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EZB hat die Zinsen gesenkt – das sagen aktuell Experten

Experten beurteilen aktuell die von der EZB heute gesenkten Zinsen. Wir zeigen hier Aussagen von Bloomberg, Commerzbank, ifo und DIHK.

Euro-Geldscheine
Foto: Wirestock-Freepik.com

Die EZB hat heute um 14:15 Uhr Zinssenkungen bekanntgegeben, als zweiten Schritt nach der ersten Senkung im Juni. Die Zinsen sinken jetzt aber unterschiedlich stark. Der Einlagensatz sinkt um 0,25 Prozentpunkte, und die Zinsen für Hauptrefinanzierungsgeschäfte wie auch die Marginal Lending Facility sinken um jeweils 0,60 Prozentpunkte. Im Chart sehen wir seit dem Jahr 2016 den Verlauf der Zinsen für Hauptrefinanzierungsgeschäfte und den Einlagensatz. Nachfolgend zeigen wir dazu aktuelle Expertenaussagen.

Grafik zeigt Verlauf der EZB-Zinsen seit dem Jahr 2016

EZB senkt Zinsen – ifo nennt Zinssenkung „vertretbar“

Das ifo-Institut sagt aktuell zu denk gesenkten Zinsen: Der ifo-Präsident Clemens Fuest hat die Zinssenkung der EZB als „vertretbar“ bezeichnet. „Angesichts der sinkenden Inflation in den letzten Monaten und schwacher Konjunkturaussichten kann man eine Lockerung der Geldpolitik rechtfertigen. Allerdings ist zu beachten, dass die Inflation im Dienstleistungssektor noch über vier Prozent liegt. Insofern bleiben Inflationsrisiken. Weitere Zinssenkungen erscheinen nur dann angemessen, wenn der Rückgang der Inflation sich fortsetzt. Unmittelbare Auswirkungen auf die Konjunktur wird diese Zinssenkung nicht haben, weil sie an den Märkten schon eingepreist war.“

DIHK: Zinssenkung ist eine gute Entscheidung

Angesichts der anhaltenden wirtschaftlichen Flaute in Deutschland ist die Zinssenkung der EZB um einen Viertelprozentpunkt eine gute Entscheidung, so sagt es einer der führenden Wirtschaftsverbände in Deutschland, der DIHK. Nachdem die Inflation deutlich zurückgegangen ist, sei eine Lockerung der bisher restriktiven Geldpolitik gerechtfertigt. Im Auge behalten solle man allerdings, dass die Kerninflationsrate, bei der Preise von Lebensmitteln und Energie ausgeklammert bleiben, zuletzt sogar wieder etwas gestiegen ist.

Sinn macht die Zinssenkung laut DIHK aber vor allem, weil sich die deutsche Wirtschaft in einer hartnäckigen Stagnation befindet. Man habe schon zu Beginn des Jahres eindringlich davor gewarnt, dass ohne durchgreifende Maßnahmen, mit denen die Rahmenbedingungen der hiesigen Unternehmen verbessert werden, ein weiteres schwieriges Jahr droht. Jetzt sehe es so aus, dass auch 2024 ein Jahr ohne Wachstum sein wird, vielleicht sogar wie 2023 ein Jahr mit sinkendem Bruttoinlandsprodukt. Dabei macht laut DIHK vor allem Sorge, dass das Verarbeitende Gewerbe und die Bauwirtschaft schrumpfen. Die Bruttoanlageninvestitionen gehen insgesamt zurück. Die aufgrund der hohen Unsicherheiten – auch verursacht durch eine nicht auf Wachstum ausgerichtete Wirtschaftspolitik – ausbleibenden privaten Investitionen seien das zentrale Problem. Die Senkung der Zinsen helfe jetzt, weil die Finanzierungsbedingungen für Investitionen etwas günstiger werden. Die Bundesregierung sei aber nach wie vor gefordert, ihre Politik endlich auf einen klaren, spürbaren Wachstumskurs auszurichten.

Commerzbank: Wohl keine EZB-Zinssenkung bereits im Oktober

Dr. Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, schreibt aktuell (hier nur die Headline-Aussage): Auf der heutigen Pressekonferenz erweckte die EZB den Eindruck, ihre Leitzinsen nicht bereits im Oktober erneut senken zu wollen. EZB-Präsidentin Lagarde spielte die Bedeutung einer Inflationsrate von unter 2% im September herunter. Die nach wie vor zu hohe unterliegende Inflation und die stark steigenden Löhne sprechen nach unserer Meinung ohnehin dafür, dass die EZB mit der nächsten Zinssenkung bis zum Dezember wartet, wenn ihr die neuen Projektionen für die Inflation vorliegen. Für die erste Hälfte des kommenden Jahres erwarten wir nach wie vor zwei weitere Zinssschritte, Mitte 2025 dürfte der Einlagensatz bei 2,75% liegen.

Einordnung von Bloomberg

Die Europäische Zentralbank hat zum zweiten Mal in diesem Jahr die Zinssätze gesenkt, da die Inflation in Richtung 2 % zurückgeht und die Sorgen um die Wirtschaft zunehmen, so schreibt es Bloomberg aktuell. Weiter wird berichtet: Der Leitzins für Einlagen wurde um 25 Basispunkte auf 3,5 % gesenkt – wie von allen von Bloomberg befragten Analysten vorhergesagt. Die EZB betonte erneut, dass sie sich nicht auf einen bestimmten Kurs für die Zinsen festlegen kann.

„Wir bleiben datenabhängig“, sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde vor Reportern in Frankfurt und fügte hinzu, dass die Entscheidung vom Donnerstag einstimmig gefallen sei. „Das ist angesichts der Unsicherheit, die herrscht, besonders gerechtfertigt.“ „Ein Abwärtspfad ist nicht vorherbestimmt“, sagte sie. „Weder in Bezug auf die Reihenfolge, noch in Bezug auf das Volumen.“

Die Händler haben ihre Wetten auf eine weitere Lockerung etwas zurückgenommen und rechnen nun mit 36 Basispunkten mehr bis zum Jahresende. Das bedeutet, dass eine weitere Zinssenkung um einen Viertelpunkt vollständig eingepreist ist, und die Wahrscheinlichkeit eines weiteren solchen Schrittes weniger als 50 % beträgt.

Wie die anderen Zentralbanken der Welt, wird auch die EZB immer zuversichtlicher, dass das Verbraucherpreiswachstum nach seinem historischen Anstieg wieder auf das Zielniveau zurückkehrt. Die Wirtschaft der 20 Länder der Eurozone verliert jedoch an Schwung. DiePrivathaushalte können den Anfang des Jahres begonnenen Aufschwung nicht unterstützen, und die Hersteller befinden sich aufgrund der schwachen Nachfrage von außerhalb des gemeinsamen Währungsgebiets weiterhin in einer Flaute.

Diese Schwäche veranlasste die EZB, ihre Prognosen für das Bruttoinlandsprodukt in den Jahren 2024, 2025 und 2026 nach unten zu korrigieren. Sie geht nun von einem Wachstum von 0,8 % in diesem Jahr aus, verglichen mit 0,9 % in der letzten Runde der vierteljährlichen Prognosen. Die Inflationsaussichten blieben weitgehend unverändert.

„Der Aufschwung ist mit einigem Gegenwind konfrontiert“, sagte Lagarde und betonte, dass die Risiken nach wie vor eher nach unten gerichtet sind. „Die allmählich nachlassende Wirkung der restriktiven Geldpolitik dürfte den Konsum und die Investitionen stützen.“

Zur Inflation sagte sie, dass die Lohnsteigerungen hoch und unbeständig bleiben werden, auch wenn sich der Anstieg der Arbeitskosten insgesamt abschwächt. Ebenfalls heute wurden zwei weitere Zinssätze, zu denen sich die Banken bei der EZB Geld leihen können, um jeweils 60 Basispunkte gesenkt, und zwar im Rahmen einer langfristigen Strategieänderung, die kaum unmittelbare Auswirkungen haben wird.

Die Entscheidungen der EZB zu sinkenden Zinsen erfolgen weniger als eine Woche, bevor die US-Notenbank mit der Lockerung der Geldpolitik beginnen wird. Die Bank of England, die bisher einmal die Zinsen gesenkt hat, tagt einen Tag später.

Die Ankündigung der EZB folgt auf einen Rückgang der Inflation auf 2,2 % im August und auf Zahlen, die zeigen, dass die raschen Lohnsteigerungen, die den Preisanstieg – insbesondere im Dienstleistungssektor – antreiben, sich verlangsamen. Der Anstieg des Arbeitnehmerentgelts je Arbeitnehmer – ein umfassendes Maß für die Entlohnung der Arbeitnehmer – ging im zweiten Quartal auf 4,3 % zurück, gegenüber 4,8 % im ersten Quartal.

„Auf der Grundlage der aktualisierten Bewertung der Inflationsaussichten, der Dynamik der zugrunde liegenden Inflation und der Stärke der geldpolitischen Transmission durch den EZB-Rat ist es nun angemessen, einen weiteren Schritt zur Mäßigung des Grades der geldpolitischen Restriktion zu unternehmen“, so die EZB in einer Erklärung.

Die Gefahr ist jedoch noch nicht gebannt: Das Wachstum der Dienstleistungspreise hat sich im August sogar auf 4,2 % beschleunigt. Auch wenn die Olympischen Spiele in Paris wahrscheinlich zu diesem Anstieg beigetragen haben, sind einige Direktoren noch nicht bereit, den Sieg über die Inflation zu verkünden.

Grafik zeigt Entwicklung der Inflation in der Eurozone

Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel sagte, Zinssenkungen könnten nicht mechanisch erfolgen und müssten „auf Daten und Analysen beruhen.“ Chefvolkswirt Philip Lane sagte, die Rückkehr zu 2 % sei noch nicht „gesichert“, obwohl er warnte, dass hohe Kreditkosten die Wirtschaft nicht abwürgen dürften.

Mehrere seiner Kollegen teilen diese Befürchtung. Der Portugiese Mario Centeno befürchtet eine Rückkehr zu den Zeiten vor der Covid-Krise, als die Inflation unter dem Zielwert lag. Bei einer der letzten Datenveröffentlichungen vor der Sitzung in dieser Woche wurde der Anstieg des BIP im zweiten Quartal von 0,3 % auf 0,2 % nach unten korrigiert.

Das schleppende Wachstum in Europa könnte noch lange anhalten, warnte der ehemalige EZB-Chef Mario Draghi diese Woche. In einem lang erwarteten Bericht stellte er eine Reihe von Abhilfemaßnahmen vor, obwohl seine kostspieligeren Empfehlungen von Deutschland sofort abgelehnt wurden.

Im Moment sind die Aussichten für die Zinsen zumindest einigermaßen vorhersehbar. Die von Bloomberg befragten Analysten rechnen mit vierteljährlichen Zinssenkungen bis September 2025. Aufgrund der schwachen Konjunktur machen sich jedoch Zweifel breit. Goldman Sachs prognostiziert nun Senkungen bei jeder Sitzung im nächsten Jahr, bis der Einlagensatz im Juli 2 % erreicht.

FMW/Bloomberg



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