Gas

Happy End für Russland? Europa kauft große LNG-Mengen

Gibt es ein Happy End für Russland? Ohne die Nord Stream-Pipelines kommt dennoch viel Gas über LNG-Tanker nach Europa.

Bis 2027 will die EU von russischen Öl- und Gasimporten loskommen. Auf der Suche nach Ersatz legten indes immer mehr Schiffe mit Flüssiggas (LNG) aus dem hohen Norden Russlands in europäischen Häfen an. In russischen Medien ist angesichts dessen die Rede von einem Happy End für Russland. Auch wenn Frankreich zuletzt seine LNG-Importe eingeschränkt hat, ist Belgien für den Weitertransport auf dem Festland bis hin nach Deutschland die Eintrittspforte für russisches Erdgas. Diskussionen über Sanktionen mündeten bei der EU in Aufrufen, weniger russische Schiffsladungen zu löschen und keine neuen Verträge abzuschließen.

EU und Russland schichten auf LNG um

Sind die russischen Gaslieferungen in die Europäische Union über Pipelines aufgrund des Ausfalls von Nord Stream 1 und der sanktionierten Gasleitung Yamal Europa eingebrochen, weisen die Schiffstransporte mit LNG an Bord stabil nach oben. So importierte die EU laut Monatsbericht des Forums der Gas exportierenden Länder GECF vom August in den ersten sieben Monaten 2023 nur 14,1 Milliarden Kubikmeter Gas. Im Vorkriegsjahr 2021 waren es in diesem Zeitraum noch 86 Milliarden Kubikmeter Gas.

Nach einer Analyse von der NGO Global Witness anhand von Daten des Handelsdatenanalysten Kpler Ende August stiegen die LNG-Importe der EU aus Russland indessen kräftig an. Sie umfassten in diesem Jahr von Januar bis Juli 21,6 Millionen Kubikmeter LNG, was umgerechnet einem regasifiziertem Gasvolumen von rund 13 Milliarden Kubikmeter Erdgas entspricht. Dies markierte einen Anstieg um 40 Prozent gegenüber dem vergleichbaren Zeitraum von 2021 mit 15,5 Millionen Kubikmeter LNG und bestätigt das hohe Niveau vom letzten Jahr mit leicht steigender Tendenz. Europa scheint sich beim LNG in eine neue Abhängigkeit von Russland zu manövrieren. Beide Seiten schichten die frühere Verbundenheit im Gashandel über Pipelines auf den flexiblen Schiffsverkehr um.

Belgien ist die Eintrittspforte

Von den rund 22 Millionen Kubikmeter LNG entfielen gut 14 Millionen Kubikmeter LNG etwa zu gleichen Teilen auf Spanien und Belgien. Sie lösten damit den Spitzenreiter Frankreich vom Vorjahr ab, das den Import von 7,46 Millionen LNG auf 4,51 Millionen LNG senkte. Die Führung Spaniens und Belgiens lasse sich leicht erklären. Die Häfen dieser Länder seien das wichtigste Tor für LNG zum europäischen Gasmarkt, erklärte Igor Maskajew, Experte am Institut für Wirtschaft und Regulierung der Infrastrukturindustrie, in einem Bericht der russischen Nachrichtenagentur Prime am 2. September. Beide Länder verfügten über eine entwickelte Infrastruktur zur Aufnahme und Regasifizierung von LNG. Jetzt sei diese laut Händlern buchstäblich mit russischem Gas verstopft, da die Lieferanten versuchten, die Mengen auszuwählen, auf die sie vertraglich Anspruch haben.

Belgien wird Prime zufolge als Einstiegspunkt für deutsche Unternehmen genutzt, die ihre Lagerbestände auffüllen müssen, nachdem die russischen Lieferungen eingestellt wurden. Nach der Regasifizierung werde das Gas über Pipelines nach Deutschland und in die Nachbarländer durchgeleitet. Die Häfen in Seebrügge und Antwerpen sind mit Gasnetzen verbunden, die 18 regionale EU-Märkte, darunter Frankreich und Deutschland, mit Erdgas versorgen können. Außerdem ist Seebrügge einer der wenigen Orte in der EU, an dem LNG-Tanker der Eisklasse ihre Fracht löschen können. Solche Tanker setzt LNG-Produzent Novatek zum Abtransport von der Halbinsel Yamal im Hohen Norden ein. Statistiken schätzten den Anteil, der in Belgien zum Eigenverbrauch im Land verbraucht, auf 2,8 bis 10 Prozent des Gesamtangebots. Alles andere werde von den Nachbarn übernommen.

Sanktionen sind nicht geplant

Dass die EU mit den steigenden LNG-Importen die russische Kriegskasse füllt, schlug Wellen. Schätzungen zufolge hätten die EU-Länder in den ersten sieben Monaten des Jahres 2023 fast 5,3 Milliarden Euro für den Kauf von mehr als der Hälfte des gesamten russischen LNG ausgegeben, hieß es bei Global Witness. Doch Sanktionen sind weiterhin nicht geplant. In Brüssel rief Kommissionssprecher-Sprecher Tim McPhie Mitgliedsländer und Unternehmen erneut auf, kein Gas von Russland zu kaufen und keine neuen Verträge abzuschließen, wenn Verträge auslaufen, berichteten russische Medien Ende August. „Wir unternehmen erhebliche Anstrengungen, um den Kauf von Gas aus Russland zu stoppen“, so McPhie weiter.

Insgesamt exportierte Russland in diesem Jahr von Januar bis Juli rund 42 Millionen Kubikmeter Gas LNG, wovon 52 Prozent EU-Länder abnahmen. Auch wenn China mit 8,7 Millionen Kubikmeter LNG Russlands Kunde Nummer 1 ist, folgt Spanien mit 7,47 Millionen Kubikmeter LNG auf Platz 2 und Belgien mit 7,08 Millionen Kubikmeter LNG. Dass nach Asien weniger Schiffstransporte ausliefen, mag sich aus der geographischen Lage der LNG-Werke in Russland erklären. Zugleich lagen beim ersten und aktuell zweitgrößten LNG-Werk auf der Pazifikinsel Sakhalin Instandsetzungsmaßnahmen an.

Russland profitiert und verliert zugleich

Um an Europa festzuhalten, setzt Novatek alles daran, Produktions- und Transportkapazitäten per Schiff auszubauen. Die Lieferkapazitäten vom russischen Gaskonzern Gazprom sind im Norden des Landes dagegen äußerst begrenzt. Kleinere Mengen liefert Gazprom von seiner Produktionsstätte Portowaja, der Kompressorstation, über die einst Gas in die Ostseegasleitung Nord Stream 1 eingespeist wurde, vorzugsweise nach Griechenland. Dazu betreiben in der Region Gazprom und Novatek gemeinsam eine kleinere Produktionsanlage.

Mit dem guten LNG-Ergebnis in Europa mag Russland tatsächlich ein Coup gelungen zu sein. Die Probleme in der heimischen Wirtschaft sind damit aber nicht vom Tisch. Ob die Fachkräfteabwanderung durch verstärkte Anstrengungen der Rüstungsindustrie auch für Gazprom Ausgleich schafft, ist eine offene Frage. Zu welcher Seite, Verlust oder Gewinn, das Pendel ausschlägt, hängt wie der Kriegsverlauf in der Ukraine in der Schwebe.

Ein LNG-Tanker in den Niederlanden
Ein LNG-Tanker in den Niederlanden. Photographer: Peter Boer/Bloomberg


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2 Kommentare

  1. Am Anfang war das Wort.
    Und es war gut.
    Aus dem nichts taugte auf einmal
    Vor dem Krieg, das Wort ABHÄNGIGKEIT auf.
    Aufgeschreckt redete Jeder das Wort ABHÄNGIGKEIT.
    VORHER WAR ES UNWICHTIG.
    Über das magische Wort von allen Gescheiten Leuten jetzt in den Mund genommen sei gesagt.
    Der Westen hat bei der Menschheit verloren.
    Der Glaube an den Westen ist dahin.
    Die Menschheit will sich Unabhängig machen vom Westen.
    Ein langer Prozess.
    Die Sanktionen sind gescheitert.
    Der Hochmut ist gescheitert.
    Die Lügerei ist gescheitert.
    Am Ende lacht die USA und sagt haben wir doch so nicht gemeint mit dem WORT ABHÄNGIG MACHEN….

  2. Naja, durch die Sanktionen auf russisches Pipelinegas, wird es eben als LNG zu einem vielfachen Preis verkauft, wird unter enormen Energieaufwand verflüssigt, wird mit Tankern transportiert (oft angetrieben mit Schweröl) und muss in Milliarden teuren Anlagen wieder vergast werden.
    Das ist die Logik einer grünen Ökosekte, die auch noch regieren darf.
    Gut, aber auf jeden Fall besser als das US Frackinggas.

    Viele Grüße aus Andalusien Helmut

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