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Bürokratieabbau in Deutschland – der schöne Schein trügt

Die Bundesregierung betreibt Bürokratieabbau, ja tatsächlich? Wo ein wenig Informationspflicht entfällt, kommt aber viel Neues hinzu.

Robert Habeck
Robert Habeck. Photographer: Jose Sarmento Matos/Bloomberg

Bürokratieabbau, Juhuuu, endlich geht es los. Wo doch so ziemlich jeder Politiker seit Jahren „Bürokratieabbau“ ruft, da macht Robert Habeck nun endlich was? Das Bundeswirtschaftsministerium hat nach eigener Aussage in 151 Gesetzen und Verordnungen, Informations- und Berichtspflichten identifiziert. Darin will das Ministerium 140 Pflichten abbauen, darunter rund 80 konkrete Maßnahmen, 60 weitere werden aktuell noch geprüft. So weit so gut, da freut sich die Unternehmerseele? Robert Habeck hat diesen Bürokratieabbau diese Woche mit jeder Menge Selbstlob präsentiert. Immerhin besser als nichts, könnte man sagen! Aber wo Bürokratie entfällt, kommt an anderer Stelle jede Menge neue Bürokratie hinzu.

Bürokratieabbau? Weniger Vorschriften gegen neue Vorschriften

Wo man aktuell ein wenig tut für etwas Bürokratieabbau, da kommt an anderer Stelle eine Lawine neuer Bürokratie auf Bürger und Unternehmen zu. Man denke hier nur mal an das Heizungsgesetz, und die anstehenden Maßnahmen der EU-Kommission stehen auch noch an. Sie sind noch nicht sichtbar, aber die Lawine kommt. Die EU will Gebäude komplett klimaneutral machen. Das Gebäudeenergiegesetz auf EU-Ebene kann verdammt teuer und aufwendig in der Umsetzung werden.

Aber mal abgesehen von dem Thema Gebäudesanierung scheint die Öffentlichkeit längst verdrängt zu haben: Seit Jahresanfang ist in Deutschland das Lieferkettengesetz in Kraft, sozusagen der dunkle Gegenspieler zum Bürokratieabbau. Vereinfacht gesagt: Der deutsche Industriebetrieb wird in Deutschland in die Haftung genommen, wenn beim Zulieferer seines Zulieferers in Asien Arbeitsschutz, Umweltschutz oder Mindestlöhne nicht beachtet werden. Da rollt eine riesige Maschinerie auf die Unternehmen zu. Betroffen sind alle Betriebe mit mindestens 3.000 Mitarbeitern, ab nächstem Jahr alle ab 1.000 Mitarbeitern.

Das Lieferkettengesetz ist ein Koloss. Wer sich nicht daran hält, dem drohen bei Verstößen harte Sanktionen, wie Bußgelder von bis zu acht Millionen Euro oder bis zu zwei Prozent des weltweiten Jahresumsatzes. Auch droht der Ausschluss von der öffentlichen Beschaffung, bei schwerwiegenden Verstößen für bis zu drei Jahre.

Laut Aussage der Bundesregierung stärkt das Lieferkettengesetz in globalen Lieferketten Menschenrechte und den Umweltschutz. Es verpflichtet Unternehmen in Deutschland „zur Achtung von Menschenrechten durch die Umsetzung definierter Sorgfaltspflichten. Diese Pflichten gelten für den eigenen Geschäftsbereich, für das Handeln eines Vertragspartners und das Handeln weiterer (mittelbarer) Zulieferer. Damit endet die Verantwortung der Unternehmen nicht länger am eigenen Werkstor, sondern besteht entlang der gesamten Lieferkette“, so die offizielle Info der Bundesregierung.

Dazu wird erläutert: „Zunächst müssen Unternehmen die Risiken in ihren Lieferketten ermitteln, bewerten und priorisieren. Aufbauend auf den Ergebnissen werden eine Grundsatzerklärung veröffentlicht und Maßnahmen ergriffen, um Verstöße gegen die Menschenrechte sowie Schädigungen der Umwelt zu vermeiden oder zu minimieren. Das Gesetz legt dar, welche Präventions- und Abhilfemaßnahmen notwendig sind. Zu den weiteren Pflichten gehören auch die Einrichtung von Beschwerdekanäle für die Menschen in den Lieferketten und die regelmäßige Berichterstattung über das Lieferkettenmanagement.“

Wie soll das gehen?

Man darf sich fragen: Wie soll das dauerhaft in der Praxis funktionieren? Unternehmen müssen dann in Deutschland und vor Ort bei den Zulieferern im Ausland extra Überwachungspersonal einstellen, um das Lieferkettengesetz mit Leben zu füllen, um Standards wirklich zu überprüfen? Das bedeutet immense Mehrkosten und jede Menge neue Bürokratie. Ein netter, geringfügiger Bürokratieabbau durch die Abschaffung von ein paar Informationspflichten bei Energiethemen hilft wenig, wenn Unternehmen an anderer Stelle mit zusätzlicher Bürokratie in immensem Umfang belastet werden. Wenn Bürokratieabbau wirklich ernst gemeint sein soll, hilft nur ein ganzheitlicher Ansatz aller Ministerium, Behörden, nachgelagerter Ämter etc.



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1 Kommentar

  1. Erst einmal muss eine Behörde geschaffen werden, die ermittelt, welche Vorschriften abgeschafft werden könnten, und welche anderen Vorschriften deshalb auch noch geändert oder neu geschaffen werden müssen, damit keine Gesetzeslücke entsteht. Ob das Vorhaben gegen EU-Recht verstößt, oder gegen….
    Und hundert Seiten weiter.
    Schon wieder Kino.

    Viele Grüße aus Andalusien Helmut

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