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Höhepunkt im Juli EZB wird auf „goldrichtigem Zinspfad“ gesehen – noch zwei Zinsschritte

Laut befragten Volkswirten steuert die EZB auf den "goldrichtigen" Pfad zu in Sachen Zinsen. Im Juli soll der Höhepunkt erreicht sein.

Die Zinsen in der Eurozone wurden in den letzten zwölf Monaten sehr schnell angehoben. Der Leitzins stieg von 0 auf jetzt 3,75 %, und der Einlagensatz von -0,50 % auf 3,25 %, siehe folgender Chart. Wie geht es in den nächsten Wochen und Monaten weiter? Hier eine Aussicht: Die Europäische Zentralbank (EZB) steuert nach Ansicht von Bloomberg befragter Volkswirte in den nächsten Wochen auf die richtigen geldpolitischen Schritte zu. Demnach wird der Höhepunkt ihrer beispiellosen Straffung im Juli erreicht werden. Nach zwei weiteren Zinsschritten von je einem Viertelpunkt nächste Woche und im Juli wird der Einlagensatz der EZB voraussichtlich fast ein Jahr lang bei 3,75% bleiben, damit die Inflation — die immer noch mehr als das Dreifache des Zielwerts beträgt — nachhaltig zurückgeht. Nur sieben von 42 Befragten rechnen mit einer dritten Anhebung auf 4 % im September.

EZB-Leitzins und Einlagenzins seit 2020

Noch zwei Zinsanhebungen – Expertenaussagen zur Zinspolitik der EZB

Die Umfrage signalisiert das gewachsene Vertrauen der Ökonomen in die EZB, nachdem sie lange Zeit der Meinung waren, dass die EZB bei der Bewältigung des größten Inflationsschocks der Euro-Ära hinterherhinke. Der Optimismus impliziert, dass die Inflation sich wieder auf 2 % einpendeln kann, ohne dass die Eurozone in einen größeren Abschwung gerät — das sogenannte Goldilocks-Szenario, das die Zentralbanken in aller Welt unbedingt erreichen wollen.

Umfrage zu EZB-Zinsen

Sobald die Zinserhöhungen abgeschlossen sind, wollen die Währungshüter dieses Zinsniveau über einen längeren Zeitraum beibehalten, damit es nicht zu einem erneuten Preisanstieg kommt. Dies reibungslos zu bewerkstelligen, könnte noch schwierig werden. “Die größte Herausforderung für die EZB besteht darin, den Wechsel von ‘wie hoch’ zu ‘wie lange’ zu kommunizieren”, so Carsten Brzeski, Leiter des Bereichs Makro bei ING. “Da wir uns dem Ende des Zinserhöhungszyklus nähern, werden diese Kommunikation und auch die Reaktionsfunktion, die genau diesen Übergang erklären kann, entscheidend sein.”

Entwicklung und Aussicht für EZB-Einlagenzins

Dabei haben die EZB-Ratsmitglieder den Inflationsausblick, die zugrunde liegenden Preistrends und die Auswirkungen früherer Erhöhungen auf die Wirtschaft im Auge. Sie werden nächste Woche auch neue Stabsprognosen zu verarbeiten haben, nachdem sich am gestrigen Donnerstag gezeigt hat, dass die Eurozone eine leichte Winterrezession erlitten hat.

Die befragten Volkswirte erwarten keine größeren Änderungen an den Prognosen. Während einige Revisionen für dieses und nächstes Jahr zu erwarten sind, werden die Prognosen für 2025 wahrscheinlich bestätigt. “Der Markt wird sich auf die Hinweise konzentrieren, die die EZB geben wird”, sagte Piet Christiansen, Chefstratege der Danske Bank. “Die neuen Stabsprojektionen werden eine wichtige Rolle spielen, wenn es darum geht, die Basis für diese Prognose zu bilden.”

Umfragedetails zu Inflation und BIP

Angesichts der rückläufigen Inflation und des zunehmenden Gegenwinds für die Wirtschaft haben die Märkte ihre Wetten auf eine Anhebung der EZB-Leitzinsen um einen Viertelpunkt im Juli zurückgeschraubt, wobei die eingepreiste Wahrscheinlichkeit immer noch bei 80% liegt. Neben den Preisen deuten auch die Kreditvergabe, die Kreditbedingungen und die Nachfrage darauf hin, dass die Straffungsmaßnahmen der EZB eine gewisse Wirkung zeigen, auch wenn die Arbeitslosigkeit angesichts des Arbeitskräftemangels weiter sinkt.

Der EZB-Rat wird “die jetzt sinkende Gesamtinflation und das nachlassende Kreditwachstum mit dem anhaltenden Lohnwachstum und der Dienstleistungsinflation in Einklang bringen müssen”, so Veronika Roharova, Leiterin des Bereichs Wirtschaft des Euroraums bei der Credit Suisse. “Die überraschende Widerstandsfähigkeit des Arbeitsmarktes und des Lohnwachstums kann die Stabilität der zugrunde liegenden Inflation erhöhen und zu einer weiteren Straffung führen.”

Risiken für die Wirtschaft der Eurozone

Zinserhöhungen sind weiterhin das wichtigste Instrument der EZB, doch auch die Bilanzverkürzung trägt zur Straffung bei. Etwa 477 Milliarden Euro an billigen, langfristigen Bankkrediten laufen im Juni aus. Darüber hinaus plant die EZB, die Reinvestitionen der fällig werdenden Anleihen aus ihrem älteren quantitativen Lockerungsprogramm ab Juli einzustellen. Die Befragten gehen allerdings nicht davon aus, dass die EZB den Abbau ihrer Anleihebestände durch Verkäufe beschleunigen wird.

FMW/Bloomberg/Erster Chart TradingView



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4 Kommentare

  1. Wenn die EZB auf dem „goldrichtigem Zinspfad“ wäre, dann hätten wir keine gravierende Inflation. Alles Idioten!

  2. Die Zinspolitik ist eine Katastrophe. Wir beschießen den Arbeitsmarkt, damit wir mehr Arbeitslose bekommen.
    Frau Roharova ist ja auch noch enttäuscht, dass nicht mehr Menschen arbeitslos werden – Schade aber auch.

    Ich warte immer noch darauf, dass mir jemand den Preisschock bei der Energie, der ja verantwortlich war für die hohe Inflation in Verbindung mit dem Zinsniveau erklärt.

    Die Inflation geht zurück, weil die Energiekosten sinken. Die Zinsen ruinieren nur unsere Wirtschaft und erschweren unnötiger Weise die Investitionen in erneuerbare Energien, Sanierungen und den Umbau unserer Wirtschaft.

    PS:
    Mir soll es am Ende egal sein, so wird der Gärtner wieder günstiger und der gemeine Pöbel kann sich bei der Wahl eh nicht dran erinnern.

    1. Was will man denn gegen Gewinnflation und 1/1 Lohnerhöhungen machen. Die Zinsanhebungen reagieren genau auf diese Effekte und laufen nicht etwa schwankender Energiepreise hinterher.

      1. Hallo Andreas,
        inwiefern hilft denn bei einer Gewinnflation bzw. Gierflation eine Zinsanhebung? Du glaubst, dann senken die Unternehmen ihre Preise? Weil die Beschaffungskosten für Fremdkapital steigen?
        Erklär mir bitte die Herleitung?
        1/1 Lohnerhöhung? Was soll das sein? Ich kenne nur 1&1 und bei Drillisch gab es zuletzt keine großen Lohnanhebungen.
        Die IG Metaller, kriegen jetzt (diesen Monat!) mehr Geld in NRW. 5,2% – nach etlichen Jahren Nullrunde. Nächstes Jahr nochmal nochmal satte 3,3% – also insgesamt 8,5% !
        Die Infaltion für 2022: 7,9% im Jahresschnitt. Es kommen noch die Inflationen für 2023, 2024 dazu. Ob die zusammen bei unter 0,6% bleiben?
        Wenn wir keine Deflation kriegen, werden die IG Metaller zu keinem Zeitpunkt auch nur einen Inflationsausgleich in der Tabelle erhalten haben.

        Die Zinsanhebung ist für die EU eine Katastrophe. In den USA sind die Lohnkosten tatsächlich immens gestiegen, dort mag die Zinsanhebung aus verschiedenen Gründen auch richtig sein, aber das einfach zu kopieren und gut ist? Nein, das ist der falsche Ansatz.

        Nochmals: Erklär mir bitte, warum es Sinn machen soll. Bitte auch an der Sache und nicht nur mit steht auf Seite 178 in meinem VWL Buch aus 1987.
        Danke!

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