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Druck auf Kanzler wächst Deutschland: Scholz mit Selbskritik nach „ökonomischem Selbstmord“?

Schwache Wirtschaft macht ihn angreifbar

Deutschland - Scholz mit Selbstkritik

Olaf Scholz ist nicht bekannt für Äußerungen von Selbstzweifeln: Umso mehr nahm die Bevölkerung in Deutschland Notiz davon, als der deutsche Bundeskanzler zum ersten Mal äußerte, dass die Dinge nicht nach Plan liefen. Darüber berichtet Bloomberg.

Deutschland: Scholz endlich mit Selbstkritik?

Angesprochen auf die Unzufriedenheit in der Drei-Parteien-Koalition sagte Scholz der Wochenzeitung „Die Zeit“: „Als Kanzler trage ich Verantwortung für die Regierung. Punkt. Es wäre also absurd zu sagen, dass ich damit nichts zu tun habe“.

„Ist das eine Form der Selbstkritik?“, fragten die Reporter scheinbar ungläubig. „Ja“, antwortete der Bundeskanzler und überraschte damit die deutschen Bürger, die inzwischen daran zweifeln, dass er an sich selbst zweifeln kann.

Trotz einer kränkelnden Wirtschaft in Deutschland, einer selbstverschuldeten Haushaltskrise und Stimmenzuwächsen der extremen Rechten hat sich der Sozialdemokrat lange Zeit als ein Regierungschef präsentiert, der alles im Griff hat.

Nachdem das oberste deutsche Gericht seinen Haushalt für verfassungswidrig erklärt hatte, war seine erste Reaktion, auf „business as usual“ zu pochen. Als Demonstranten eine Rede, die Scholz in Cottbus hielt, durch Hupen übertönten, sagte er der versammelten Menge: „Wir leben in turbulenten Zeiten.“ Kritiker seiner Führungsqualitäten wies er mit der Bemerkung zurück, dass er kaum John Wayne sei.

Nach seinem jüngsten, unwahrscheinlichen Anflug von Zerknirschung dauerte es nicht lange, bis Scholz wieder im Teflon-Modus war. Die letzte Woche gab ihm Grund zur Freude: Deutschland hatte eine harte Linie gegenüber Ungarns Blockade des Hilfspakets, das die EU-Staaten für die Ukraine verabschieden wollten, eingeschlagen und Premierminister Viktor Orban mit ein wenig Hilfe seiner Amtskollegen zum Einlenken gebracht.

Auf den Sieg in Brüssel folgt diese Woche ein Besuch in Washington – das dritte Mal, dass US-Präsident Joe Biden Scholz seit seiner Wahl vor zweieinhalb Jahren empfängt. Das Mantra des US-Präsidenten – vergleiche mich nicht mit dem Allmächtigen, sondern mit der Alternative – ist dem Team des Bundeskanzlers bekanntlich lieb und teuer.

Doch die Probleme, die sich hinter seiner Führung verbergen, kann selbst ein Berufsoptimist kaum ignorieren. „Absturz eines Besserwissers“, titelte „Der Spiegel“ nach dem Haushaltsurteil und zeigte einen verärgerten Scholz mit seiner abgenutzten Aktentasche.

Darin bewahrt der Kanzler gerne Bücher von Autoren wie Richard Rorty auf, dessen „Pragmatismus als Anti-Authoritarismus“ er letztes Jahr las.

Unter dem Einfluss von Rorty hält Scholz an seinem Glauben an die Macht einer optimistischen Erzählung fest. „Die Mitglieder der Gesellschaft müssen in der Lage sein, sich selbst eine Geschichte darüber zu erzählen, wie alles besser werden kann“, zitiert Scholz auf seiner Website den amerikanischen Philosophen.

Schwache Wirtschaft in Deutschland macht Scholz angreifbar

Die Wirtschaft ist eine Sache, die den Rest des Landes davon abhält, sich darauf einzulassen. Kritiker und sogar Mitglieder seiner Partei befürchten, dass Scholz und sein innerer Kreis keinen Plan haben, wie sie die Dinge zum Besseren wenden können.

Im Fokus steht dabei besonders die Energiewende, über die ein angelsächsischer Hedgefondsmanager schrieb: „Deutschland hat quasi wirtschaftlichen Selbstmord begangen, indem es seine Wettbewerbsfähigkeit im Energiebereich aufgegeben hat. Die populistische Politik in Deutschland hat zu einer raschen Stilllegung von Kernkraftwerken und Wärmekraftwerken geführt, so dass Gaskraftwerke nun die einzige zuverlässige Quelle flexibler Energie sind, wenn die erneuerbaren Energien ausfallen.“

Durch eine Reihe von Krisen haben sich die deutschen Regierungen daran gewöhnt, sich von ihren eigenen Haushaltsregeln freizuhalten. Jetzt besteht die Krise darin, dass es keine gibt – zumindest nicht offiziell – und so muss sich die Regierung, gezwungen durch das Urteil des Obersten Gerichtshofs, an die üblichen strengen Grenzen für die Finanzierung durch Schulden halten. Das hat zu Rückforderungen geführt, die alle verärgern, von Landwirten bis hin zu Unternehmen, die sich für saubere Energie einsetzen wollen.

„Wir haben einfach kein Geld mehr“, sagte der SPD-Abgeordnete Carsten Schneider letzte Woche.

SPD wird nervös

Die Mitglieder der Partei von Scholz haben ihre eigenen Gründe für ihre Niedergeschlagenheit. Die Erosion der Macht des Kanzlers verunsichert die Abgeordneten seiner sozialdemokratischen Fraktion. Für sie erfordert der Absturz in den Umfragen eine Kehrtwende vor der Bundestagswahl 2025. Ihre Partei liegt in den Umfragen mit 14% nur an dritter Stelle.

Einige SPD-Kollegen erwarten, dass die Debatte über die Führung von Scholz nach September, wenn die AfD bei drei Regionalwahlen den ersten Platz belegen wird, einen fieberhaften Anstieg erreichen wird. Diese Kollegen teilten ihre Ansichten unter der Bedingung der Anonymität mit, wie auch andere, die mit Bloomberg für diesen Artikel sprachen.

In Thüringen könnte die SPD laut Umfragen sogar an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern und damit aus dem Landtag fliegen.

Der Kanzler müsse „einen Ausweg aus dieser fatalen Abwärtsdynamik finden“, sagte Philipp Türmer, Chef des SPD-Jugendflügels und einer der lautesten internen Kritiker von Scholz, dem RND – „statt weiter in einem Modus zu arbeiten, in dem sich keiner mehr traut.“

In seiner ersten Bundestagsrede in diesem Jahr, am Mittwoch, gelang es Scholz immerhin, mit scharfen Attacken gegen den konservativen Oppositionsführer Friedrich Merz die SPD wieder hinter sich zu scharen.

„Was hat Ihr politisches Programm eigentlich mit der Zukunft Deutschlands zu tun?“ brüllte Scholz Merz im Bundestag an. „Wirtschaftlicher Sachverstand: Null. Das ist die Wahrheit. Keine Perspektive für Deutschland. Keine industrielle Perspektive. Keine Perspektive für Arbeitsplätze.“

Die SPD-Abgeordneten bejubelten die kämpferische Rede des Kanzlers. Zumindest hat er eine offene Rebellion vorerst abgewendet.

Jüngste Vorwürfe über ein Treffen, bei dem der Rücktritt von Scholz diskutiert wurde, tat er als „Märchen“ ab.

Als die Zeit-Interviewer ihn daran erinnerten, dass selbst Papst Franziskus, der Stellvertreter Gottes auf Erden, „Momente des Zweifels und der Dunkelheit“ eingestehe, antwortete Scholz: „Ich habe auch Selbstzweifel. Aber Ihre Frage war, ob ich ans Aufhören gedacht habe.“

„Die Antwort ist: Nein.“

FMW/Bloomberg

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8 Kommentare

  1. Selbst der 46. US-Präsident Joseph Robinette Biden ist vergleichsweise ein kompetenterer Ölpolitiker als mein Bundeskanzler Olaf Scholz.

    1. Unabhängig davon, daß die Bundeskanzler Olaf Scholz-Bundesregierung/Koalition trotz der Tatsache, daß am den Heimatmärkten der Arabische Liga-Luftfahrtallianz Arab Air Carriers Organization keine Luftverkehrssteuer berechnet wird, im Rahmen des Bundeshaushaltes 2024 beabsichtigt, die wettbewerbsverzerrende, rein entfernungsbezogene Luftverkehrssteuer ein weiteres Mal zu erhöhen, und Bundesminister der Finanzen Christian Lindner somit auch bis auf weiteres steuerpolitisch nur noch von 12.30 Uhr bis halb eins glaubwürdig ist, nachdem er zuvor erklärte, keine Steuern erhöhen zu wollen, benötigt Lindner nunmehr Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Dr. Robert Habeck, um festzustellen, daß am Wirtschaftsstandort Deutschland steuerpolitischer Handlungsbedarf besteht/Quelle: Interview von Bundesminister der Finanzen Christian Lindner gegenüber n-tv-Fernsehen. Lindner ist Schatzkanzler, und hat im Zusammenhang mit dem Bundeshaushalt die gesamte Bundesregierung auf dem Schirm. Zudem hat er die Ressortverantwortung für die Steuerpolitik. Desweiteren gibt es einen Bundesministerium der Finanzen-Monatsbericht, der die jeweils aktuelle Wirtschaftslage thematisiert.

  2. Das ist bei Sozialisten so.
    Selbstkritik üben, und in den nächsten Tagen dem Bürger dann erzählen, dass sie jetzt aber auch Opfer bringen müssen, damit sein neuer „Durchblick“ nun finanziert werden kann.
    Es wird teuer werden.

    Viele Grüße aus Andalusien Helmut

  3. Moin, ich wusste gar nicht, dass die NPD (extreme Rechte) so stark zugelegt hat ?!? Gibt es dazu belastbares Zahlenmaterial ?

    1. jede wahl ist eine momentaufnahme, das kann sich alles ändern.

      1. smith,
        Sie haben Hemut offenbar falsch verstanden. Es geht nicht um zukunftsträchtige Konzepte. Man will lediglich die gegenwärtige Machtposition erhalten, indem mit dem Blick auf die Zukunft von den aktuellen Missständen abgelenkt wird. Man hat es zwar offenkundig bisher falsch gemacht, hält die Trottel jedoch damit hin, aus den Fehlern angeblich gelernt zu haben und sich damit über die Runden retten zu können. Soll doch die Zukunft zeigen, dass man wieder versagt hat, egal. Hauptsache ist, man verteidigt seinen Posten und seine Pensionsansprüche.

  4. Das war in der UDSSR und in der DDR auch so.
    Erst wurde auf den Parteitagen Selbstkritik geübt, und dann wurde der neue Fünfjahresplan vorgestellt.
    Das Ergebnis war, das die Wirtschaft immer weiter den Bach abging.

    1. ja, trotzdem ist es täglich ja möglich, dass sich geschichte nicht gleicht sondern nur reimt – energiewende und umweltschutz sind ja prinzipiell nichts schlechtes, es ist die punktwende, die vieles übers knie brechen lässt und das ist schlecht. gut gedacht und schlecht gemacht. und immer radikalere ziele auszurufen ist eben auch keine lösung, wir brauchen eine lösung. und nicht jedes konzept ist eine echte strategie :D und gut ist allein was machbar ist, das wird uns die zukunft schon zeigen! und daran muss man es dann auch messen.

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