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China: Kommt der Crash nach der Mega-Rallye?

Der Aktienmarkt in China legt seit Tagen extrem starke Anstiege hin. Droht nun der Absturz? Dazu hier eine Analyse.

China-Flagge
Grafik: Ali_Production-Freepik.com

Nach einer beispiellosen Rallye an den chinesischen Börsen stellt sich die Frage: Ist dies der Beginn eines nachhaltigen Aufschwungs oder folgt der nächste Crash? China hat mit einer Reihe von Maßnahmen die Märkte in den letzten Tagen ordentlich aufgemischt. Doch hinter dem aktuellen Boom lauern bereits die ersten Zweifel, ob diese Entwicklung von Dauer ist – oder nur eine Blase auf Zeit.

Marktboom in China: Stimulus bringt Rekordgewinne

Kurz vor der Golden Week in China sorgte die Ankündigung einer Reihe aggressiver Stimulusmaßnahmen sowie ein ungewöhnliches Treffen des Politbüros für erhebliche Marktbewegungen. Der Benchmark-CSI-300-Index verzeichnete den größten wöchentlichen Gewinn seit fast 16 Jahren.
Die Märkte reagierten heftig: Der Shanghai Composite Index stieg um 8,06 %, der Shenzhen Component Index legte 10,67 % zu, und der ChiNext Index, der Chinas NASDAQ-ähnliches Wachstumsunternehmen-Board abbildet, verzeichnete einen Anstieg von 15,36 %. Auch der Index der 50 repräsentativsten Unternehmen an der Börse von Peking kletterte um beeindruckende 22,84 %.

Der Umsatz an den Börsen von Shanghai und Shenzhen überschritt zum vierten Mal in Folge die Marke von 1 Billion Yuan. Aktien im Wert von 143 Milliarden US-Dollar wechselten in nur 35 Minuten den Besitzer – ein Rekord. Seit den ersten Lockerungsmaßnahmen der Zentralbank in China hat der CSI-300-Index um 25 % zugelegt und die Verluste der letzten 14 Monate innerhalb von nur fünf Handelstagen wieder wettgemacht. Am Ende des Tages erreichte der Wert der gehandelten Aktien 372 Milliarden US-Dollar, der höchste Tageswert aller Zeiten. Diese Rallye markiert einen Wendepunkt für den chinesischen Markt, der in den letzten dreieinhalb Jahren erhebliche Verluste hinnehmen musste.“

Bis zum kommenden Montag bleiben die Börsen in der Volksrepublik geschlossen, doch der Hang Seng Tech Index legte am Dienstag um weitere 8,5 % zu. Dies entspricht einem Anstieg von 48,2 % in nur elf Handelstagen.

Neue Spielregeln: PBOC zündet die Liquiditätsrakete

Die Rallye wurde unter anderem durch die Einführung neuer struktureller geldpolitischer Instrumente der People’s Bank of China (PBOC) unterstützt. Institutionelle Investoren können nun liquide Mittel wie Staatsanleihen und Zentralbankwechsel direkt von der Zentralbank leihen, indem sie ETFs als Sicherheiten verwenden. Zudem bietet die Zentralbank Refinanzierungsdarlehen an Banken, um börsennotierten Unternehmen Kredite zur Rückführung eigener Aktien zu gewähren. Diese Maßnahmen ergänzen die bereits von der chinesischen Wertpapieraufsicht eingeführten Schritte, die darauf abzielen, das Vertrauen der Anleger zu stärken und die Aktienwerte zu stützen.

Erinnerungen an frühere Höhenflüge: Kommt der nächste Crash?

In den letzten zwei Jahrzehnten hat China fünf große Aktienrallyes erlebt, von denen drei durch Stimulusmaßnahmen befeuert wurden. Thomas Gatley von Gavekal Dragonomics erwartet aufgrund der bisherigen Erfahrungen eine vierte Stimulus-Rallye, die Gewinne von 50 bis 100 % möglich machen könnte.

Chart zeigt Kursverläufe am Aktienmarkt in China

Auch Bill Bishop fühlt sich an frühere Zeiten erinnert: „Es fühlt sich ein bisschen wie 2014 an, als der Markt in acht Monaten mehr als verdoppelte, bevor er abstürzte. Ich verstehe, warum es Skepsis gegenüber der aktuellen explosiven Rallye gibt.“

Michael Pettis, Professor für Finanzen an der Peking-Universität, warnt ebenfalls vor den Risiken: „Ein gut funktionierender und stabiler Markt wird von einer Vielzahl unkorrelierter Investitions- und Spekulationsstrategien angetrieben. In diesem Fall gab es jedoch nur eine Strategie: die staatliche Unterstützung des Marktes vorwegzunehmen. Das Problem dabei ist, dass, wenn alle dieselben Informationen auf dieselbe Weise interpretieren, der Markt in China entweder steil nach oben oder steil nach unten tendiert. Wir haben gesehen, wie das 2015 bis 2016 lief. Der Markt stieg um 150 %, sobald klar wurde, dass Peking alles tun würde, um ihn zu stützen. Doch als die Marktstimmung kippte, tat sie das erstaunlich schnell.“

Immobilienmarkt: Trotz Lockerungen bleibt der große Run aus

Es gibt reichlich Gründe für anhaltende Skepsis. Zwar senken die geldpolitischen Lockerungen die Kreditkosten, doch bleibt die Kreditnachfrage schwach. Haushalte und Unternehmen könnten weiterhin zögern, neue Kredite aufzunehmen, und Banken könnten zögern, diese zu vergeben. Ein Teil der zusätzlichen Liquidität könnte stattdessen in Staatsanleihen fließen, da es an attraktiven Investitionsmöglichkeiten in der Wirtschaft mangelt.

„Die Nachfrage nach Wohnraum wird sich wahrscheinlich nicht nur aufgrund niedrigerer Hypothekenzinsen und Anzahlungsanforderungen signifikant erholen. Nach dem großen Einbruch auf dem Immobilienmarkt hörten chinesische Haushalte auf, Wohnraum als bevorzugte Anlageklasse zu betrachten. Diese Wahrnehmung wird extrem schwer zu ändern sein.“, schreibt das chinesische Finanzmedium Caixin.

Ohne die strukturellen Probleme der Wirtschaft grundlegend anzugehen und zu marktliberaleren Maßnahmen zurückzukehren, könnten die neuen Instrumente der Zentralbank zur Unterstützung des Aktienmarktes das Risiko einer Blase bergen. Staatliche Unternehmen könnten zudem mehr von den Programmen der Zentralbank profitieren als private, da staatliche Banken weiterhin eine Voreingenommenheit zugunsten staatlicher Unternehmen zeigen.

Chen Wenjing, Forschungsdirektor bei China Index Holdings, äußerte sich zur Situation: „Im September haben Hauskäufer abgewartet und auf Immobilienstimulus gehofft. Die Aktivität auf dem Immobilienmarkt könnte im Oktober leicht zunehmen, doch weitere Lockerungen sind erforderlich, damit der Markt landesweit nicht weiter zurückgeht.“ Immobilienmarkt: Trotz Lockerungen bleibt der große Run aus.

Weitere Lockerungen am Immobilienmarkt

Über das Wochenende gab es weitere Signale aus Peking, dass Maßnahmen zur Stabilisierung des Immobilienmarktes geplant sind. Drei der größten Städte Chinas haben die Regeln für Hauskäufer gelockert, und die Zentralbank senkte die Hypothekenzinsen. Am Sonntag gaben die People’s Bank of China und die National Financial Regulatory Administration eine Welle neuer Maßnahmen zur Stabilisierung des Immobilienmarktes bekannt. Die Hypothekenzinsen für Erst- und Zweitwohnungen müssen bis zum 31. Oktober um mindestens 30 Basispunkte unter den Leitzins gesenkt werden, und das Mindestanzahlungsverhältnis für kommerzielle Wohnungsbaudarlehen wird auf nicht weniger als 15 % reduziert. Gleichzeitig lockerten Shanghai, Shenzhen und Guangzhou ihre Regeln für den Hauskauf, wobei Guangzhou sämtliche Beschränkungen aufhob.

Berichten zufolge erwägt die chinesische Führung die Ausgabe zusätzlicher spezieller Staatsanleihen im Wert von etwa 2 Billionen Yuan (ca. 260 Milliarden Euro), um den Konsum anzukurbeln und den lokalen Regierungen in China bei der Bewältigung ihrer Schulden zu helfen. Dieser fiskalische Stimulus wird als eher bescheiden eingeschätzt, könnte der Wirtschaft jedoch einen dringend benötigten Schub verleihen. Die Mittel werden voraussichtlich erst im Dezember verfügbar sein und wohl erst im nächsten Frühjahr vollständig eingesetzt.

Erste Anzeichen für den Erfolg der Maßnahmen könnten sich bereits während der Golden Week zeigen, wenn die Ausgaben der Verbraucher Hinweise auf die wirtschaftliche Stimmung liefern. Die Anfang November veröffentlichten Hauskaufzahlen werden zeigen, ob die Maßnahmen im Immobiliensektor Wirkung zeigen. Ob die Wirtschaft insgesamt eine nachhaltige Erholung erlebt, bleibt jedoch abzuwarten.

Ein erstes positives Signal zeichnet sich bereits ab: In Shanghai und Shenzhen haben die Verkäufe von Luxusimmobilien in den letzten Tagen deutlich zugenommen. Es scheint, als ob die „Stimulus-Bombe“ bei den Wohlhabenden zumindest gezündet hat – schließlich müssen auch die Reichen irgendwo ihr Geld investieren.



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