Allgemein

Warum die Pleite der Greensill Bank drastische Konsequenzen für die Einlagensicherung hat

Hochhäuser von Banken in Frankfurt

Mit tiefgreifenden Reformen der Einlagensicherung reagieren die deutschen Privatbanken auf Schadensfälle aus der jüngeren Vergangenheit. Besonders die Pleite der Bremer Greensill Bank führte zu einer Zäsur bei der Einlagensicherung. Dabei ist die Schadenssumme überschaubar. Wie sicher sind die Kontoeinlagen, wenn es zu einer größeren Bankenpleite kommt?

Greensill Bank – ein weiterer Skandal, den die BaFin nicht kommen sah

Die gestern lancierte Presseerklärung des Bundesverbands deutscher Banken (BdB) schlug ein wie eine Bombe. Der Präsident des BdB und CEO der Deutschen Bank, Christian Sewing, begründet die tiefgreifende Reform des Einlagensicherungsfonds so: „Wir ziehen die Konsequenz aus den Erfahrungen der Schadensfälle in der jüngeren Vergangenheit. Der Fall Greensill markiert hier eine Zäsur“.

Kurz zum Hintergrund der Pleite-Bank: Das Geldinstitut mit Sitz in Bremen ist eine Tochtergesellschaft der australisch-britischen Investmentgesellschaft Greensill Capital. Die Greensill Bank warb in Deutschland Mittel ein und wirkte als Garantiegeber für Greensill Capital. Investiert wurde u. a. in die Finanzierung von Lieferketten. Das Kapital dafür holte sich die Bank u. a. bei Privatanlegern über Online-Portale wie „Weltsparen“ und „Zinspilot“. Das Bremer Institut lockte dort mit einem Zinssatz von bis zu 0,8 Prozent pro Jahr (vor Steuern und Inflation). Auch 75 Kommunen, öffentlich-rechtliche Körperschaften und das Land Thüringen investierten bei Greensill. Zu den Anlegern gehörten zudem der NDR und der Südwest-Funk, die Gebührengelder vermehren wollten.

Innerhalb von nur zwei Jahren wurde so das Einlagenvolumen der einst winzigen Bank mehr als verzehnfacht. Bis zum Jahr 2019 war die größte Einnahmequelle der Bank nach dem Zinsergebnis die Leasinggebühren, die man für die Finanzierung der Privatjets des Gründers Lex Greensill erhielt. Der allgemeine Anlagenotstand, der Zinsschwund und das aggressive Einwerben von Kundengeldern durch die Greensill Bank führten dann zu einer Flut an Einlagen.

Eine Kommunikation mit den Anlegern fand kaum statt. Die Investitionsprozesse waren intransparent und schwer nachvollziehbar. Geschäftspläne wurden regelmäßig verfehlt. Die Gesellschaftsstruktur der Greensill Gruppe war hochkomplex und stark verschachtelt. Die BaFin merkte trotz diverser Beschwerden und Hinweise auch in diesem Fall nichts von der sich anbahnenden Katastrophe.

Anfang März 2021 meldete Greensill Capital in Großbritannien Insolvenz an. Die von dem Australier Lex Greensill gegründete Muttergesellschaft hatte eine Woche früher Gläubigerschutz beantragt. Am 3. März wurde dann die Schließung der Bank in Bremen durch die BaFin verfügt.
Pikant: Trotz des risikobehafteten und intransparenten Geschäftsmodells besaß die Greensill Gruppe ein Investmentgrade Rating. Das weckt Erinnerungen an den deutschen Flow-Tex-Skandal aus dem Jahr 2000 und die Pleite von Wirecard. Noch heute steht auf der Website der Bank in Bremen unter „Unsere Werte“: „Die Greensill Bank AG ist eine hoch kapitalisierte, traditionsreiche deutsche Bank. Die Sicherheit der Kundeneinlagen hat für uns oberste Priorität“.

Geringer Schaden, große Wirkung für die Einlagensicherung

Der Schaden für den Einlagensicherungsfonds durch die Greensill-Pleite beläuft sich auf ca. 3 Mrd. Euro. Diese überschaubare Summe verteilt sich auf 120 Mitglieder der Entschädigungseinrichtung deutscher Banken (EdB). Seit der Pleite des Ablegers von Lehman Brothers in Frankfurt im Jahr 2008 gab es in den letzten 13 Jahren lediglich vier kleinere Institute, für die der deutsche Einlagensicherungsfonds Entschädigungen zahlen musste: die noa bank GmbH im Jahr 2010, die Maple Bank GmbH im Jahr 2016, die Dero Bank AG im Jahr 2018 und die Greensill Bank AG im Jahr.

Dennoch kommt es nun zu drastischen Konsequenzen. Bis vor Kurzem lag die Obergrenze für die Sicherung der Einlagen pro Kunde bei 15 Prozent des haftenden Eigenkapitals der jeweiligen Bank. Das waren im Schnitt 190 Millionen Euro pro Einleger. Im Zuge der Pleite der Greensill Bank wurden noch Einlagen bis zu 75 Millionen Euro als Entschädigung ausgezahlt. In Zukunft soll diese Summe für Privatanleger auf max. eine Millionen Euro sinken.

Professionellen Einleger, wie Versicherungen und Investmentgesellschaften werden ab 2023 von der Einlagensicherung überhaupt nicht mehr geschützt.
Das betrifft indirekt wiederum die Privatanleger, deren Vermögen von Versicherungen und Investmentgesellschaften verwaltet werden. Ein Schadensfall kann dann die Anlagerendite drastisch verschlechtern oder sogar zu Kapitalverlusten bei den Anlegern führen. Gelder von Bund, Ländern, Kommunen, ebenso wie die von Banken, Finanzinstitutionen und Wertpapierfirmen wurden bereits im Jahr 2016 von der privaten Einlagensicherung ausgenommen.

Konkret sieht die Reform ab Januar 2023 Folgendes vor:

1)
Einlagen von Unternehmen mit einer Laufzeit von mehr als zwölf Monaten fallen ab 2023 nicht mehr unter die Einlagensicherung.

2)
Professionelle Einleger wie beispielsweise Versicherungen, Investmentgesellschaften sowie öffentlich-rechtliche Körperschaften und Anstalten werden nicht mehr geschützt.

3)
Ab 2023 gelten deutlich verringerte Obergrenzen für den Schutzumfang: Private Sparer erhalten ab 2023 max. fünf Mio. Euro und Unternehmen max. 50 Mio. Euro. Diese Grenzen werden im Jahr 2025 auf max. drei Mio. Euro für private Kunden und max. 30 Mio. Euro für Unternehmen abgesenkt. Ab dem Jahr 2030 beläuft sich der Schutzumfang für Sparer nur noch auf max. eine Mio. Euro und für Unternehmen auf max. zehn Mio. Euro.

Im Einlagensicherungssystem der Sparkassen sowie der Volks- und Raiffeisenbanken ändert sich übrigens nichts. Hier gibt es auch weiterhin keine Obergrenzen oder Einschränkungen für die Kunden.

Besorgniserregende Entwicklung

In Anbetracht der geringen Schadenssumme durch die Greensill Bank stellt sich die Frage, warum die Privatbanken diese Pleite als „Zäsur“ für ihr Einlagensicherungssystem bezeichnen. Drei Milliarden Euro sollten für 120 Privatbanken eigentlich kein Problem sein. So ist zu vermuten, dass es sich um einen Vorwand handelt, um den sich am Horizont abzeichnenden enormen Risiken für das Bankensystem vorzubeugen. Dazu gehören das anhaltende Niedrigzinsumfeld, die höheren Eigenkapitalanforderungen im Zuge von Basel III und die Pläne der EZB, selbst ins Kontogeschäft einzusteigen.

Darüber hinaus haben auch deutsche Banken durch die massenhafte Vergabe von Hypothekenkrediten mit zur Aufblähung der hiesigen Immobilienblase beigetragen. Sie finanzieren außerdem de facto bankrotte Staaten, kämpfen mit sinkenden Zinsmargen und wurden nur dank schuldenfinanzierter staatlicher Rettungsprogramme aus der digitalen Notenpresse der EZB vor einem Kreditausfall-Tsunami im Zuge der Corona-Krise bewahrt. Zukünftige Verwerfungen der Wirtschaft durch Starkinflation, platzende Vermögenspreisblasen oder den Bankrott ganzer Staaten würden das Einlagensicherungssystem heutiger Prägung schlicht überfordern. Ein verheerender Dominoeffekt im Bankensystem wäre die Folge. Die vier Schadensfälle der letzten 13 Jahre wären im Vergleich dazu kaum wahrnehmbare „Peanuts“.

Mit der aktuellen „Anpassung“ der Absicherungskriterien durch die private Einlagensicherung steigt das Risiko für den Verlust von Bankeinlagen im Krisenfall. Ob die jetzt beschlossenen Kriterien im Falle einer veritablen Bankenkrise überhaupt noch aufrechterhalten werden können, steht ohnehin in den Sternen.



Kommentare lesen und schreiben, hier klicken

Lesen Sie auch

1 Kommentar

  1. Moin, moin,

    wie soll die BaFin etwas kommen sehen? Das sind m.E. ca. 1.500 öffentlich Bedienstete und ggf. sogar noch Beamte. Also was soll dort passieren? Wieso haben wir überhaupt eine BaFin? Wäre es dann nicht besser diesen „Verein“ abzuwickeln?

    Egal, dass BRD-System fällt sowieso. Ein bisschen hier, ein bisschen dort, aber immer in die „richtige“ Richtung. Bleibt zu hoffen, dass der nächste Staat mehr Fachleute in die Ämter hebt und keine fachfremden Lobbyisten.

    Fazit: Es bleibt spannend, die Frage ist immer, wann das System den nächsten großen Riss bekommt. Also, weiter so, volle Fahrt an die Wand. Good luck.

Hinterlassen Sie eine Antwort

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert




ACHTUNG: Wenn Sie den Kommentar abschicken stimmen Sie der Speicherung Ihrer Daten zur Verwendung der Kommentarfunktion zu.
Weitere Information finden Sie in unserer Zur Datenschutzerklärung

Meist gelesen 7 Tage