FMW-Redaktion
Da hörten sich aber noch vor wenigen Wochen Andeutungen von Lufthansa-Chef Carsten Spohr ganz anders an. Die Übernahme von Air Berlin durch Lufthansa war das heiße Gerücht, das wochenlang im Raum schwebte. Und jetzt die Absage. In der „Bild am Sonntag“ sagte Spohr gestern, dass man den Konkurrenten erst einmal nicht übernehmen wolle. Denn das sei nur möglich, wenn Air Berlin-Hauptaktionär und Gläubiger Etihad zur Übernahme der Schulden bereit sei. Und das sei noch nicht der Fall. Also ist die Absage an die Übernahme doch eher ein „Aufschub“ als eine Absage? Auch seien die Kosten bei Air Berlin immer noch zu hoch, so Spohr.
Dass es Air Berlin weiterhin so schlecht geht, könnte der Lufthansa gelegen kommen. Denn man hat ja bereits von insgesamt 150 Flugzeugen 38 zur Lufthansa rübergeholt – sie fliegen für die Lufthansa-Tochter Eurowings. Die Crews der Flugzeuge sind zwar weiterhin Air Berlin-Mitarbeiter, fliegen aber für Lufthansa – eine Art Leasing-Geschäft ist das, was letztlich wirkt wie eine Art kalte Ausschlachtung von Air Berlin.
Spohr erwähnte abseits einer Übernahme, dass er weiter kooperieren wolle. Für eine weitere Zusammenarbeit dieser Art (Herauslösen einzelner Flugzeuge und Crews) sehe er keine Grenze nach oben. Mit dieses Formulierung „keine Grenze nach oben“ soll wohl angedeutet werden, dass man sich möglicherweise über diesen Weg den Konkurrenten einverleibt (Jet + Crew leasen), ohne dass man das Unternehmen „Air Berlin“ als Solches schlucken müsste.
Das bedeutet auch: Keine Schuldenübernahme durch die Lufthansa, und womöglich weniger Kartellprobleme als bei einem Kauf von Air Berlin. Aber auf kurz oder lang dürfte die Lufthansa schon gewisse Probleme bekommen, wenn man sich Stück für Stück die Strecken und Maschinen von Air Berlin einverleibt. Aber bei dieser Variante hat man wohl deutlich bessere Karten im Poker mit den Kartellwächtern als mit einer kompletten Übernahme der ganzen Firma. Nach und nach, hier und da Flugzeuge und Crews übernehmen, Jahr für Jahr, das kommt softer und angenehmer daher.
Wenn Air Berlin auf diese Weise nach und nach sein Geschäft abgibt, höhlt man sich selbst aus, und am Ende blieben nur noch ein paar Büros in der Firmenzentrale und ein Berg Schulden. Denn neben den Crews und den Flugzeugen, was hat eine Airline wie Air Berlin schon groß zu bieten? So oder so sieht es nicht gut aus für Air Berlin – man ist in einer beklemmenden Defensive! Spohr kann den Laden weiter kalt ausschlachten, und womöglich parallel dazu schauen, ob Etihad sich endlich bereit erklärt die Schulden von Air Berlin zu übernehmen. Die Aktie verlor heute früh schon bis zu 10%. Aktuell liegt sie bei -3,5% Tagesverlust.
Die Air Berlin-Aktie seit November 2016.
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