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China: Corona-Lockdown – in Peking liegen jetzt die Nerven blank!

Bei Chinas Machthabern in Peking liegen aufgrund der Reaktion der Bevölkerung auf den Lockdown in Shanghai die Nerven blank!

Am vergangenen Mittwoch Abend, den 6. April, gab es ein denkwürdiges virtuelles Meeting der Europäischen Handelskammer. Zugeschaltet waren auch die Vertreter der Stadt Shanghai und der Regierung in Peking.

Die Europäisches Handelskammer ist ein Zusammenschluss der Handelskammern in China. Sie fungiert häufig als Vermittler zwischen der Regierung und den europäischen Unternehmen. So werden die Fünfjahrespläne mit der Europäischen Handelskammer diskutiert. Unter Hu Jintao waren diese Diskussion sehr offen: Die Teilnehmer konnten auch ohne Probleme ueber schwierige Themen wie „Menschenrechte“ diskutieren.

Die Europäische Handelskammer schafft es regelmäßig, zumindest etwas mäßigend auf die Zentralregierung Einfluss zu nehmen. Dies ist vor allem Jörg Wuttke zu verdanken, dem langjährigen Vorsitzender und China-Veteran der alten Schule. Wuttke kam 1997 als Generalbevollmächtigter des Bayer-Konzerns nach China. Er ist in Chinas politischer Elite bestens vernetzt.

An dem besagten Mittwochabend kritisierten die Vertreter der einzelnen Handelskammern den Umgang mit der neuesten Omikron-Welle in einem Maße, der unter Xi Jinping bisher höchst selten war. In Bezug auf Shanghai sagte Wuttke: „Jeder ist fassungslos, dass dies in der fortschrittlichsten Stadt Chinas passiert.“

Klaus Zenkel, Vize-Präsident der EU-Kammer im chinesischen Tech-Hub Shenzhen, bescheinigte der Regierung angesichts mehrmaliger Teil- und Voll-Lockdowns der Stadt „mangelnde Weitsicht und einen Mangel an Anpassungsfähigkeit“. Und weiter: „Sie (gemeint sind:die Unternehmen) sehen keine Strategie, die diese Art von On-Off-Wirtschaft beenden wird – das heißt, nach der Covid-Welle ist vor der Covid-Welle.“

Aus diesem Meeting entstand ein Brief an den Vize-Premier Hu Chunhua. In diesem Brief weist die Europäische Handelskammer auf den immensen wirtschaftlichen Schaden durch den Lockdownhin. Die Zahlen basierten auf einer Blitz-Umfrage, die die Deutsche Handelskammer unter ihren Mitgliedern unternahm. In einem zweiten Teil erlaubte sich die Europäische Handelskammer einige „Vorschläge“ zu machen: Heimquarantäne für asymptotische Fälle, Fokussierung auf die weitere Durchimpfung der Bevölkerung (vor allem der älteren Bevölkerung, die kaum geimpft ist) – und impliziert die Zulassung (westlicher) mRNA-Impfstoffe.

Zwar hatte Li Keqiang auf den „Zwei Sitzungen“ eine über 85% Impfquote bekanntgeben. Diese Zahlen dürften aber nach typisch chinesischer Manier nach oben „korrigiert“ sein. Geboostert wird seit November letzten Jahres – mit mäßigem Erfolg, wie selbst chinesische Quellen zeigen.
Wie die Zahlen aus Shanghai zeigen, infizieren sich im Moment hauptsächlich diejenigen, die in den provisorischen Massenunterkünfte sind. Von den 23,342 Neuinfektionen, die vorgestern identifiziert worden, waren nur 786 Fälle, die NICHT in den Unterkünften untergebracht waren. Dies zeigt, dass die Shanghais Strategie eher kontraproduktiv ist.

Interessant an der Verbreitung des Briefes ist auch, dass dieser sehr stark in der chinesischen Bevölkerung zirkulierte, via Weibo und WeChat.

Machthaber in China wegen Lockdown nervös – wie nervös, zeigt ein Artikel

Die Reaktion der chinesischen Seite kam von unerwarteter Stelle: Statt, dass sich Regierungsvertreter mit der Europäischen Handelskammer berieten, wie man den ökonomischen Schaden begrenzen könne, veröffentlichte das inoffizielle Regierungssprachrohr Pekings, die „Global Times“, einen langen Artikel.

Der Artikel sprach von „Anti-Chinesischen Kräften“ und einer „Schmieren-Kampagne“. Der namentlich nicht gekennzeichnete Artikel verwies darauf, dass es in China keinerlei Todesfälle gäbe – im Gegensatz zum Westen, der sich dem Virus mehr oder weniger ergeben hätte. Der Westen wäre nur neidisch, dass die chinesische „Flexible Null-Corona-Strategie“ so erfolgreich wäre und die chinesische Wirtschaft so wenig beeinträchtigt wäre.

Interessant an diesem Artikel sind mehrere Punkte: Sowohl der Strategiewechsel von Samstag auf Sonntag vor einer Woche – als auch die Argumentationslinie konterkartieren direkt der Pressekonferenz des Shanghaier Bürgermeisters, der lang und breit erklärte, warum Shanghai kein Lockdown verhängen würde, nämlich, weil „dieses die gesamte nationale und auch globale Wirtschaft beeinträchtigen würde“. Er hob vor allem die Bedeuutung der Shanghaier Häfen und auch Shanghai als Finanzzentrum Chinas hervor – beides wäre für die Wirtschaft Chinas von hoher Wichtigkeit.

Dass es zu keinerlei Todesfällen durch Corona in China kommt, darf bezweifelt werden. Zum einem widerspricht es allen statistischen Wahrscheinlichkeiten. Shanghai dürfte mit Hongkong gut vergleichbar sein. In Hongkong starben – nach einer Studie der amerikanischen CDC unter Beteiligung von chinesischen und Hongkonger Wissenschaftlern – gerechnet auf eine Millionen Menschen 37,7 Patienten. Tatsächlich berichtete Caixin über mindestens 20 Tote im Donghai Elderly Care Hospital. Dieser Artikel vom 2. April verschwand jedoch innerhalb einer Stunde von der Website und wird in den Sozialen Medien geblockt.

Bemerkenswert auch die Aussage, dass (nur) die westlichen Medien die Karte der wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Wirtschaft in China spielen würden. Auch chinesische Medien und Wirtschaftsverbände – und selbst die chinesische Regierung – weisen auf die Auswirkungen hin. Zum Beispiel das chinesische Ministerium für Kultur und Tourismus, das angab, die Ausgaben der Touristen während des gerade stattgefundenen Qingming-Festivals 30,9% geringer gewesen seien als 2021. Bereits im Vorjahr 2020 waren es 56% weniger Ausgaben im Vergleich zu 2019. Das Transportministerium warnte darüber hinaus am 9. April, dass im Yantze-Delta „einige“ Autobahnen geschlossen werden. Yang Liu, Reporter bei Xinhua, also der staatlichen Nachrichtenagentur, berichtete, dass aus „einigen Autobahnen“ wohl ein „Großteil“ der Autobahnen werde.

Es sind nicht nur die ausländischen Unternehmen, die ihre Produktion einstellen mussten. Es betrifft ebenso chinesische Fabriken – und vor allem die Arbeiter, die in der Zeit des Lockdowns nur ihren Grundlohn bekommen und keinerlei Zuschläge.

Machthaber in China fürchten nichts mehr als Kontrollverlust

Die Reaktion unter den in Shanghai lebenden Ausländern auf den Artikel der „Global Times“ waren entgeistert. Jemand schrieb:

„Was mich richtig betroffen macht, ist die Tatsache, dass viele von uns China in den letzten 2 Jahren verteidigt haben und (dieser Artikel) sagt, sage nur eine Sache außer der Reihe oder befolge die Parteilinie nicht zu 100% und wir werden untergebuttert. Der Artikel suggeriert, dass nur Ausländer unglücklich seien oder denken, die Strategie ist nicht auf dem richtigen Weg. In Wirklichkeit sind es Millionen von Chinesen, die nicht mit der Strategie einverstanden sind und realisieren, dass vielleicht die anderen 194 Ländern auf etwas gestoßen seien.“

In der Tat musste sich Li Qiang, der Parteisekretär von Shanghai, heftige verbale Angriffe anhören, als er spontan die Situation vor Ort eruieren wollte. Einer sagte, die Kader würden sich verhalten, als würden die Bewohner ein „normales Leben leben“, ein anderer beschuldigte ihn, nicht „seinen Job zu machen“.

Bleibt die Frage, warum die Global Times so harsch reagiert. Nichts fürchtet die kommunistische Partei so sehr, wie den Kontrollverlust. Und China hat die Kontrolle über ihr Bild im Ausland verloren. Das zeigt, wie blank die Nerven in Peking liegen!

China kann man sich wie ein Kopf mit zwei Herzen vorstellen: Der Kopf ist Peking mit seinen politischen Entscheidungsträgern. Die wirtschaftlichen Zentren im Yangtze-Delta mit Shanghai, Ningbo, Hangzhou und Suzhou als große Zentren und dem Pearl-Delta mit Shenzhen und Guangzhou. Mit Guangzhou droht nun das zweite große Herz vom Lockdown bedroht zu sein, nachdem Shenzhen sich gerade von den Folgen seines Lockdowns erholt.

Peking scheint auch keinerlei Strategie zu haben, wie man aus diesen Lockdown-Lockup-Kreislauf herauskommt. Es bleibt zu hoffen, dass die Stadtverwaltung aus den Fehlern von 2020 beim Hochfahren der Stadt gelernt hat und dies nun geräuschloser funktioniert. Hier wären auch die Handelskammern gefragt, die hier konstruktive Vorschläge erarbeiten sollten.

China - Lockdown in Shanghai und die Reaktion in Peking
By Republic of Korea from Seoul, Republic of Korea – Chinese_President_XiJinping_Lecture_in_Korea_06, CC BY-SA 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=109161246



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