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Ukraine: Zahlungsausfall, Staatspleite, Klage durch Russland, Liquidität trotzdem gesichert

FMW-Redaktion

Eine bizarre so noch nie da gewesene Konstellation. Die Ukraine im Zahlungsausfall = Staatspleite, normalerweise. Aber dass ein Staat Schulden an einen anderen Staat nicht zurückzahlt, also de facto eine Staatspleite hinlegt, und dennoch weiter frische Kredite von anderer Seite erhält, fortlaufend, das ist neu! Der Dank hierfür gebührt dem IWF. Russland will jetzt eine Klage in Großbritannien vorbereiten und verhängt Sanktionen gegen die Ukraine. Die ist aber weiter liquide. Alle Details hier…

Dimitri Medvedev Russland Ukraine
Russlands Ministerpräsident Dimitri Medvedev hat heute die Anweisung gegeben die Klage gegen die Ukraine vorzubereiten. Foto: Government of Russia

Zahlungsausfall für die Ukraine

Am Freitag hatten wir zuletzt darüber berichtet. Die Ukraine weigert sich 3 Milliarden Dollar Schulden, die am gestrigen Sonntag fällig waren, an Russland zurückzuzahlen. Somit ist der „default“, also der Zahlungsausfall offiziell, was normalerweise mit einer Staatspleite gleichzusetzen ist. Man hat seitens der Ukraine in den letzten Monaten diverse obskure Begründungen angeführt, warum man nicht zahlen will oder kann. Am Freitag schließlich entschied man sich dem Ganzen eine offizielle Aura zu verleihen und verhängte als Schuldner ein Zahlungs-Moratorium gegen seinen Gläubiger Russland. So kann man es auch machen…

Auch heute bleibt bisher die Zahlung seitens der Ukraine Richtung Russland aus, und es wird wohl so schnell auch keine kommen. Deswegen hat heute der russische Ministerpräsident Medvedev die Anweisung erteilt eine Klage gegen die Ukraine vorzubereiten – er gehe davon aus, dass die Ukraine nicht zahlen werde. Weil es in den Anleihebedingungen so verankert war, muss diese Klage in Großbritannien durchgeführt werden. Da hat man nun zwei Möglichkeiten. Entweder zieht man vor ein „normales ordentliches“ Gericht, oder man geht zum „London Court of International Arbitration“, einem Schiedsgericht, das solche Fälle diskret im Hinterzimmer ohne Reporter und Öffentlichkeit durchführt. Wir raten mal: beide Seiten werden sich wohl für das Letztere entscheiden.

Russland möchte die 3 Milliarden Dollar + 75 Mio Dollar Zinsen von der Ukraine zurückerhalten. Wenn Russland gewinnt, wogegen augenscheinlich nichts spricht, so könnte die Ukraine dann auch weiterhin einfach die Zahlung verweigern, aber: Russland könnte dann mit einem international anerkannten Rechtstitel versuchen Vermögensgegenstände des ukrainischen Staates außerhalb der Ukraine beschlagnahmen zu lassen. Was wäre das wohl für eine nicht enden wollende Posse. Würde z.B. die US-Regierung Wertgegenstände der Ukraine an Russland aushändigen, wenn diese auf US-Gebiet vorhanden wären, z.B. ukrainische Devisenreserven bei einer US-Bank? Kaum vorstellbar. Das kann noch spannend werden!

Irgendwie nur so ein bisschen Staatspleite?

Warum spricht die weltweite Medienlandschaft heute nur von „default“, also Zahlungsausfall, aber nicht von Staatspleite? Das mag wohl an einer ganz bestimmten Art von Wahrnehmung liegen. Russland ist irgendwie der böse Bube, und die Ukraine irgendwie das Opfer, und außerdem hat der IWF ja vor Kurzem quasi eine „Lex Ukraine“ eingeführt. Jetzt wo Kiew offiziell in Zahlungsverzug gegenüber einem anderen Staat ist, wird der IWF aufgrund seiner neuen Regel trotzdem sein 17,5 Milliarden Dollar-Paket weiter in Raten auszahlen, und Kiew bleibt nach wie vor liquide. Kiew kann also weiterhin seine Rechnungen bezahlen. Vielleicht wird es deswegen gefühlt eher als eine Art „Ausnahme“ angesehen, dass da irgend so eine Anleihe an Russland nicht zurückgezahlt wird. Aber sonst läuft ja alles nach Plan. Der IWF ist irgendwie zufrieden, EU und USA auch, dann kann man ja „irgendwie“ nicht von Staatspleite sprechen.

Britische Rechtskreise, die nicht genannt werden wollten, vermuten: Bei einem Gerichtsverfahren (egal ob öffentlich oder hinter verschlossenen Türen) könnte die Ukraine versuchen die Annexion der Krim in den Prozess einzubauen mit dem Ansatz Russland habe bereits die Annexion geplant vor dem Anleihe-Geschäft. Man könne damit eine Art von Schuld oder Beschämung für Wladimir Putin inszenieren. Alles noch weit hergeholt und zu schwammig finden wir, denn wie will man eine in Buchstaben niedergeschriebene Anleihe-Emission mit so etwas verknüpfen, in einem Prozess?

Die weitere Aussicht für die Ukraine

Medvedev sagte heute erneut, was vor Kurzem schon angekündigt wurde. Ab 1. Januar kündigt Russland den Freihandel mit der Ukraine und wird auch keine Waren mehr aus der Ukraine importieren (EU hat ja Sanktionen gegen Russland auch verlängert).

Die Ebenen unterhalb der Ministerpräsidenten auf beiden Seiten betonten Ende letzte Woche man sei nach wie vor für eine außergerichtliche Einigung. Aber danach sieht es im Augenblick wirklich nicht aus. Kommt es doch dazu, ist eines entscheidend: Die Privatgläubiger hatten schon einem Schuldenschnitt von 20% zugestimmt. Würde die Ukraine im Rahmen eines Kompromisses Russland einen besseren Deal geben, wäre der Schuldenschnitt der Privaten womöglich rechtlich hinfällig – sie müssten also einem Sonderweg für Russland zustimmen.

Für Kiew maßgeblich entscheidend: Der IWF hält das Land weiterhin finanziell am Leben mit seinen Milliarden-Krediten. Nichts ist für Premier Jazenjuk wichtiger, verständlicherweise. Gäbe es noch einen Staatsapparat, wenn er seine Staatsangestellten nicht mehr bezahlen kann?

Private Anleihe-Investoren werden, wo darf man es vermuten, nach der de facto eingetretenen Staatspleite wohl nur frisches Geld in ukrainische Staatsanleihen pumpen, wenn sie dafür durch westliche Institutionen wie IWF, USA oder EU-Kommission irgendeine Art von Garantie erhalten. Zahlt die Ukraine nicht, zahlt eben die EU – mit so einem einfachen Versprechen könnten zukünftig wohl auch weiterhin private Gelder nach Kiew fließen.




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1 Kommentar

  1. Russland hatte den alten Ukrainischen Regime die 3 Mrd geliehen, weil das vom Westen keine Kredite mehr bekommen hatte. Der Westen wollte damit den Abgang der Regierung Janukowitsch erzwingen. Mit den Westen befreundete Oligarchen haben den Abgang dann mit Schlägertruppen erzwungen. Das war sicherlich der Anfang vom Scheitern des Westen in der Ukraine. Nach dem gewaltsamen Abgang wurde eine „Idioten“ Regierung an der Macht installiert, die auch nach „gelenkten“ Wahlen gehalten wurde. Diese Regierung treibt die Ukraine immer mehr Richtung Finanzieller und Gesellschaftlicher Pleite hin. Am Ende hat sich der Westen damit nur selber ein neuen Brandherd geschaffen. Kommt jetzt ganz ungelegen, weil der Westen sich mittlerweile um zu viele Brandherde (Migartion, Orbanisierung, IS Terror, hohe Schulden etc) kümmern muss, die meistens viel wichtiger sind als das Ukrainische Problem.

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