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Konsensmeinung: Die Fed ist fertig! Powell dämpft die Zinshoffnung – aber die Märkte tun das Gegenteil

Powell dämpft die Zinshoffnung - aber die Märkte tun das Gegenteil
Jerome Powell - Foto: Bloomberg

Eine Verlangsumung der Inflation sowie Anzeichen einer Abkühlung der Wirtschaft pushten zuletzt die Erwartung an baldige Zinssenkungen der Fed. Dies äußerte sich in Form von rekordverdächtigen Zuwächsen im November bei Anleihen und Aktien. Es scheint jetzt eine ausgemachte Sache zu sein, dass die Währungshüter schon in wenigen Monaten die Zinsen senkt. Der Vorsitzende der US-Notenbank, Jerome Powell, versuchte indessen, den wachsenden Erwartungen der Anleger auf Zinssenkungen in der ersten Hälfte des Jahres 2024 entgegenzuwirken. Doch die Märkte glauben ihm nicht mehr, stattdessen drängen sie weiter nach vorne.

Powells Worte stoßen auf taube Ohren

Powells Worte fanden am Markt kein Gehör. Anstatt die Zinseuphorie etwas zu dämpfen, passierte genau das Gegenteil, so Bloomberg. Die Wall Street reagierte am Freitag mit einer Erhöhung der Wetten auf fallende Zinsen, obwohl Powell warnte, dass „es verfrüht wäre, mit Zuversicht darauf zu schließen, dass wir eine ausreichend restriktive Haltung erreicht haben, oder darüber zu spekulieren, wann die Geldpolitik gelockert werden könnte“.

Im Anschluss an seine Rede stieg die Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung im Frühjahr. An den Märkten liegen die Chancen für eine Senkung der Zinsen um einen Viertelpunkt auf der März-Sitzung des Offenmarktausschusses der Fed bei über 55 %. Zudem rechnen die Marktteilnehmer fest mit einer Senkung im Mai – 42 % erwarten dann sogar schon die zweite Zinssenkung. Die Händler an der Wall Street sahen Powells Äußerungen als ausreichend ausgewogen an, um die Tür für einen solchen Zinsschwenk zu öffnen.

Zuvor waren am Freitag Daten aus dem verarbeitenden Gewerbe veröffentlicht worden, die auf eine Verlangsamung des Wachstums hindeuteten. Der ISM Einkaufsmanagerindex zeigte auch im November eine geringe Herstellungsaktivität. Der Wert lag mit 46,7 (Prognose 47,6) unter der Wachstumsschwelle von 50 und signalisiert damit eine anhaltende Kontraktion.

„Powell war eher ausgewogen als hawkish, was angesichts des aktuellen Hintergrunds auch dovish sein könnte“, schrieben die BMO Capital Markets-Strategen Ian Lyngen und Benjamin Jeffery in einer Notiz. Etliche andere Experten sind der gleichen Überzeugung. Die Konsensmeinung am Markt lautet: Die Fed ist fertig.

Hier ein Ausschnitt der gestrigen Rede von Jerome Powell:

Fed: Weitere Zinspause im Dezember

In einer Rede in Atlanta signalisierte der Fed-Chef am Freitag, dass die politischen Entscheidungsträger bei ihrem Treffen am 12. und 13. Dezember die Zinsen voraussichtlich unverändert lassen werden, um sich mehr Zeit für die Bewertung der Wirtschaft zu geben, nachdem sie die Zinsen im März 2022 aggressiv von nahe Null auf über 5 % im Juli angehoben hatten.

„Nachdem wir so schnell so weit gekommen sind, geht der FOMC vorsichtig vor, da sich die Risiken einer Unter- und Überstraffung immer mehr die Waage halten“, sagte Powell am Spelman College, einer historischen Schule in Atlanta Er fügte hinzu, dass die Fed-Mitglieder bereit sind, die Geldpolitik weiter zu straffen, wenn dies angemessen ist.

Die Verlangsamung der US-Wirtschaft und der deutliche Rückgang der Inflationsrate haben bei den Anlegern die Erwartung geweckt, dass die Zentralbank bereits im März mit einer Zinssenkung beginnen könnte.

Die Rendite der zweijährigen Anleiherendite fiel sogar um etwa 14 Basispunkte auf 4,54 % und damit auf den niedrigsten Stand seit Juni, da die Händler im kommenden Jahr nun eine größere Anzahl von Zinssenkungen einpreisten. Swap-Kontrakte, die das Ergebnis der Fed-Sitzungen vorwegnehmen, rechnen mit einem effektiven Zinssatz von etwa 4 % im Dezember 2024, verglichen mit 5,33 % derzeit.

Umgekehrt erwarten die Fed-Vertreter laut ihrer im September veröffentlichten mittleren Prognose mit Zinsen von 5 % bis 5,25 % am Ende des nächsten Jahres – also nur einen Viertelpunkt unter dem aktuellen Niveau. Die politischen Entscheidungsträger werden auf ihrer nächsten Sitzung aktualisierte Prognosen für die Zinssätze und die Wirtschaft vorlegen.

Zinsen: Fed-Powell dämpft Erwartung an Zinssenkungen - Wirtschaft kühlt ab
Die Märkte glauben Powell nicht.

Keine Eile

Trotz der Zurückhaltung Powells konzentrierten sich die Marktteilnehmer auf seine Äußerungen, dass die Geldolitik nun „weit in den restriktiven Bereich“ vorgedrungen sei und dass die volle Wirkung früherer Zinserhöhungen noch nicht vollends in der Wirtschaft zu spüren sei.

„Wir brauchen uns jetzt nicht zu beeilen, da wir schnell und energisch gehandelt haben“, sagte er in einer Fragerunde nach seinen vorherigen Ausführungen. „Wir haben das erreicht, was wir erreichen wollten. Die Fed hat jetzt die Möglichkeit, vorsichtig zu handeln, so Powell.

Der Fed-Vorsitzende hob die jüngsten Fortschritte beim Preisdruck hervor. Allerdings wies er auch darauf hin, dass die Kerninflation, die Lebensmittel und Energie ausschließt, im Oktober eine Jahresrate von 4,0 % aufwies und damit über dem Gesamtziel eines jährlichen Anstiegs von 2 % lag.

Der Fokus der Wall Street auf mögliche kurzfristige Zinssenkungen wurde durch die Kommentare von Fed-Gouverneur Christopher Waller, der eher zum Lager der Falken gehört, in dieser Woche verstärkt. Er räumte ein, dass die Federal Reserve bereit wäre, Zinssenkungen in Erwägung zu ziehen, wenn die Inflation weiter nach unten geht. Er zitierte dabei geldpolitische Leitlinien, darunter eine populäre, von John Taylor von der Stanford University entwickelte Taylor-Regel, die bei sinkender Inflation einen niedrigeren Leitzins fordert.

„Die Leute erwarteten eine stärkere Gegenreaktion gegen Waller“, sagte Brett Ryan, ein leitender US-Volkswirt bei der Deutschen Bank, über die Marktreaktion vom Freitag. „Powell hat sich nicht anders geäußert. Es war das Fehlen einer expliziten Gegenrede zu Wallers Kommentaren, die der Markt in eine dovishe Richtung interpretiert hat.“

Tür für weitere Straffung bleibt offen

Powells Äußerungen, die die Möglichkeit einer weiteren Straffung der Geldpolitik offen ließen, wiederholten seine Ansicht nach der letzten Sitzung des FOMC im November. Zwei Beamte – Thomas Barkin von der Richmond Fed und Fed-Gouverneurin Michelle Bowman – sprachen in dieser Woche ebenfalls von der Möglichkeit weiterer Zinserhöhungen, falls sich die Inflation als hartnäckig erweisen sollte.

Darüber hinaus bezeichnete der Fed-Vorsitzende den Arbeitsmarkt als „sehr stark“, obwohl er anmerkte, dass mit der jüngsten Verlangsamung „die Wirtschaft zu einem besseren Gleichgewicht zwischen der Nachfrage nach und dem Angebot an Arbeitskräften zurückkehrt“.

Abkühlung der Wirtschaft

In der Zwischenzeit deuten die eingehenden Wirtschaftsdaten weiterhin auf eine Abschwächung der Wirtschaftsaktivität hin. Ähnlich wie die Ergebnisse des jüngsten Beige Book der Fed unterstrichen auch die Kommentare der Industrie in der jüngsten Umfrage des Institute for Supply Management unter den Herstellern die wachsende Besorgnis.

Ein Hersteller von Computer- und Elektronikprodukten beschrieb die Konjunktur als „dramatisch verlangsamt“, da die Kunden ihre Bestellungen verzögerten, um ihre Lagerbestände aufzustocken, heißt es in dem am Freitag veröffentlichten ISM-Bericht. Ein Hersteller von chemischen Produkten „begann, die Aufweichung der Wirtschaft zu spüren“ und sah die Aussichten als schwierig an, während ein Hersteller von Holzprodukten sagte, dass die hohen Kreditkosten „die Nachfrage gedämpft haben“.

Noch beflügeln die schwächeren Konjunkturdaten die Hoffnung auf baldige Zinssenkungen. Doch irgendwann stehen die Märkte an dem Punkt, an dem die Sorge einer Wirtschaftsabkühlung, die Freude über die mögliche Zinswende überwiegt – nämlich dann, wenn sich herausstellen sollte, dass die Wirtschaft eine härtere Landung erleidet als bisher erwartet.

FMW/Bloomberg



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