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Zu viele Kompromisse aus Sicht der Trump-Anhänger USA: Mehrheitsführer des Repräsentantenhauses gestürzt – „Bürgerkrieg“ bei den Republikanern

USA: Mehrheitsführer des Abgeordnetenhauses Kevin McCarthy in den USA gestürzt
Foto: Nathan Howard/Bloomberg

Kevin McCarthy wurde am Dienstag zum Sprecher des US-Repräsentantenhauses mit der kürzesten Amtszeit seit 147 Jahren. Er verlor seinen Führungsposten, nachdem Hardliner in seiner eigenen Partei (GOP) am vergangenen Wochenende gegen seinen mit den Demokraten ausgehandelten Kompromiss zur Abwendung einer Regierungsschließung revoltierten. Er sagte, er werde nicht erneut für das Amt des Mehrheitsführers kandidieren. Er werde aber auch nicht sein Abgeordnetenmandat niederlegen.

Republikaner stürzen Parteigenossen mit einem für den Kongress in den USA ungewöhnlichen Manöver

McCarthy wurde von den sogenannten „MAGA„-Republikanern (Anhänger von Trumps „Make Amerika Great Again“) förmlich weggemobbt. Durch aggressive Telefonkonferenzen und Beschimpfungen haben die konservativen Republikaner es geschafft, das erste Mal seit Gründung der USA einen amtierenden Mehrheitssprecher durch ein Vertrauensvotum während seiner Amtszeit zu stürzen. Und das nur wenige Wochen vor dem nächsten Shutdown-Termin.

McCarthys Rednerstatus war von Anfang an umstritten. Seine Wahl im Januar dauerte fünf schmerzhafte Abstimmungstage. Erst im 15. Wahlgang konnte er sich durchsetzen, nachdem einige der Hardliner mit „anwesend“ gestimmt hatten, wodurch er die Gesamtzahl der benötigten Stimmen reduzieren konnte.

Die „MAGA“-Republikaner nutzten diese Abstimmung, um Änderungen zu erzwingen – darunter auch die, die McCarthy letztendlich zu Fall brachte: Eine Änderung der Regel, die es einem einzelnen Abgeordneten ermöglicht, eine Abstimmung zu erzwingen, um den Sprecher des Abgeordnetenhauses zu stürzen.

Der nun ehemalige Sprecher des Repräsentantenhauses verlor bei dieser Abstimmung mit 216 zu 210 Stimmen. Wobei sich 208 Demokraten den acht Republikanern anschlossen, die sich gegen McCarthy stellten. Seine Amtszeit dauerte nur 269 Tage, die drittkürzeste in der Geschichte der USA.

Der Abgeordnete Patrick McHenry aus North Carolina, Vorsitzender des Finanzausschusses, übernahm nach ein er Abstimmung mit 216 zu 210 Stimmen als Interims-Sprecher das Amt seines Vorgängers bis zu einer endgültigen Neuwahl.

Das Repräsentantenhaus plant, am 11. Oktober eine Wahl für den nächsten Mehrheitssprecher abzuhalten, sagte der Republikaner Tim Burchett. Präsident Joe Biden hoffe, dass das die Abgeordneten „schnell“ einen neuen Sprecher wählen, erklärte die Pressesprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre.

Die Welt schaut fassungslos auf Amerika

Die jüngsten Unruhen haben bei Investoren und politischen Führern laut Bloomberg News auf der ganzen Welt die Besorgnis über eine zunehmende Dysfunktion der Regierung in Washington geschürt. Moody’s Investors Service, der einzige verbleibende große Kreditbewerter, der den USA ein Top-Rating verleiht, warnte Ende September, dass sein Vertrauen in die USA aufgrund von Bedenken hinsichtlich der „Governance“ schwanke.

Sofern es keinen Skandal oder Todesfall gibt, sind die Sprecher des Repräsentantenhauses in der Regel jeweils zwei Jahre im Amt. Sie werden zu Beginn jedes neuen Kongresses gewählt und bleiben im Amt, bis dieser zwei Jahre später vertagt wird.

McCarthy mit drittkürzester Amtszeit als Sprecher des Repräsentantenhauses der USA

Goldman Sachs sagte in einer Analyse für seine Kunden, dass das Risiko eines Regierungsstillstands im nächsten Monat nun deutlich erhöht ist. McCarthys Nachfolger werde wahrscheinlich unter „noch größerem Druck“ stehen, ein vorübergehendes Finanzierungspaket oder zusätzliche Mittel für die Ukraine zu erreichen.

„Bürgerkrieg“ innerhalb der Republikaner – Shutdown wird wahrscheinlicher

„Hier versuchen wir, Mittel bereitzustellen. Wir haben die Ukraine, wir haben Grenzprobleme. Und innerhalb der Republikanischen Partei gibt es diesen Bürgerkrieg“, sagte der Abgeordnete Henry Cuellar, ein Demokrat aus Texas, in der Sendung „Balance of Power“ gegenüber Bloomberg Television. „Und bei allen Themen, insbesondere an der Grenze, können wir nichts tun, bis sie mit diesem Krieg fertig sind.“

Die Notfinanzierungsmaßnahme, die den Shutdown verhinderte, gab den Gesetzgebern nur bis zum 17. November Zeit, um eine dauerhafte Budgetfinanzierung zu verabschieden.

„Das untergräbt dieses ganze Ziel, denn jetzt werden sie wer weiß wie lange in einer Sprecherwahl stecken bleiben“, sagte Senator John Cornyn, Republikane aus Texas, nach der Sturzabstimmung.

Die Unruhen am Dienstag sind nur der jüngste politische Umbruch für die Grand Old Party (GOP). Der derzeitige Präsidentschaftskandidat der Partei, Donald J. Trump, sitzt in einem New Yorker Gerichtssaal und muss sich mit einem zivilrechtlichen Betrugsfall auseinandersetzen. Letzte Woche grenzte die Debatte zwischen seinen Rivalen um die Nominierung zeitweise an Chaos.

Am Ende war McCarthy nicht in der Lage, mit den Demokraten oder ultrakonservativen Republikanern zu verhandeln, um seinen Job zu retten. Sein Ende begann im Grunde schon mit dem Verhindern des Shutdowns am 1. Oktober mit für viele Republikaner untragbaren Kompromissen zur Staatsverschuldung und dem Grenzschutz.

Nun rückt ein tatsächlicher Regierungsstillstand noch im vierten Quartal dieses Jahres näher. Dieser wäre in Anbetracht der ökonomischen und geopolitischen Gemengelage gefährlich.

 

FMW/Bloomberg



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1 Kommentar

  1. Grandioses Timing für eine Regierungskrise, die wochen- bis monatelang dauern kann. Eine Sprecherwahl, die alles andere als einfach wird, während eigentlich der nächste Haushaltsplan her muss, da der nächste shutdown droht. Andererseits eine Chance für einen Deal zwischen Demokraten und gemäßigten Republikanern. Erstere dürften sich aber vorerst weiter zurücklehnen und bei der Selbstdemontage der GOP zusehen. Jedenfalls ist das Haus beim Eintritt eines unerwarteten Ereignisses handlungsunfähig.

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