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Warum alle Abkoppelungs-Versuche scheitern China bleibt gefangen im Dollar-Dilemma

Der schwere Ziel-Konflikt

China gefangen in Dollar Falle
Foto: JERO SenneGs - Freepik.com

China steckt im Dollar-Dilemma: Am 1. Oktober, zum 75. Geburtstag der Volksrepublik, sprach Präsident Xi Jinping von Chinas „Nationaler Erneuerung“, in der das Land seinen Platz als führende Nation wieder einnehmen soll. Ein zentraler Bestandteil dieser Vision ist die Schwächung der US-Dollar-Dominanz und die Stärkung des Yuan. Doch China steckt in einem Dilemma: Es ist tief in ein globales Wirtschaftssystem eingebunden, das vom US-Dollar abhängt, will aber gleichzeitig wirtschaftliche und geopolitische Unabhängigkeit erlangen.

China, SWIFT und CIPS: Der Zwergenaufstand gegen den Dollar-Giganten

Das internationale Finanzsystem wird größtenteils durch das SWIFT-System ermöglicht, das täglich über 50 Millionen Nachrichten zwischen mehr als 11.000 Finanzinstituten in über 200 Ländern verarbeitet. Ein Großteil dieser Transaktionen erfolgt in US-Dollar, der mit knapp 60% der Zahlungen seine führende Rolle sogar weiter ausgebaut hat. China hat in den letzten Jahren jedoch das CIPS-System als Alternative entwickelt, um den internationalen Zahlungsverkehr in Yuan zu fördern. Während SWIFT bei Weitem das dominierende System ist, hat CIPS deutlich weniger Teilnehmer, etwa 1.566, und wickelt rund 5.000 Transaktionen pro Tag ab – ein Bruchteil von dem, was SWIFT leistet.
Trotz dieser Unterschiede nimmt die Bedeutung des Yuan zu, vor allem aufgrund der geopolitischen Entwicklungen, wie den Sanktionen gegen Russland. Jedoch ist der Anteil des Yuan am SWIFT-Zahlungsverkehr mit 3,12% weiterhin marginal, während der US-Dollar in fast 60% der Transaktionen weltweit genutzt wird.

Yuan-Zahlungen: Täuschende Finanzströme

Parallel dazu hat sich Chinas grenzüberschreitender Zahlungsverkehr ebenfalls signifikant verändert. Der Anteil des Yuan an den grenzüberschreitenden Zahlungen Chinas stieg bis 2024 auf über 50%, was jedoch vor allem auf Finanzströme zwischen dem chinesischen Festland und Hongkong zurückzuführen ist. Dabei spielen das China Foreign Exchange Trade System (CFETS) und das Clearing House Automated Transfer System (CHATS) jeweils eine zentrale Rolle bei der Abwicklung dieser Transaktionen. Dieser Anstieg spiegelt daher weniger den Handel mit Waren wider, sondern vielmehr den Kauf von Yuan-denominierten Wertpapieren. Viele dieser Yuan-Transaktionen werden letztendlich in US-Dollar umgetauscht, insbesondere über Hongkong, was bedeutet, dass der Anstieg des Yuan-Anteils an den grenzüberschreitenden Zahlungen nicht vollständig die Realität widerspiegelt.

Der Dollar dominiert: Warum der Yuan im Handel kaum mithält

Im Warenhandel dominiert weiterhin der US-Dollar. Nur 24,4% der grenzüberschreitenden Handelszahlungen Chinas werden in Yuan abgewickelt. Ein wesentlicher Grund dafür ist die Tatsache, dass Rohstoffe wie Öl und Gas, die fast 30% der chinesischen Importe ausmachen, weltweit nach wie vor in Dollar denominiert sind. Aufgrund der größeren Liquidität und Stabilität des Dollars auf den globalen Märkten ziehen viele Handelspartner Chinas weiterhin den US-Dollar dem Yuan vor.
Aufgrund dieser Dynamiken bleibt der US-Dollar im internationalen Handel und Finanzwesen dominant.

Dies zeigt sich auch in Chinas „Belt and Road Initiative“ (BRI), Chinas globalem Infrastrukturprogramm, das größtenteils in US-Dollar abgewickelt wird, was das Land weiter in das Dollar-System verstrickt. Schätzungen zufolge flossen rund 70-75% der BRI-Finanzierungen in US-Dollar, da viele der beteiligten Länder und Projekte in Dollar denominiert sind. Zwischen 2013 und 2022 investierte China etwa 1 Billion USD in über 3.000 BRI-Projekte, hauptsächlich in Asien, Afrika und Lateinamerika. Dies bedeutet, dass trotz Chinas Bemühungen zur Yuan-Internationalisierung, der US-Dollar im Rahmen der BRI nach wie vor eine dominierende Rolle spielt, insbesondere in Ländern mit schwachen lokalen Währungen.

Globale Reserven: Gefangen in der Dollar-Falle

Ein wesentlicher Aspekt des „Dollar-Dilemmas“ Chinas betrifft die globalen Devisenreserven. Rund 58,22% der weltweiten Devisenreserven sind in US-Dollar gehalten, während der Euro und der Yen zusammen nur etwa 25,35% ausmachen. Der Anteil des Yuan an den weltweiten Währungsreserven beträgt derzeit nur 2,15% und zeigt eine fallende Tendenz. Chinas Reserven machen etwa 25-30% der globalen Reserven aus, wobei 1,9 Billionen USD davon in Dollar denominiert sind. Zusätzlich gibt es Berichte über sogenannte “Schattenreserven”, die auf etwa 3 Billionen Dollar geschätzt werden und in staatlichen Geschäfts- und Politikbanken verborgen sind.

Versuche, die Reserven in Euro oder Yen umzuschichten, stoßen auf strukturelle Hindernisse. Der begrenzte Markt für hochgradig sichere Euro- und Yen-denominierte Staatsanleihen könnte durch massive chinesische Käufe destabilisiert werden, und europäische sowie japanische Zentralbanken könnten Bedenken hinsichtlich der Handelskonkurrenz haben. Über 50% der japanischen Anleihen befinden sich im Besitz der Bank of Japan, und nur 13,5% der japanischen Staatsschulden werden von Ausländern gehalten. Im Vergleich dazu halten ausländische Investoren rund 30% der US-Staatsanleihen, was die Liquidität des US-Dollars unterstreicht.

Selbst eine Diversifizierung in Währungen kleinerer Volkswirtschaften, wie Australischer Dollar oder Britisches Pfund, wäre nur begrenzt möglich. Diese Märkte sind zu klein, um den enormen Umfang der chinesischen Devisenreserven zu absorbieren. Daher bleibt China trotz der geopolitischen Risiken und der Bemühungen zur Diversifizierung stark vom Dollar abhängig.

Zwischen November 2022 und April 2024 wuchsen Chinas Goldreserven jeden Monat, wobei der Anteil des Goldes an den offiziellen Reservevermögen von 3,4% auf 4,9% stieg. Während dieser Zeit wurden Fremdwährungsreserven verkauft, um Gold zu kaufen und so die Reserven von Fremdwährungsvermögen weg zu diversifizieren. Diese Goldkäufe wurden jedoch seit Mai 2024 pausiert.

Obwohl US-Regierungsdaten einen Rückgang des Dollarwerts der chinesischen Treasury-Bestände um 11% zwischen November 2022 und April 2024 zeigen, spiegeln diese Daten nicht Chinas Reservebestände an Treasuries wider, die in Verwahrkonten in Europa und anderen Offshore-Standorten oder durch globale Fonds gehalten werden. Jeder Rückgang der chinesischen Treasury-Bestände wurde wahrscheinlich zumindest teilweise durch Käufe von Dollar-Vermögenswerten durch chinesische offizielle Stellen ausgeglichen. Laut einer Analyse ist der Wert von Chinas Dollarreserven in den letzten Jahren tatsächlich relativ konstant geblieben.

Swap-Abkommen: China und sein Plan gegen den Dollar

Neben diesen Bemühungen zur Diversifizierung der Reserven steht China vor der Herausforderung, dass der US-Dollar weiterhin den internationalen Handel dominiert. China exportiert massiv in US-Dollar abgerechnete Waren, und der Dollar dominiert auch den Rohstoffhandel, insbesondere den für Öl und Gas. Der Versuch, diese Handelsströme auf andere Währungen wie den Yuan umzustellen, schafft erhebliche Unsicherheiten. Viele Handelspartner bevorzugen den Dollar aufgrund seiner Stabilität und Liquidität, was den Yuan als Alternative weniger attraktiv macht.

Um dieser Herausforderung zu begegnen, setzt China verstärkt auf Swap-Abkommen. Seit der Finanzkrise 2008 hat China eine Reihe von Währungsswap-Abkommen mit verschiedenen Ländern abgeschlossen, um die Nutzung des Yuan im internationalen Handel zu fördern und die Abhängigkeit vom US-Dollar zu verringern. Diese Swap-Abkommen ermöglichen es den beteiligten Ländern, ihre jeweiligen Währungen direkt zu tauschen, ohne den Umweg über den US-Dollar nehmen zu müssen.

Die People’s Bank of China (PBoC) hat bilaterale Währungsswap-Abkommen mit mehr als 40 ausländischen Zentralbanken oder Währungsbehörden unterzeichnet. Derzeit sind 31 bilaterale Währungsswap-Abkommen in Kraft, mit einem Gesamtvolumen von etwa 4,16 Billionen Yuan (etwa 586 Milliarden Euro). Diese Swap-Abkommen sind Finanzierungsvereinbarungen, bei denen die Zentralbank eines Landes ihre eigene Währung gegen die einer anderen tauschen kann. Die Swap-Mittel können verwendet werden, um bilaterale Handels- und Investitionstätigkeiten zu unterstützen, wodurch Wechselkosten gespart und Wechselkursrisiken reduziert werden.

BRICS-Währung: (K)eine Rettung aus dem Dollar-Dilemma?

Eine mögliche Lösung für Chinas „Dollar-Dilemma“ könnte die Einführung einer gemeinsamen BRICS-Währung sein. Diese Idee hat in den letzten Jahren an Dynamik gewonnen, insbesondere angesichts der extraterritorialen US-Sanktionen und der Dominanz des Dollars im weltweiten Handel. Eine solche Währung könnte den Handel zwischen den BRICS-Staaten erleichtern und ihre Verhandlungsmacht gegenüber westlichen Wirtschaftsmächten stärken.

Allerdings gibt es erhebliche Hürden für die Umsetzung dieser Idee. Die BRICS-Staaten sind geprägt von unterschiedlichen Wirtschaftssystemen, politischen Strukturen und Entwicklungsstadien, was eine schnelle und einheitliche Koordination erschwert. Während Russland stark an einer gemeinsamen Währung interessiert ist, um die Abhängigkeit vom US-Dollar zu verringern, verfolgen China und Indien eher das Ziel, ihre eigenen Währungen als führend innerhalb des BRICS-Verbundes zu etablieren. Brasilien und Südafrika haben bisher keine starken Bestrebungen gezeigt, eine gemeinsame Währung zu unterstützen.

Yuan gegen Dollar: Chinas Zielkonflikt zwischen Kontrolle und Dominanz

Denn dem Aufstieg des Yuan steht ein Zielkonflikt entgegen: Wenn der Yuan wirklich den Dollar ersetzen wollte, müsste er frei konvertierbar sein, die Devisenkontrolle aufgehoben werden, die PBOC wirklich unabhängig und auch noch transparent in ihren Entscheidungen sein. Dies würde bedeuten, dass China erhebliche Reformen in seiner Finanzpolitik und Governance-Struktur vornehmen müsste. Die kommunistische Partei Chinas hat jedoch wenig Interesse daran, die Kontrolle über die Währungspolitik und die Kapitalflüsse aufzugeben, da dies ihre Fähigkeit einschränken würde, die Wirtschaft zentral zu steuern und politische Stabilität zu gewährleisten.



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