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Komm der Crash? Retail-Trader sind optimistisch wie noch nie!

Crash im Anflug? Beispielbild für einen Börsenhändler an seinem Desk

Wirtschaftswissenschaftler, Zentralbanken, Weltbank und Währungsfonds, Regierungen – sie alle sind sich sicher, dass wir in einer der schlimmsten Rezessionen der vergangenen Jahrhunderte stecken. Gleichwohl erreichten viele Aktien und sogar Aktien-Indizes neue Allzeithochs. Der Crash ist vergessen. Selbst insolvente Unternehmen erleben Vervielfachungen ihrer Aktienkurse. Der Grund könnten dieses Mal Retail-Investoren und Trader mit geringem Kapital gewesen sein. Denn die zeigten sich in den vergangenen Tagen so optimistisch wie noch nie! Und gerade das erhöht die Gefahr für einen neuen Crash!

Zuletzt gab es 1991 diesen Optimismus

Zum Wochenbeginn notierten 97% aller Aktien im S&P 500 Index oberhalb ihrer 50-Tage-Linie, also dem Durchschnittskurs der vergangenen 50 Tage. Das heißt, praktisch alle Aktien im sehr breit gefassten Index zeigten in den vergangenen Wochen steigende Kurse. Wie oft kommt das vor? Nun, zum letzten Mal geschah das im Februar 1991. Beunruhigender ist jedoch, dass Retail-Trader, Small Trader, so viele Call-Optionen kauften wie noch nie. Die Gesamtposition der Small Traders betrug am vergangenen Freitag 12,1 Millionen Call-Optionskontrakte. Das vorherige Allzeithoch lag bei 7,5 Millionen und wurde im Februar kurz vor dem Crash erreicht. In den gesamten vergangenen 20 Jahren kam es nur an wenigen Tagen im Jahr 2018 und 2019 vor, dass einmal mehr als vier Millionen Kontrakte gekauft wurden. Der Durchschnitt seit der Finanzkrise liegt eher um zwei Millionen.

Mit Optionen erschaffen sich Trader den nächsten Crash

Mit dieser enormen Masse an Call-Optionen haben die kleinen Trader einen Hebel zur Steigerung der Aktienkurse erschaffen. Die Optionsverkäufer sichern sich nach dem Verkauf der Call-Optionen gegen Kursveränderungen des Basiswerts ab. Dafür wird das Delta der Optionen abgesichert, es wird gehedged. Das Delta gibt an, um wieviele Einheiten sich der Optionspreis verändert, wenn sich der Kurs des Basiswerts um eine Einheit ändert. Je weiter entfernt der Strike-Preis einer Option vom aktuellen Kurs ist, umso geringer ist das Delta. Bei einem Delta von zum Beispiel 0,1 würde der Optionspreis um 0,1% zulegen, wenn der Aktienkurs um 1% steigt. Bei einem Optionskontrakt, der 100 Aktien umfasst, müsste der Emittent zur Absicherung seines Risikos also lediglich zehn Aktien kaufen.

Entsprechend günstig ist dann auch die Option. Das heißt, die Small Traders können mit wenig Kapitaleinsatz viele Optionen kaufen. Und da die Aktienkurse steigen, der Crash längs vergessen ist, tun sie das auch. Doch wenn der Aktienkurs dann tatsächlich steigt, zum Beispiel weil sehr viele Trader Optionen kaufen, dann steigt auch das Delta. Je näher der Aktienkurs dem Basispreis der Option kommt, umso mehr nähert sich auch das Delta dem Wert von ein an. Das bedeutet, dass der Optionsverkäufer immer mehr Aktien nachkaufen muss, um sein Delta zu hedgen. Und damit wird im Prinzip ein bedingtes Perpetuum Mobile des Kapitalmarkts gestartet. Die Hedging-Käufe der Optionsverkäufer steigern den Aktienkurs weiter, was zu höheren Deltas, damit zusätzlichem Hedgingbedarf und weiteren Aktienkäufen führt, die wiederrum die Kurse anheizen.

Das Spiel geht jedoch nicht unendlich weiter. Die Optionsverkäufer sind nicht dumm. Sie werden die Preise der Optionen überproportional steigern. Die implizite Volatilität nimmt zu. Um die Rallye am Leben zu erhalten, müssen die Optionskäufer bei steigenden Kursen immer mehr Optionen mit immer höherem Strike-Preis kaufen. Durch die gestiegene implizite Volatilität wird das irgendwann jedoch so teuer, dass sich die Trader nicht mehr leisten können, die Position in Optionen mit höherem Strike zu rollen und die Positionsgröße dabei unverändert zu lassen. Sobald das geschieht, starte der nächste Crash.

War Tesla ein Vorbild für den Crash des Gesamtmarkts?

Wir sahen das bereits bei Tesla, wo wahrscheinlich bis Ende Februar genauso ein am Optionsmarkt gestarteter Aktienhype entstand, der die Aktie innerhalb von eineinhalb Monaten um 160% steigen ließ. Anschließend sackte der Kurs in einem Monat um fast zwei Drittel ab. Der mehr als fünfprozentige Kursrückgang im S&P 500 am Donnerstag könnte ein Vorgeschmack auf das sein, was uns in den kommenden Wochen blüht. Wenn die Masse der Retail-Investoren und rader über beide Ohren mit gekauften Call-Optionen eingedeckt ist und diese Optionen entweder fällig werden oder bei sinkenden Kursen das Delta nachgibt, dann wird sich eine Lawine an Verkaufsorders über den Markt ergießen, dem nicht mehr genügend Kaufinteresse gegenübersteht. Denn wer soll noch kaufen, wenn die Marktstatistiken zeigen, dass bereits jeder in Erwartung einer Jahrhundert-Rallye investiert war?

Die implizite Volatilität bei Tesla ist übrigens noch weit von ihren Hochs im März entfernt. Damals lag die bei bis zu 156,8, derzeit nur bei 73. Doch auch 73 ist bereits überdurchschnittlich hoch. Auch beim S&P 500 liegt die implizite Volatilität noch einiges von ihren Hochs entfernt, ist aber im historischen Vergleich noch ungewöhnlicher als bei Tesla. 87% der vergangenen zwölf Handelsmonate war die Volatilität geringer als jetzt. Trotz fast Allzeithochs hat der Optionsmarkt also das steigende Risiko schon erkannt und begonnen, es einzupreisen.



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2 Kommentare

  1. Wurden vielleicht die Neueinsteiger von den immerbullischen Analysten u.Bankberatern in die Calloptionen gedrängt ? Ist es doch normalerweise für die Verkäufer ein sicheres Geschäft, verfallen doch ca.80% der Optionen wertlos. Die Verkäufer von Calloptionen rechnen doch eher mit querlaufenden oder leicht steigenden Kursen um nicht liefern zu müssen.

  2. Pingback: Aktuelles vom 13. Juni 2020 | das-bewegt-die-welt.de

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