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Autoindustrie: Zulieferer bauen massenweise Stellen ab

Autos am Abstellplatz - Zulieferer der Autoindustrie mit Stellenabbau

Die deutsche Autoindustrie steht vor dem Doppelproblem der Coronakrise sowie des Strukturwandels, hin zu E-Autos und Brennstoffzelle. Die Krise hatte aber schon vor dem Ausbruch des Coronavirus begonnen. Seit Monaten läuft die Welle der Entlassungen in der Autoindustrie. Von der breiten Öffentlichkeit wenig beachtet, sind es vor allem die Zulieferer, die in großem Stil Stellen abbauen. Hier ein paar Beispiele von den ganz Großen der Branche.

Zulieferer der Autoindustrie mit massivem Stellenabbau

Einer der Giganten der Zulieferer für die deutsche Autoindustrie ist Continental. Erst Anfang September verkündete man den Abbau von 30.000 Stellen, 13.000 davon alleine in Deutschland (bislang 59.000 Mitarbeiter in Deutschland). Dazu hier nur ein ganz kurzer Auszug aus der Meldung von Continental:

Die gesamte Autoindustrie hat derzeit gewaltige Herausforderungen zu bewältigen. Keine ihrer Krisen der vergangenen 70 Jahre war größer und schärfer. Sie trifft die Zulieferer besonders hart. Sie verlangt uns kurzfristig schon sehr viel ab und fordert uns auf Jahre bis zum Äußersten. Nach etwa einem Jahrzehnt des schnellen, profitablen Wachstums und Beschäftigungsaufbaus entlang des bisherigen Wachstumsmodells der Autoindustrie richten wir uns jetzt auf eine neue Art des Wachstums mit Zukunftstechnologien aus.

ZF Friedrichshafen

Das Unternehmen ZF Friedrichshafen ist ebenfalls einer der ganz großen Zulieferer in der Autoindustrie. Auch hier werden laut Meldung des Unternehmens Stellen abgebaut. Aber das Anbieten von Abfindungen, Altersteilzeit etc klingt doch besser als Entlassung? Zitat vom Unternehmen:

In Deutschland hat das Unternehmen dazu den „Tarifvertrag Transformation“ mit der Arbeitnehmervertretung und den Gewerkschaften geschlossen. Er sieht vor, dass ZF bis Ende 2022 keine betriebsbedingten Kündigungen ausspricht und keine Standorte in Deutschland schließt. Im Gegenzug erhält das Unternehmen die Möglichkeit, die Arbeitszeiten von Tarifmitarbeitern um bis zu 20 Prozent zu reduzieren und gezielt Abfindungs- und Altersteilzeitpakete in Deutschland anzubieten. Seit Mitte des vergangenen Jahres hat ZF weltweit 5.300 Stellen abgebaut, davon allein 3.800 seit Jahresbeginn.

Mahle

Erst gestern hat der Autozulieferer Mahle verkündet 7.600 Stellen streichen zu wollen, 2.000 davon in Deutschland. Man habe seine Geschäftseinheiten, Regionen und Standorte eingehend bewertet und globale Überkapazitäten von 7.600 Stellen ermittelt, so drückt man es aus. Aus den folgenden Worten des Unternehmens kann man entnehmen, dass die Lage in der deutschen Autoindustrie wohl doch dramatischer ist, als man es annehmen möchte. Zitat Mahle:

Bereits im letzten Jahr hatte MAHLE vor dem Hintergrund des technologischen Wandels in der Automobilindustrie und eines anspruchsvollen Marktumfeldes umfassende Kostenspar- und Restrukturierungsprogramme eingeleitet. Durch die massiven Einbrüche der internationalen Märkte und die anhaltend niedrigen Kundenabrufe als Folge der Corona-Pandemie hat sich der Handlungsdruck nochmals deutlich verschärft. MAHLE prognostiziert eine Rückkehr der Fahrzeugmärkte zum Vorkrisen-Niveau erst in mehreren Jahren. Zugleich bleibt das Vorantreiben der technologischen Transformation unerlässlich.

Schaeffler

Auch Schaeffler ist ein Großer der Branche. Bis Ende 2020 will man weitere 4.400 Stellen in Deutschland und Europa abbauen. Betroffen sind der Stammsitz in Herzogenaurach, sowie elf weitere Standorte in Deutschland und zwei im Ausland. Für die Standorte Wuppertal und Clausthal-Zellerfeld wird eine Komplettschließung nicht mehr ausgeschlossen, so Schaeffler in seiner Mitteilung vom 9. September. Neben Mahle erkennt man auch in den Aussagen von Schaeffler klar, dass die Krise der Autoindustrie und ihrer Zulieferer schon lange vor der Coronakrise begann. Zitat:

Der weltweit tätige Automobil- und Industriezulieferer Schaeffler hatte bereits im Jahr 2018 angesichts der sich abzeichnenden technologischen und regulatorischen Veränderungen sowie geänderter Kundenanforderungen begonnen, seinen europäischen Werkeverbund anzupassen, die Organisation zu verschlanken und stärker auf die Bedürfnisse der Sparten auszurichten. Vor diesem Hintergrund wurde im November 2018 die Präsenz in Großbritannien um drei Standorte reduziert. Zudem wurde im Frühjahr 2019 in der Sparte Automotive OEM das Effizienzprogramm RACE etabliert, dem im Verlauf desselben Jahres die Spartenprogramme GRIP (Automotive Aftermarket) und FIT (Industrie) folgten. Im Rahmen von RACE wurden seitdem unter anderem die drei Automotive-Standorte Hamm, Unna und Kaltennordheim verkauft. Ferner wurde im September 2019 noch vor Ausbruch der Coronakrise ein zusätzliches Freiwilligenprogramm aufgelegt, das sich aktuell in der Umsetzung befindet. Die Zahl der Beschäftigten der Schaeffler Gruppe hat sich seit Ende 2018 um rund 8.250 Stellen von 92.478 auf 84.223 per Ende Juni 2020 verringert, was einem Rückgang um knapp 9 Prozent entspricht. Die genannten Maßnahmen sind dabei bisher nur teilweise in den Beschäftigtenzahlen reflektiert.

Bosch

Auch bei dem Giganten der Branche Bosch tut sich in Sachen Stellenabbau und Werksschließungen so einiges. Wir verweisen an dieser Stelle auf folgende Berichte der FAZ sowie auf regionale Berichte (hier und hier).

Transformation und neue Jobs in der Autoindustrie?

Es fallen also hunderttausende Stellen in der Autoindustrie weg, was offenbar die Zulieferer richtig hart trifft. Glaubt man den Unternehmen, dann ist es Teil der großen Transformation hin zu E-Mobilität etc, wo einfach weniger Beschäftigte in der Produktion benötigt werden (vereinfacht ausgedrückt). Dazu kommt derzeit noch die Auto-Krise, die offenbar schon 2018 begann, sich 2019 verschlimmerte, und in welcher die Coronakrise als Brandbeschleuniger fungierte. Da stehen nun Mengen an qualifizierten Facharbeitern. Wohin mit ihnen, wenn sie offenkundig auf Sicht von Jahren in der Autoindustrie keinen neuen Job mehr finden werden? Das ist wohl die wichtigste Frage. Da bei solchen Stellenstreichungen erstmal verhandelt wird, Sozialpläne erstellt werden etc, sehen wir die meisten dieser Entlassenen wohl jetzt noch nicht in den Arbeitslosenstatistiken. Werden sie in einer Nach-Corona-Welt neue Betätigungsfelder in neuen Industrien finden können? Wird die Industrie stark und innovativ genug sein, um neue Stellen zu schaffen? Denn trotz aller „Zukunftsprogramme“, sollte man sich nun wirklich nicht auf die Politik als Schaffer neuer Arbeitsplätze oder neuer Industrien verlassen!



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4 Kommentare

  1. Der Weltwirtschaftsdampfer zeigt nun die für Realdenkende erwartete Schwäche mit dem üblichen Timelag und dem Schneeballsystem rückwärts.
    Die anstehende zweite Corona -Welle wird die V- Träumer definitiv aus dem Schlaf reissen.Um das zu sehen bräuchte es aber keine Intelligenz Protzen

  2. Lieber Her Kummerfeld, besten Dank für die Aufstellung. Aus meiner Sicht wird in den nächsten Jahren Asien die Märkte dominieren. Jede technologische Transformation war „blutig“… Es gibt keine Anzeichen warum derzeit anders werden sollte. Wahrscheinlich schlimmer, da die Asiaten leidensfähiger sind, als wir. Die Technologieschübe immer schneller kommen. Letztlich sind „wir“sehr verweichlicht. Gewonnen hat die „stuhlkreis-mentalität“. Zudem haben durch die aktuelle Politik viele Absolventenjahrgänge keine Perspektive – es sind verlorene Jahrgänge. Mit grosser Sorge betrachte ich das Lufthansarettungdmodell. Es kann definitiv nicht funktionieren. In voraussichtlich zwei Jahren ist die LH in Insolvenz. Mit extremen menschlichen Tragödien, weil sie alle die anstehende Transformation nicht begreifen wollten…. da sie weh tut… aber die Schmerzen werden schlimmer…

    1. Guter Kommentar, den ich gerne aufgreifen möchte.
      Mein Denkansatz ist, dass durch die Sozialisierung/Homogenisierung der Schulleistungen und Notenbewertungen zu dem Problem innerhalb der Wirtschaft führte.
      Mann will alle in der Schule mitnehmen und alle, die gewillt sind aber qualitativ nicht die Leistung bringen irgendwie durchkommen lassen. Dies hat aber ernsthafte Konsequenzen für die Wirtschaft und die nachgelagerte Einstellung des Personenkreises. Durch das Ausschließen der Niederlage als solches ist das Gefühl und das Bewusstsein für dieses auch nicht mehr vorhanden. Was sich in Folge für die Grundstruktur und Einstellung innerhalb der Firmen auswirkt.
      Gerade bei Großunternehmen, welche unsere Stützen der deutschen Wirtschaft sein sollen, ist dieses Bild klar ersichtlich. Da wird subventioniert und gestützt gerettet, kurz: Sozialisiert. So schließt sich dieser Kreis.
      Deutschland, deren Bevölkerung und die Politik war nach dem Weltkrieg hungrig und durch den Schmerz des Krieges leidensfähig. Das ist heute nicht nur in Deutschland anders – im Grunde betrifft es viele der westlichen Nationen. Durch das geopolitische Gebaren wurden andere Länder unterdrückt und ausgebeutet, die jetzt sehr hungrig und sehr leidensfähig sind. (Zum Beispiel China) Diese Länder werden auf kurz oder Lang die Weltmärkte beherrschen und die Leidensphase und der Zyklus beginnt für uns wieder erneut.

      Dieser Zyklus lässt sich durch Unterdrückung und geopolitische Interventionen zwar lange verzögern, ändert aber nichts am Resultat – dem Niedergang einer Wirtschaftsphase.

      Bevor jetzt irgendeiner kommt und sagt, dass die Chinesen die Technologie von uns stehlen, dem sei gesagt, dass wir Deutschen auch die technologischen Errungenschaften in der Zeit der Industrialisierung von den Engländern geklaut haben.
      Im Chinesischen gibt es ein Sprichwort „Nur wer den Meister (das Original) gut kopieren kann, ist es wert, eigene Ideen zu verwirklichen.“
      Genauso ist es.

  3. Wir sind zwar auch Zulieferer, aber stehen noch gut da. Dafür sterben gerade die Kleinen. Begann schon letztes Jahr. Hier 3 von Anfang des Jahres!
    https://www.sueddeutsche.de/muenchen/landkreismuenchen/aschheim-schlemmer-group-insolvenz-1.4757137
    https://app.insolvenz-portal.de/Insolvenzverfahren/wellhaeuser-kunststofftechnik-koeppl-gmbh-und-co_-kg/2834480
    https://app.insolvenz-portal.de/Nachrichten/boesner-stellt-sich-ueber-eigenverwaltung-neu-auf/21119
    2019 ein Drittel weniger Umsatz, das schluckt man nicht einfach so weg. Und die, die halt auf Rücklagen gepfiffen haben, oder aber auch gut gearbeitet, aber externe Probleme ins Haus bekamen (Unterlieferant liefert nicht oder schlechte Ware, Käufer zahlt nicht …), haut es als erstes um.
    https://www.welt.de/wirtschaft/article212278749/Autozulieferer-Viele-stehen-wegen-Corona-vor-der-Insolvenz.html
    Bei uns hieß es 2019, ging nochmal gut. Aber wenn’s nächstes Jahr so weiter geht, wird abgebaut. Dann kam Corona zu Hilfe, und es sind noch immer viele (fast die Hälfte weltweit) in Kurzarbeit. Selbst bei Ford ist auch jetzt noch Kurzarbeit.
    https://www.saarbruecker-zeitung.de/saarland/saar-wirtschaft/kurzarbeit-bei-ford-saarlouis-auch-im-august-nach-den-werksurlaub_aid-51810495

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