FMW-Redaktion
Die amerikanische Ratingagentur Fitch führt seit dem Jahr 2007 in jedem Quartal eine Umfrage unter Anleihehaltern durch – diese Anleihehalter sind weniger Lieschen Müller oder Oma Tschibulski, sondern eben professionelle Bond-Investoren, die große Mengen an Kapital bewegen. Es sind also gewissermaßen echte „Dickfische“, die von Fitch befragt wurden, Menschen, die Milliarden bewegen – genauer gesagt 5,9 Billionen Euro, wie es in der heutigen Pressemitteilung von Fitch dazu heißt. Und deren Meinung durchaus Fakten schaffen kann, indem sie etwa Staaten das Vertrauen entziehen – oder eben nicht.
Pikanterweise endete die Umfrage am 23.Juni – also an dem Tag, als die Brexit-Abstimmugn stattfand. Daher sehen die Anleiheinvestoren noch zu zwei Dritteln geopolitische Risiken als größte Gefahr für die Finanzmärkte an – das Thema Brexit war für viele Befragte noch ein eher weit entferntes Thema (je nach Befragungs-Datum).
Während der Brexit in der Befrgaung also keine große Rolle spielt, sieht Fitch darin den Beginn einer schlechten Entwicklung – die Verhandlungen würden zu Zerwürfnissen führen, radikale Parteien weiteren Aufwind geben – und die Bereitschaft von Regierungen zu Reformen weiter absenken. Fazit: Kredit-negativ für die Eurozone:
„Fitch believes that the UK referendum will add to political uncertainty in Europe. Formal exit negotiations with the UK have yet to start and could open up more disagreements. We expect the referendum outcome to boost support for more radical, populist parties. This will reduce governments‘ willingness to implement unpopular economic reforms, while we are sceptical that there is political willingness to deepen EU or eurozone integration in response to Brexit. Combined with the potential economic impact of Brexit, these factors are credit negative for EU sovereigns.“
Und Fitch erwartet daher eine weitere Aufweichung der Geldpolitik:
„Brexit’s impact will also be a factor of the response by policy makers. This could take the form of further monetary easing, through interest rate cuts or expanding asset purchase programmes (QE).“
Der EZB-Rat: schallende Ohrfeige durch Anleiheinvestoren
Foto: EZB
So weit, so klar. Aber jetzt wird es, nachdem Fitch in die Pressemitteilung zur Umfrage ein paar eigene Einschätzungen eingebaut hat, richtig brisant. Denn die Befragten äussern sich auch zur Wirkung der EZB-Geldpolitik – und ihr Urteil darüber fällt geradezu verheerend aus:
1. Nur 22% der Befragten glauben, dass die Negativzinsen die Wirtschaft stimulieren würden
2. 41% hingegen meinen, dass Negativzinsen schädlich seien für den Finanz-Sektor
3. 37% glauben, dass die Politik der Negativzinsen nicht funktionieren könne, da nur Spareinlagen zu mehr Investments führen könnten
Alleine das ist schon einmal eine glatte Ohrfeige für die Gralshüter in Frankfurt. Und es kommt noch besser – bzw. schlimmer für die EZB:
1. Nur 15% glauben, dass die Käufe von Unternehmensanleihen Investments und ökonomische Aktivitäten stimulieren würden
2. 59% glauben, dass die Unternehmensanleihen-Käufe lediglich den Anleiheemittenten nutzen, sonst niemandem
3. 26% glauben, dass die Käufe von Unternehmensanleihen zwar besonders investment-grade-Firmen nutzen würde – da diese aber ohenhin genug Cash hätten, habe das keinerlei Einfluß auf das gesamte Volumen von Investments
Mehr an vernichtender Kritik geht eigentlich gar nicht. Bitte diese Fitch-Umfrage aber nicht EZB-Mitgliedern zeigen – sie könnten in ihrer Selbstherrlichkeit ganz emfindlich gestört werden..
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Das Ergebnis ist dann auch der Verlust des Restvertrauens in das System. Wenn man Schulden mit neuen Schulden „bezahlt“, dann ist das Spiel irgendwann vorbei.
Der Bund-Future fällt übrigens wie ein Stein. Vorgestern hatte ich geschrieben, dass die 168 nach einem Top aussehen. Jetzt sind wir bei 166,68. Wenn der Anleihemarkt insgesamt ins Rutschen gerät, dann wird es wirklich gefährlich. Dieser Markt ist ist viel größer, als der Aktienmarkt. Dann ist Schäubles schwarze Null ganz schnell Geschichte.