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Zwischen Anlocken und Abschrecken China zwischen Öffnung und Abschottung

China zwischen Öffnung und Abschottung
Foto: vom Autor mittels Cpüilot erzeugt

In einem wirtschaftlichen Balanceakt zwischen Anlocken und Abschrecken navigiert China durch eine Phase der Neuausrichtung: Während die Türen für ausländische Talente und Investitionen wieder geöffnet werden, wirft die Europäische Handelskammer ein kritisches Licht auf die Herausforderungen, die das Land für internationale Geschäfte bereithält.

Während der Höhepunkte der Corona-Pandemie waren Chinas Grenzen für Ausländer nahezu undurchdringlich. Eine Zeitlang war es fast unmöglich, Einlass zu finden. In dieser Phase der Isolation entschied sich ein beträchtlicher Teil der ausländischen Gemeinschaft dazu, das Land zu verlassen – eine Rückkehr steht für viele bis heute aus. Die Führung in Peking hat die Notwendigkeit erkannt, internationale Präsenz und Expertise wieder ins Land zu holen. Mit einer frischen Initiative strebt sie danach, Ausländer erneut für China zu begeistern. Gleichzeitig schlägt die Europäische Handelskammer Alarm und betont, dass es für ausländische Firmen „zunehmend schwieriger“ geworden ist, im Reich der Mitte Geschäfte zu tätigen.

China und seine neu Initiative für ausländische Investitionen

Nun unternimmt die Regierung in Beijing einen neuen Versuch, das Vertrauen internationaler Investoren wiederzugewinnen. Der chinesische Staatsrat stellte letzte Wochen einen Aktionsplan zur Förderung ausländischer Investitionen vor. Dieser Plan, zielt darauf ab, eine attraktive Investitionsmarke für China zu etablieren. Daten der chinesischen Devisenkontrollebehörde (SAFE) zeigen einen dramatischen Rückgang der Investitionen von im Ausland ansässigen Unternehmen um 80% im Jahr 2023.2 Mit netto 33 Milliarden US-Dollar betrugen sie so wenig, wie in den drei Jahrzehnten nicht mehr.

Der Plan umfasst eine Reihe von Maßnahmen, die darauf abzielen, den Marktzugang zu erweitern und die Liberalisierung ausländischer Investitionen zu verbessern. Zu den Kernpunkten gehören die Verfeinerung der Negativliste für ausländische Investitionen, die Einführung von Pilotprogrammen zur Förderung des Zugangs zu wissenschaftlichen und technologischen Innovationen und die Erweiterung der Beteiligungsmöglichkeiten für ausländische Finanzinstitute.

Des Weiteren wird politische Unterstützung in Form von steuerlichen Anreizen, Finanzierungsoptionen und Energieverbrauchsregelungen geboten, um China als Investitionsstandort noch attraktiver zu gestalten. Der Plan sieht auch vor, die Liste der Branchen und Projekte, die ausländische Investitionen anziehen sollen, zu erweitern. Besondere Beachtung finden dabei die Punkte 17 und 22 des Plans, die sich auf die Regelungen zum Transfer von Daten ins Ausland, insbesondere in die Hauptquartiere ausländischer Unternehmen, beziehen. Dies ist ein besonders sensibles Thema für ausländische Firmen, da das neue Anti-Spionage-Gesetz vorsieht, dass im Prinzip jeder Datenaustausch mit dem Ausland als „Spionage“ gewertet werden kann.

Wie wichtig Peking das Werben um internationale Investoren ist, lässt sich auch daran ablesen, in welchem Kontext die Ankündigung gemacht wurde. Am Wochenende fand das China Development Forum (CDF) in der Hauptstadt statt, an dem internationale Top-Führungskräfte wie der CEO von Apple Inc., Tim Cook, teilnahmen. Die Ankündigung des neuen Programms erfolgte wenige Tage vor diesem wichtigen Event. Zudem ist für diesen Mittwoch ein Treffen zwischen Generalsekretär Xi Jinping und US-amerikanischen Führungskräften geplant. Dieses ersetzt ein früher geplantes Treffen mit der Nummer 2, Premierminister Li Keqiang.

Die staatlichen Medien, allen voran die „Global Times“, feierten „Chinas Entschlossenheit, sich weiter zu öffnen.“ Sie verwiesen darauf, dass im Januar im Vergleich zum Vorjahresmonat 74.4% neue Firmen in China gegründet wurden – verschwiegen aber zu erwähnen, dass da der Reiseverkehr da noch stark eingeschränkt war.

Die Einführung der visafreien Programme durch China, die darauf abzielten, die internationale Mobilität zu fördern und die Wirtschaft zu beleben, hat nicht den erhofften Anstieg der Reisenachfrage bewirkt. China hat im letzten Jahr für die Staatsangehörigen zahlreiche europäische Länder, sowie mit Thailand und Singapur, die visafreie Einreise ermöglicht. Doch trotz dieser Maßnahmen, blieb die Anzahl der internationalen Flugbuchungen hinter den Erwartungen zurück.

Chinas Selbstreflexion: Attraktivität für Talente sinkt

Neben den Bemühungen, ausländische Investitionen anzuziehen, versucht China auch ausländische Talente in Form von Arbeitskräften und Studenten für sich zu gewinnen. Die aktuelle Lage ist jedoch ernüchternd und wirft ein Schlaglicht auf die Schwierigkeiten, die das Land in diesem Bereich zu bewältigen hat. Die Zahl der amerikanischen Studenten in China, die einst jährlich bis zu 15.000 betrug, ist auf nur noch 350 gesunken. Dieser drastische Rückgang lässt Chinas Ziel, in den nächsten fünf Jahren 50.000 Studenten aufzunehmen, wie Xi Jinping bei seinem Treffen mit Biden in San Francisco vereinbarte, als überaus ambitioniert, wenn nicht gar unrealistisch erscheinen. Auch die Zahl südkoreanischer Studenten, die lange Zeit die größte Gruppe ausländischer Studenten in China darstellte, hat seit 2017 um 78% abgenommen.

Während der „Zwei Sitzungen“, die Anfang März stattfanden, erörterte Professor Jia Qingguo von der Peking-Universität die Gründe für den drastischen Rückgang der Zahl internationaler Studenten in China und betonte die Notwendigkeit, diesen Trend umzukehren.4 Professor Jia Qingguo wies darauf hin, dass die Pandemie nicht als Hauptursache gelten könne, da sich die Zahlen internationaler Studenten in anderen Ländern bereits erholt haben. Stattdessen identifizierte er drei andere Faktoren: Erstens die Wahrnehmung, dass ein Studium in China für ausländische Studenten wenig vorteilhaft sei, zweitens die Reduzierung der Aktivitäten ausländischer Unternehmen aufgrund der schwächelnden chinesischen Wirtschaft und drittens die Herausforderungen in der akademischen Forschung und die Problematik der ideologischen Konformität.

Professor Jia Qingguo sprach allerdings nicht das offensichtliche Problem an: Chinas angeschlagenes Image in der entwickelten Welt, das sowohl im Westen als auch in Asien gelitten hat. Offen gesagt, erscheint China vielen Studenten und Arbeitnehmern nicht mehr als attraktives Ziel.

EU-Handelskammer warnt China vor Isolation

Dass es für Beijing nicht einfach sein wird, wieder attraktiver für Ausländer und ausländisches Kapital zu werden, verdeutlicht ein neuer Bericht der europäischen Handelskammer in China. Neben den geopolitischen Spannungen zwischen den USA und China einerseits und der EU und China andererseits und daraus resultierenden Strategien des „De-Couplings“ und „De-Risking“ sind es vor allem interne chinesische Themen, die das Land unattraktiver machen.

Die Abkopplung Chinas vom Weltmarkt, ein Prozess, der durch die jüngsten geopolitischen Spannungen beschleunigt wurde, stellt eine der zentralen Herausforderungen dar, mit denen sich ausländische Unternehmen konfrontiert sehen. In einem eigenen Ansatz des “De-Risking” setzt China zunehmend auf inländische Anbieter und strebt danach, ausländische Anbieter zu ersetzen. Diese Strategie, die darauf abzielt, die nationale Wirtschaft zu stärken und die Abhängigkeit von internationalen Anbietern zu reduzieren, führt langfristig zu einer weiteren Isolation.

Ein weiteres kritisches Thema ist die Diskrepanz zwischen verschiedenen Rechtsregimen. Unternehmen müssen sich in einem komplexen Geflecht aus lokalen Vorschriften und internationalen Standards zurechtfinden, was insbesondere im Bereich des Datenschutzes und der Technologietransfers zu Unsicherheiten führt. Die Anforderungen der EU an den Datenschutz stehen oft im Widerspruch zu den chinesischen Gesetzen, was Unternehmen vor schwierige Entscheidungen stellt.

Schließlich ist die Einhaltung der chinesischen Cybersicherheitsgesetzgebung eine weitere Hürde. Die strengen Vorschriften und Kontrollen, die den grenzüberschreitenden Datenverkehr betreffen, können die Geschäftstätigkeit internationaler Firmen erheblich beeinträchtigen. Die Nichtbeachtung dieser Gesetze kann zu schwerwiegenden Konsequenzen führen, wodurch das operative Risiko für Unternehmen steigt.

Chinas Januskopf: Investment locken, Politiker schocken

China präsentiert sich der internationalen Gemeinschaft weiterhin als ein Land der Gegensätze. Einerseits hat Beijing die essenzielle Bedeutung ausländischer Talente und Kapitalströme erkannt und zeigt sich bemüht, diese zu fördern. Andererseits scheinen die tatsächlichen politischen Maßnahmen und regulatorischen Rahmenbedingungen genau jene Annäherung zu untergraben. Es entsteht der Eindruck eines Landes, das zwischen Öffnung und Abschottung schwankt, zwischen dem Wunsch nach globaler Integration und dem Streben nach autarker Stärke. Diese Dichotomie stellt nicht nur für China selbst, sondern auch für potenzielle internationale Investoren eine komplexe Herausforderung dar.



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2 Kommentare

  1. Wer sind die vier Gäste auf dem Bild? Tim Cook, Li Qiang, und die beiden auf der linken Seite?

  2. @Werner

    Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind rein zufällig. Bei dem Treffen sollen den Gerüchten zufolge Evan Greenberg, Stephen Orlins und Craig Allen dabei sein. Tim Cook traf sich am Rande des CDF mit Li Qiang.

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