Der ehemalige Chef des ifo-Instituts Hans-Werner Sinn ist in Deutschland immer noch eine große ökonomische Institution. Seine Aussagen werden beachtet und gehört! Auch wenn man natürlich sagen muss, dass Notenbanken und Regierungen seine Ratschläge nicht befolgen werden, denn Ideologie und Politik stehen leider über rationalem Handeln (meine Meinung). Im folgenden Video-Interview mit dem Format „Rene will Rendite“ spricht Hans-Werner Sinn über die Energiewende in Deutschland, über die „herzkranke“ deutsche Autoindustrie (Produktion halbiert seit 2018), über die bleibende Inflation und die Ausschaltung des Marktes für Staatsanleihenrenditen durch die EZB.
Hans-Werner Sinn über die bleibende Inflation
Vor allem interessant sind die Aussagen von Hans-Werner Sinn zu zwei Themenfeldern. Da wäre zunächst die Inflation, die in Deutschland inzwischen bei 7,5 Prozent angekommen ist. Auch nach einem möglichen Ende des Ukraine-Kriegs wird die hohe Inflation bleiben, so Hans-Werner Sinn. Dazu hat er einige interessante Argumente genannt. Es gebe drei Selbstverstärkungseffekte. Da wären zunächst die Vorzieheffekte. Weil man von weiter steigenden Preisen in der Zukunft ausgeht, zieht man Einkäufe vor, was noch mehr Preisdruck ausübt.
Dann wäre da die Lohn-Preis-Spirale. Zum Ausgleich für die Inflation wollen Gewerkschaften höhere Löhne. Nächstes Jahr würden die dann wirksamen höheren Löhne dazu führen, dass die Unternehmen wiederum die Preise für ihre Kunden anheben müssen, als Ausgleich für die höheren Lohnkosten. Und Drittens sieht er die stark steigenden Steuereinnahmen beim Staat, die dann auch ausgegeben werden und für mehr Nachfragedruck sorgen, zum Beispiel bei höheren Ausgaben für die Infrastruktur.
EZB schaltet den Markt für die Bewertung der Ausfallrisiken für Anleihen aus
Unzählige Beobachter und Kommentatoren (auch wir bei FMW) kritisieren seit Woche die von der EZB beschlossene Kontrolle und Regulierung der Entwicklung von Staatsanleihen-Renditen in der Eurozone (dies hat die EZB Transmission Protection Instrument oder abgekürzt TPI genannt). Man will die Renditen für die Südländer im Vergleich zur deutschen Bundesanleihe nicht zu stark steigen lassen. Hans-Werner Sinn findet dafür sehr deutliche Worte, auch wenn er es selbst nicht wortwörtlich Planwirtschaft oder Sozialismus nennt.
Die EZB wird Nordländer-Anleihen verkaufen um dort die Renditen hochzupushen. Mit dem frei gewordenen Geld will sie Südländer-Anleihen kaufen, um dort (wohl vor allem Italien) die Renditen zu drücken. Laut Hans-Werner Sinn hat das nichts mehr mit Geldpolitik zu tun. Die Unterschiede bei den Anleiherenditen einzelner Länder seien am Markt wichtig für die Beurteilung der Ausfallwahrscheinlichkeit für einzelne Staaten. Die Käufer forderten diesen Aufschlag als Risikoprämie, aber erhalten ihn nicht. Es entfalle der eigentlich automatisch einsetzende Mechanismus, dass ein Land weniger Schulden macht und Sparanstrengungen unternimmt, wenn man sieht, dass man am Anleihemarkt zu viel Zinsen für neue Schulden zahlen muss.
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Die Fragmentierung der Zinsen nach Bonität der Schuldner ist laut Aussage von Hans-Werner Sinn das Wesenselement der Marktwirtschaft. Der EZB-Begriff der „Transmission der Geldpolitik“ sei als Begriff wohl von Kommunikationsprofis erdacht worden – das habe keinerlei ökonomische Basis und sei völliger Unsinn. Er könne der EZB in keiner Weise folgen, dieser Versuch einer „Transmission der Geldpolitik“ sei eine vorgeschobene Argumentation. Die Stützung der Südländer durch die EZB sei eine fiskalische Maßnahme, eine Subvention der Südländer durch die EZB, zulasten der Nordländer. Und ja, den klaren Worten von Hans-Werner Sinn kann man von unserer Seite aus nur zustimmen.
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Wohin die Reise mit Staatsanleihen führt, haben die letzten 100 Jahre ja nun hinreichend gezeigt. Wer sich auf sowas einlässt, ist schlechter dran als im Casino.
Im übrigen sollten wir per Volksbegehren die Einführung einer zum Euro parallelen nationalen Währung NDM (Neue deutsche Mark) erzwingen, die von der Bundesbank und von der Politik vollkommen unabhängig geführt wird und deren Wert zum Euro täglich festgelegt wird. Staatsanleihen in NDM sollten dabei verboten sein. Polen, Tschechien etc haben ja auch eigene Währungen, warum wir nicht?
Zucki: Ihr Hinweis und Vorschlag in allen Ehren! So etwas wäre zielführend. Aber es wird nicht kommen. Und dies wiederum liegt daran, dass „bei uns“ eben keine erfahrenen Experten wie Prof. Sinn, sondern inkompetente und verantwortungslose Amateure bzw. manipulierende Stümper über Fragen der Geldpolitik mitentscheiden. Es sieht übel aus, sehr übel sogar.