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Er bezeichnet sich selbst als Anarchokapitalist Argentinien wählt Anarcho Milei zum Präsidenten – spannendes Finanz-Experiment

Argentinien hat überraschend klar den Anarcho Javier Milei zum Präsidenten gewählt. Das wird ein äußerst spannendes Finanzexperiment!

Javier Milei wird neuer Präsident von Argentinien
Javier Milei. Photographer: Anita Pouchard Serra/Bloomberg

Investoren feiern den Sieg des radikal-libertären Ökonomen Javier Milei bei den argentinischen Präsidentschaftswahlen am Sonntag! Milei, der sich selbst als “Anarchokapitalist” bezeichnet, hat angekündigt, die zweitgrößte Volkswirtschaft Südamerikas radikal umzugestalten. Argentinien steuert auf die sechste Rezession innerhalb eines Jahrzehnts zu. Die Inflationsrate lag im Oktober bei über 140 %, weshalb sich Wähler laut Bloomberg vom politischen Außenseiter Milei eine Trendwende erhoffen.

Entwicklung von Argentinien-Anleihen in den letzten drei Jahren

Argentinien mit Anarcho-Präsident Javier Milei – Blick auf Anleihen und Peso

Sein Wahlsieg dürfte einen Schub für Argentiniens im Wert abgerutschte Staatsanleihen bringen. Fremdwährungsanleihen wurden zuletzt für weniger als 30 Cents je Dollar gehandelt. “Dies ist die Gelegenheit für einen Neuanfang”, sagte Jorge Piedrahita, Gründer von Gear Capital Management in New York. Der Peso dürfte auf Parallelmärkten zur Umgehung der Devisenkontrollen fallen, da Javier Milei plant, die Währung durch den Dollar zu ersetzen. Am Sonntag sackte er an lokalen Börsen auf etwa 1.000 pro Dollar ab. Damit war er 8 % schwächer als am Freitag, als die US-Währung noch für rund 920 Peso zu haben war. Die Märkte in Argentinien sind am Montag wegen eines nationalen Feiertags geschlossen.

Im Wahlkampf versprach Javier Milei radikale Korrekturen an der argentinitischen Politik, die aus seiner Sicht schon seit Jahrzehnten fehlgeleitet ist. Um die Inflation einzudämmen und die Staatsfinanzen zu sanieren, will er die öffentlichen Ausgaben senken und die Zentralbank schließen. Diese Maßnahmen könnten für Anleiheinvestoren ein Segen sein, die bereits einen weiteren Zahlungsausfall erwarten.

In seiner Siegesrede am Sonntagabend schlug Javier Milei einen verhalteneren Ton an und hob die kritische Lage der Wirtschaft hervor. “Heute ist der Anfang vom Ende der Dekadenz Argentiniens”, sagte er. “Wir werden anfangen, Dinge zu tun, von denen die Geschichte gezeigt hat, dass sie funktionieren, und innerhalb von 35 Jahren werden wir wieder eine Weltmacht sein.”

Javier Milei bei der Stichwahl zur Präsidentschaftswahl in Buenos Aires
Javier Milei bei der Stichwahl zur Präsidentschaftswahl in Buenos Aires.

Doch keine Schließung der Zentralbank?

Während einer zweiten Rede vor seinen Anhängern vor dem Hauptquartier seines Wahlkampfes rief Milei seinen typischen Slogan „Es lebe die Freiheit, verdammt!“ Dennoch schränkte er seine Rhetorik in Bezug auf die Schließung der Zentralbank ein und sprach stattdessen von der Notwendigkeit, „ihre Probleme zu lösen“.

Nach Auszählung von 98% der Stimmen erhielt Milei fast 56% der Stimmen, verglichen mit 44% für Wirtschaftsminister Sergio Massa, der für Kontinuität mit der bestehenden peronistischen Regierung steht. Umfragen hatten Milei im Vorfeld der Wahl einen leichten Vorsprung bescheinigt, so dass unter den Anlegern das Gefühl aufkam, dass das starke Mandat die Durchsetzung seiner Politik erleichtern könnte.

„Mileis Vorsprung war viel größer als erwartet“, sagte Juan Manuel Pazos, Chefökonom des in Buenos Aires ansässigen Maklerunternehmens TPCG. „Das sollte sich positiv auf die Kurse auswirken.“

Enorme Risiken

Während Javier Milei durch einige für ein potenzielles Staatsoberhaupt untypische Eigenheiten auffiel – seine ungewöhnliche Frisur, die Liebe zu seinen geklonten Hunden und seine Vorliebe für Wahlkampfauftritte mit der Kettensäge -, gewann er unter den Anlegern Fans für sein Versprechen, eine wirtschaftsfreundliche Ära für Argentinien einzuleiten. Das Wirtschaftswachstum ist schwer fassbar, der Peso hat in vier Jahren mehr als 90 % seines Wertes verloren, und etwa 40 % der Bevölkerung leben in Armut.

„Es ist ein Votum für Reformen, aber mit enormen Umsetzungsrisiken“, sagte Patrick Esteruelas, Leiter des Research bei Emso Asset Management. „Die positiven Auswirkungen werden durch die Skepsis begrenzt, ob er eine Anpassung mit begrenzter Unterstützung im Kongress politisch überleben kann.“

Mileis Partei La Libertad Avanza kontrolliert nur eine Handvoll Sitze im Kongress, und Maßnahmen wie die Dollarisierung wären selbst mit breiter politischer Unterstützung ein unglaublich komplexes Unterfangen. Die Kürzung der Staatsausgaben wird eine Belastung für die ärmsten Bürger Argentiniens sein.

Expertenmeinung

Die Meinung von Bloomberg Economics: Die Zeit bis zu Mileis Amtsantritt am 10. Dezember könnte steinig sein. Die scheidende Regierung kann immer noch an der Währung, den Reserven und den öffentlichen Ausgaben rütteln. Die Märkte werden die Ankündigungen seines Kabinetts aufmerksam verfolgen. Bewegungen bei den Vermögenspreisen – insbesondere beim Parallelwechselkurs – könnten die kurzfristigen Inflationsaussichten beeinflussen.
– Adriana Dupita, Wirtschaftsexpertin für Brasilien und Argentinien

Dennoch glauben einige Investoren, dass Javier Milei die beste Chance ist, die Wirtschaft nach Jahren der Marktschmerzen zu retten. Die Auslandsanleihen des Landes bescherten den Anlegern seit ihrer Umstrukturierung im Jahr 2020 Verluste von mehr als 40 %, was zu den schlechtesten Ergebnissen in den Schwellenländern gehört. „Die Frage ist eher, ob Javier Milei in der Lage ist, die Dinge zu erledigen“, sagte Diego Ferro, Gründer von M2M Capital in New York. „Und da gibt es meiner Meinung nach noch ein großes Fragezeichen. Aber die kurzfristige Prognose spricht für höhere Anleihekurse.“

FMW/Bloomberg



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6 Kommentare

  1. BRICS-Mitgliedsland Argentinien.

    1. Und ausgerechnet Bricsmitglieder wie diese sollen laut einigen Fantasten zum Goldstandard zurückkehren wollen🤣.

      1. Ach Columbo……
        1. Milei hat angedeutet, sich nicht der BRICS anzuschließen zu wollen, sondern Schulterschluss mit der
        USA. (Was ich für einen Fehler halte).
        2. Die einzige Möglichkeit, das schöne Argentinien aus der jahrzentelangen Misere wieder aufzubauen,
        ist eine radikale Kehrtwende deren linken Politik; die immer und überall letztendlich zur Verarmung führt.
        Ob er erfolgreich sein wird, hängt von vielen Faktoren ab.
        3. Hoffe, dass unseren Politikern in DE ähnlich der Stecker gezogen wird.

        1. @HH
          Das ist nun aber beruhigend, dass auch Rechtspopulisten inzwischen den Sozialisten mit linker Politik zugerechnet werden.
          Denn das große Scheitern und Versagen der letzten Jahre war nun wirklich nicht alleine klassisch linker Politik geschuldet. Das Gegenteil ist der Fall.

          Einmal war da das Versprechen von Ex-Präsident Mauricio Macri und seinem als Cambiemos bekannten Rechtsbündnis, mit der er im Jahr 2015 die Wahlen gewann: Auf den Weg des Wachstums zurückzukehren und das Land „wieder in die Welt zu integrieren“. Trotz oder gerade wegen des eigenen Komplettversagens schwingt er heute umso wütendere rechtspopulistische Parolen, in denen er Heilung und Wohlstand predigt. So eine Art Fredrich Merz hoch Fünf 🙄
          Seine Amtszeit als Präsident endete inmitten eines finanziellen Chaos, in dem alle wirtschaftlichen und sozialen Indikatoren den Tiefstand erreicht hatten, mit einer Inflation von 55 Prozent und einer hohen Verschuldung beim Internationalen Währungsfonds, der Macri mit einem beispiellosen Kredit von 45 Milliarden Dollar unterstützt hatte.

          Niemand muss von außen den Stecker ziehen, das machen rechte und libertäre Anarchisten von ganz alleine, systemimmanent und von innen heraus, sobald sie an der Macht sind. Da wird auch der argentinische Wolverine keine Ausnahme bilden…
          https://images4.fanpop.com/image/photos/19100000/Wolverine-hugh-jackman-as-wolverine-19125614-1600-1200.jpg
          https://images4.fanpop.com/image/photos/19100000/Wolverine-x-men-the-movie-19125700-1600-1200.jpg

    2. @Holger Voss Argentinien sollzum 1.1.24 Mitglied werden. Bisher ist es nur aufgenommen….

  2. Dr. Sebastian Schaarschmidt

    Argentinien überlebt nur Dank des IWF. Der IWF möchte keine zweite Finanzkrise riskieren und stützt deshalb Argentinien.
    Am freien Markt könnte sich das südamerikanische Land dagegen nicht refinanzieren. Das ist vorbei, seitdem es 01 pleite ging.
    Niemand bei Verstand investiert noch in dieses Land, geschweige denn legt sein Geld in der argentinischen Währung an.
    Kein Messi, keine Shakira oder sonst Wer, jeder der zu Geld gekommen ist, transferiert den argentinischen Peso sofort in Euro, Dollar oder Schweizer Franken….
    In dem Moment wo der IWF Argentinien nicht mehr unterstützt, bricht alles zusammen. Dann ist das Land sofort pleite, mit einem Unterschied, die Schulden sind heuer fünfmal höher als damals, insofern sind auch die Verbindlichkeiten bei den zumeist inländischen Gläubigern fünfmal höher als in 01…

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