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Wie ein Wetterphänomen unseren Wohlstand bedroht El Niño verursacht Billionen an Einkommensverlusten

Die zunehmende Häufigkeit des Phänomens El Niño verursacht Billionen an Einkommensverlusten. Hier dazu eine Erläuterung.

Ausgetrockneter See kann eine Folge des El Niño sein.
Ausgetrockneter See. Foto: Stefan Kühn CC BY-SA 3.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/

Nach neuesten Berechnungen könnte der sich gerade entwickelnde El Niño weltweit Schäden von mehreren Billionen US-Dollar verursachen.
Aktuell bildet sich vor der tropischen Pazifikküste Südamerikas der El Niño, ein Naturphänomen, das in der Vergangenheit etwa alle sieben Jahre auftrat. Normalerweise bewegen sich die Passatwinde von der Pazifikküste in westliche Richtung. Dadurch wird das Wasser vor Südamerika ebenfalls nach Westen transportiert, und kühles Wasser strömt aus der Antarktis heran. Entwickelt sich ein El Niño, kommen die Passatwinde zum Stillstand oder kehren sich sogar um. Dies führt dazu, dass die Meeresströmung zum Erliegen kommt. Das warme Wasser wird nicht mehr abtransportiert und erwärmt die darüber liegende Luft. Das verdunstende Wasser regnet infolgedessen über Südamerika ab, während in Asien der Niederschlag ausbleibt. Da die Hochphase dieses Phänomens um Weihnachten eintritt, wird es von den Fischern „El Niño“, das Christkind, genannt. In der wissenschaftlichen Literatur wird es als El Niño-Southern Oscillation oder ENSO bezeichnet.

Ein Super- El Niño kündigt sich an

Die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) warnt nun, dass der El Niño, der sich vor der Küste Südamerikas entwickelt, zu einem Super El Niño wird und seine Auswirkungen bis weit in das Jahr 2024 anhalten werden. Diese Auswirkungen variieren je nach Region. In Südostasien, dem südlichen Afrika und Australien wird es in der Regel trockener und heißer, was das Risiko von Waldbränden und Buschbränden erhöht. Ähnliche Bedingungen werden auch in Brasilien, dem nördlichen Teil Südamerikas und dem mittleren Westen der USA erwartet. El-Niño-Jahre bedeuten oft gute Getreideernten in dieser Region. Im Gegensatz dazu wird es in Ostafrika, das gerade unter einer verheerenden Dürre gelitten hat, feuchter. Ebenso steigt die Feuchtigkeit an der Westküste Nord- und Südamerikas sowie vor der Südspitze Indiens um Sri Lanka. Die Gefahr von Hurrikanen im Golf von Mexiko und im Atlantik nimmt aufgrund geringerer Feuchtigkeit und stärkerer Scherwinde ab. Im Pazifik hingegen steigt die Bedrohung durch gefährliche Stürme.

Einkommensverluste im Billionen-Bereich

El Niño sorgt nicht nur für veränderte Niederschläge oder Dürren, sondern verursacht auch massive wirtschaftliche Schäden. In einer neuen Studie haben Forscher des Dartmouth College versucht, die wirtschaftlichen Auswirkungen vergangener El Niños zu berechnen. Dabei zeigen sie, dass der El Niño von 1982/83 weltweit Einkommensverluste von 4,1 Billionen US-Dollar verursacht hat, während der El Niño von 1997/98 sogar Verluste in Höhe von 5,7 Billionen US-Dollar verursachte. Angesichts der Tatsache, dass die Welt, insbesondere in Asien, stärker vom kommenden El Niño betroffen sein wird, werden die Verluste voraussichtlich noch höher ausfallen.

Steigende Nahrungsmittelpreise

Die finanziellen Auswirkungen machen sich bereits bemerkbar. Indien hat die Exporte von Zucker bis Ende September um knapp 50% im Vergleich zum Vorjahr reduziert. Seit Anfang Oktober dürfen keine Zuckerexporte aus Indien mehr getätigt werden. Grund hierfür sind die um etwa 20% geringeren Niederschläge. Indien hat auch ein Exportverbot für Bruchreis verhängt und die Zölle für Nicht-Basmati-Reis erhöht. Indien ist für mehr als 40% der weltweiten Reisexporte verantwortlich. Als Folge steigen die Reispreise der anderen großen Export Ländern wie Thailand, Vietnam, Pakistan und Myanmar. Jene Länder, die auf Importe angewiesen sind, wie China oder Indonesien, sind von diesen Entwicklungen besonders betroffen. Darüber hinaus führen Dürren, wie in Indonesien, zu teureren Reispreisen. Die US-Investmentbank Morgan Stanley schätzt, dass ein Großteil der Anbauflächen für Weizen (44%), Reis (43%) und Mais (32%) ein hohes Dürrerisiko aufweist.

Der ungewöhnlich heiße und trockene Sommer in den USA hat die Preise für Orangensaft in den letzten Monaten in Deutschland um 78% erhöht. Die Dürre in Spanien hat den Preis für Olivenöl verdoppelt. Kaffee und Kakao sind weitere Lebensmittel, bei denen potenziell höhere Preise aufgrund von El Niño zu erwarten sind.

Nadelöhr Panama-Kanal

In diesem Jahr hat sich der Panama-Kanal zum Nadelöhr entwickelt. Durch ausbleibende Niederschläge während der Regenzeit steht nicht ausreichend Wasser zur Verfügung, um den Kanal in seiner vollen Kapazität zu betreiben. Der Kanal liegt im Landesinneren etwa 20 Meter höher als an den Ausfahrten. Daher geht bei jedem Öffnen der Schleusen Wasser verloren, das aus Stauseen im Landesinneren stammt. Um dies zu verhindern, dürfen weniger Schiffe den Kanal passieren und weniger Fracht befördern. Wenn die Anzahl der Container abnimmt, steigen die Kosten für den Transport von Waren. Auch die Kanalbehörde hat ihre Gebühren verdreifacht. Da weniger Schiffe pro Tag den Kanal passieren können, hat sich ein Stau auf beiden Seiten des Kanals gebildet, der zeitweise 160 Schiffe umfasste. Um schneller durch den Kanal zu gelangen, zahlen Reeder Millionenbeträge, um andere Schiffe zu überholen. Etwa 58% der Güter, die von Asien in die USA verschifft werden, müssen durch den Kanal. Dies führt zu höheren Preisen für Endverbraucher.

Klimawandel verändert die El Niño-Dynamik

Aufgrund des Klimawandels scheint sich das Muster des El-Niño/ENSO-Phänomens geändert zu haben. Forscher berichten von einem signifikanten Anstieg der Häufigkeit von El Niños im Zentralpazifik seit 1980. Im Vergleich zum Zeitraum vor Aufzeichnungen hat sich die Anzahl dieser Ereignisse mehr als verdoppelt, von durchschnittlich 3,5 auf neun El Niños alle 30 Jahre. Gleichzeitig hat die Häufigkeit von Ostpazifik-El Niños leicht abgenommen, aber wenn sie auftreten, sind sie wesentlich intensiver. Diese Ereignisse führen zu stärkeren Anstiegen der Meerestemperaturen als in früheren Jahrhunderten. Es ist daher nicht überraschend, dass die letzten drei Vorkommnisse dieses Typs – 1982, 1997 und 2015 – die stärksten klimatischen Schwankungen dieser Art in den letzten 400 Jahren darstellten.

Wenn El Niño verstärkt auftritt oder häufiger in verschiedenen Teilen der Welt, werden die wirtschaftlichen Auswirkungen teurer und häufiger. Angesichts dieser Entwicklungen erscheinen die Kosten für Maßnahmen zur Bekämpfung des vom Menschen verursachten Klimawandels weitaus geringer als die Schäden, die durch extreme Wetterphänomene wie El Niño entstehen.



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