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Günstige Aktien entdecken? Europäische Baustoffaktien – das unerkannte Potenzial für Anleger

2 Billionen Dollar Infrastruktur-Offensive in den USA uvm - europäische Baustoffaktien wirken viel billiger als amerikanische.

Abladen von Baustoffen
Abladen von Baustoffen. Photographer: Jeoffrey Guillemard/Bloomberg

Träumt nicht jeder Anleger davon unterbewertete Aktien zu entdecken, bevor die große Masse der Anleger aufspringt und den Kurs hochtreibt, wodurch die Bewertung dann wieder vergleichbar ist mit anderen Aktien? Ohne hier eine Anlageberatung geben zu wollen, kann man auf objektive Fakten schauen wie das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) bei Baustoffaktien aus den USA im Vergleich zu Konkurrenten aus Europa. Man denke da an Heidelberg Materials oder Holcim? Womöglich haben US-Anleger europäische Konkurrenten noch nicht so richtig im Blick? Schauen wir uns das genauer an.

Baustoffaktien aus Europa günstiger bewertet als die amerikanische Konkurrenz

Um die Infrastruktur der Vereinigten Staaten wiederherzustellen und ihre Industrie neu auszurichten, braucht es riesige Mengen an Steinen. Von der 2-Billionen-Dollar-Investitionsoffensive von US-Präsident Joe Biden profitieren daher auch die Anbieter von Zement und Zuschlagstoffen wie Sand, Kies und Schotter. Europäische Branchenriesen könnten an diesem Boom noch stärker mitnaschen, wenn diese Baustoffaktien an der Wall Street präsent wären. Bloomberg dazu: Heidelberg Materials, die Schweizer Holcim und CRH aus Irland machen zwar zunehmend Geschäft in den USA, werden an der Börse aber nur mit einem Bruchteil dessen bewertet, was ihre Konkurrenten an der Wall Street erreichen. Eine Börsennotierung in New York, wie sie CRH kürzlich vorgenommen hat, könnte die Anleger dazu bringen, sich die Unternehmen einmal anzuschauen.

Bauausgaben steigen in den USA seit Jahren massiv

Amerikanische Anbieter mit hohen KGVs

Das grobe Geschäftsmodell der Branche ist simpel: Sie bauen Gestein ab und verarbeiten es zu Asphalt und Beton für Straßen, Brücken und Gebäude. Das mag langweilig klingen, in den USA aber begeistern Baustoffkonzerne wie Martin Marietta Materials, Vulcan Materials und Summit Materials die Investoren. Die Aktie von Martin Marietta hat in diesem Jahr bisher 34% zugelegt und wird mit dem 25-fachen des geschätzten Firmengewinns gehandelt. Bei Vulcan liegt das KGV sogar bei über 30.

Gute Voraussetzungen für stabile Geschäfte

Die Werte dürften recht rezessionsresistent sein, da die Flaute beim Wohnungsbau in den USA durch einen Boom bei öffentlicher Infrastruktur und anderen Bausegmenten ausgeglichen wird. Die Preismacht der Firmen ist überraschend groß: An den Gesamtbaukosten haben die von ihnen gelieferten Materialien oft nur einen kleinen Teil, was Preiserhöhungen erleichtert. In letzter Zeit waren viele Bauunternehmer gezwungen, zwei Preiserhöhungen pro Jahr zu akzeptieren.

Baustoffe werden in der Nähe ihrer Absatzmärkte produziert, da ihr Gewicht den Transport über weite Strecken unwirtschaftlich macht. Bauunternehmer können daher oft nicht aus einer besonders großen Zahl von Anbietern auswählen. Strenge Umweltvorschriften schränken zudem den Aufbau neuer Kapazitäten in der Nähe dicht besiedelter Gebiete ein – und an Alternativmaterialien mangelt es.

US-Erzeugerpreise für Baustoffe steigen kräftig

CRH hat Hauptnotierung nach New York verlagert

Die Preise für Zuschlagstoffe und Zement von Martin Marietta waren im dritten Quartal um etwa ein Fünftel höher als im Vorjahreszeitraum. Dies verhalf dem Unternehmen zu einer robusten operativen Umsatzrendite von 28% — einem Wert weit über dem Niveau vor der Pandemie. Investoren in den USA neigen allerdings dazu, ausländische Unternehmen zu übersehen, die ähnliche Merkmale aufweisen — obwohl sich mehr als 80% der US-Zementkapazität in ausländischem Besitz befindet. Die Dubliner CRH hatte es jetzt satt, ignoriert zu werden und verlegte ihre Hauptnotierung im September von London nach New York.

Als größtes Baustoffunternehmen Nordamerikas erzielte CRH vergangenes Jahr in den USA einen Umsatz von 19 Milliarden Dollar (58% des Gesamtumsatzes), so dass eine Bewertung gerechtfertigt erscheint, die eher derjenigen der US-Konkurrenz entspricht. Die künftige Aufnahme in US-Börsenindizes wie den S&P 500 könnte dazu beitragen, die gewünschte Neubewertung dieser Baustoffaktien zu erreichen. CRH hat derzeit eine Marktkapitalisierung von 42 Milliarden Dollar. Aufwärtspotenzial scheint vorhanden: Trotz des 50%-Kursanstiegs in diesem Jahr notieren die Aktien nur beim 14-fachen des erwarteten Konzerngewinns (KGV).

Europäische Baustoffaktien sind billiger bewertet als amerikanische

Holcim und Heidelberg Materials mit viel US-Anteil, aber ohne US-Notierung

Die Schweizer Holcim und die deutsche Heidelberg Materials (bis vor kurzem noch als HeidelbergCement bekannt) sagen, dass sie keine Pläne für eine Börsennotierung in den USA haben. Sie sollten die Idee aber ernsthaft in Erwägung ziehen, da der Status quo nicht funktioniert. In den USA sind beide Akteure stark engagiert. Holcim ist auf dem Weg, in diesem Jahr 40% des Umsatzes in Nordamerika zu erwirtschaften. Bei Heidelberg Materials liegt der Anteil bei fast einem Viertel. FMW: Haben europäische Baustoffaktien also Potenzial, bei starkem US-Geschäft und niedrigem KGV? Heidelberg liegt immerhin gerade mal bei 6,9, sehr niedrig! Bloomberg schreibt weiter: “Unsere Position in den USA spiegelt sich nicht ausreichend — überhaupt nicht — in der Entwicklung unseres Aktienkurses wider”, räumte Heidelberg-Chef Dominik von Achten in diesem Monat ein, als er von Analysten auf die enttäuschende Bewertung und mögliche strategische Schritte zur Lösung des Problems angesprochen wurde.

Ein niedriger Aktienkurs ist eine schlechte Akquisitionswährung und würde Übernahmen in den USA vergleichsweise teuer machen. Heidelberg Materials war am Kauf von Summit interessiert und hat dem Vernehmen nach kürzlich zwei erfolglose Offerten vorgelegt, wie Bloomberg letzten Monat berichtete (Summit versucht auch, sich im Inland durch eine 3,2 Milliarden Dollar schwere Übernahme der US-Einheit des kolumbianischen Unternehmens Cementos Argos zu vergrößern, die es teilweise mit Aktien zu finanzieren plant).

Europäische Baustoffaktien attraktiv

Attraktiv sind europäische Baustoffaktien indessen nicht nur als billiger Weg für Investments mit Blick auf die USA. Die Firmen diesseits des Atlantiks machen Tempo bei der Dekarbonisierung. Die energieaufwändige Zementproduktion ist eine der wichtigen Ursachen die Erderwärmung und die Unternehmen werden in der Lage sein, Preisaufschläge für Beton zu verlangen, der mit niedrigen Emissionen hergestellt wurde.

Neben dem Baustoffgeschäft baut CRH auch Straßen, Holcim verfügt über ein schnell wachsendes Geschäft mit Bedachungen. Zudem legen die Firmen mehr Wert auf einträgliche Preise als auf höhere Absatzmengen. Daher sind ihre Gewinne auch solide geblieben, als die Bautätigkeit in Europa zurückgegangen ist. Holcim-CEO Jan Jenisch erklärte den Anlegern letzten Monat, dass das Unternehmen nicht länger als zyklisches Unternehmen betrachtet werden sollte. Das ist zwar ein verlockendes Szenario, eine Notierung der Aktie in den USA wäre aber noch verlockender.

Risikohinweis
Der Handel mit Wertpapieren und Finanzinstrumenten kann Ihr Kapital erheblichen Risiken aussetzen, unter Umständen auch über das eingesetzte Kapital hinaus. Börsenhandel ist nicht für jeden geeignet. Vergangene Performance ist keine Garantie für zukünftige Performance. Die hier gezeigten Analysen stellen keine Anlageberatung dar und sind daher auch keine Empfehlung zum Kauf bzw. zum Verkauf eines Wertpapiers, eines Terminkontraktes oder eines sonstigen Finanzinstrumentes. Die bereitgestellten Analysen sind ausschließlich zur Information bestimmt und können ein individuelles Beratungsgespräch nicht ersetzen. Eine Haftung für mittelbare und unmittelbare Folgen aus diesen Vorschlägen ist somit ausgeschlossen.

FMW/Bloomberg



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