozent abwirft und jährliche Kosten von 0,80 Prozent berechnet und der Vanguard Intermediate-Bond (BIV), der mit 4,90 Prozent Rendite und 0,04% Gebühren deutlich attraktiver wirkt. Der Pimco Fond hat dieses Jahr auf US-Dollar-Basis 17 Prozent, der Vanguard 16 Prozent Kursverlust erlitten (die Factsheets dazu finden Sie bei den obigen links).

Dritte Empfehlung: Die „Bond Laddering“ – Strategie

Bei dieser Strategie kauft der Anleger Bonds mit unterschiedlicher Duration (Fälligkeit), um möglichst schnell auf kurzfristige Zinsänderungen reagieren zu können. Die Erlöse aus Anleihen mit kurzer Laufzeit können nach der Fälligkeit erneut in kurzfristige Anleihen investiert werden, damit bildet man den aktuellen Marktzins ab, ohne sich zu lange an eine Anleihe zu binden. Hier ein Beispiel zur Verdeutlichung: Sie kaufen eine einjährige Anleihe mit dem aktuellen Marktzins von 4 Prozent.

Sollte die FED die Zinsen bis zur Fälligkeit weiter anziehen, kauft man nach der Fälligkeit eine neue kurzfristige Anleihe, die den höheren Marktzins widerspiegelt. Idealerweise mischt man auch länger laufende Anleihen in das Portfolio. Falls die FED nämlich die Zinsen in der Zwischenzeit senkt, hat man sich den hohen Zinssatz zumindest bei den langlaufenden Anleihen bis zur Fälligkeit gesichert. Hier finden Sie eine noch tiefergehende Erläuterung zum Thema „Bond-Laddering“-Strategie.

Vierte Empfehlung: Variabel verzinsliche Fonds, auch „Floater“ genannt

Ein „Floater“ ist ein Wertpapier (Anleihe), dessen Zinssatz sich in regelmäßigen Abständen anpasst. Der Zinssatz wird maßgeblich durch den Leitzins des Herkunftslandes der Anleihe bestimmt, im Euroraum ist das der EURIBOR, außerhalb Europas der LIBOR. Für den LIBOR (London Interbank Offered Rate) gibt es je nach Währung verschiedene Zinssätze. „Floater“-Anleihen-Fonds haben sich im aktuellen Umfeld relativ gut geschlagen. Der Fidelity Floating Rate High Income (FFRHX) bietet aktuell eine Rendite von acht Prozent, Morningstar verleiht diesem Fonds sogar ein Silberrating, dies ist das zweithöchste überhaupt. Ebenfalls interessant scheint der Wisdom Tree Floating Treasury ETF (USFR) mit einer aktuellen Rendite von drei Prozent. Die Gefahr lauert beim ersten Fond, der in Unternehmensanleihen von geringerer Bonität investiert, in den lauernden Rezessionsängsten, die die Performance beeinträchtigen könnten. Insgesamt sollten Anleger ihr Engagement in „Floatern“ abbauen, sobald die FED bei den Zinserhöhungen den „Pause“-Knopf drückt.

Fünfte Empfehlung: Begrenzen Sie sowohl das Zins- und das Kreditrisiko

Lawrence Gillum, Fixed-Income-Analyst bei LPL Financial, empfiehlt Fonds, die sich auf ein bis dreijährige Investmentgrade-Unternehmensanleihen spezialisiert haben. Diese Fonds haben zwar auch Verluste erlitten, allerdings sind diese im Vergleich zu anderen Anleihe-Fonds noch moderat ausgefallen. Lawrence Gillum sieht hier Chancen bei aktiv gemanagten Fonds, da fällig werdende Wertpapiere durch neue, höher rentierende ersetzt werden können. Aber es gibt auch ETFs, die solch eine Strategie abbilden. Der SPDR Portfolio Short Term Corporate Bond ETF (SPSB) hat dieses Jahr zwar fünf Prozent im Kurs verloren, aber die Rendite liegt bei über fünf Prozent und die jährliche Gebühr bei 0,04 Prozent. Die Anlage in Investmentgrade-Unternehmensanleihen und die kurze Laufzeit der darin enthaltenen Anleihen schützt vor starken Kursverlusten. Anleger aus dem Euroraum sollten allerdings das Währungsrisiko beachten, das bei einer Anlage in amerikanische Anleihen-Fonds vorhanden ist.

Fazit: Interessante Anregung für alle Investoren, die sich mit Anleihen beschäftigen und einen Einstieg suchen. Alleine am Donnerstag nach den US-Inflationsdaten sind nach Veröffentlichung der Inflationsdaten die Renditen für zweijährige US-Staatsanleihen um 25 Basispunkte gefallen, dieser Trend könnte noch weiter anhalten. Sollten Ihnen Anleihen generell noch fremd sein, können Sie sich hier auf Finanzmarktwelt weiter bilden und den Artikel „Was man über Anleihen wissen sollte und wie man die besten Anleihen findet“, lesen.



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1 Kommentar

  1. Eine gute Darstellung.

    Ich finde insbesondere den Hinweis auf das Halten von Staatsanleihen bis zum Ende der Laufzeit sehr gut. Man kann mit Staatsanleihen keine Verluste machen (außer dem Minuszins/Inflation oder dem Ausfall). Eigentlich fallen auch keine Buchverluste an, denn die Papiere behalten ihren nominalen Wert und ihren Zinskupon. Das hat Bridgewater mit seinem Short auf Allianz und MüRück zu spüren bekommen.
    Die Verluste entstehen doch nur da, wo man auf eine Entwicklung spekuliert.

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