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USA vs China Wirtschaftskrieg: 250 Milliarden US-Dollar Hilfe für US-Chipindustrie

Der chinesische Chip-Riese SMIC hat einen technologischen Durchbruch bei der Chip-Produktion. Eskaliert der Wirtschaftskrieg gegen die USA?

Flaggen von USA und China

Die USA rüsten im Wirtschaftskrieg gegen China weiter auf. Diese Woche verabschiedete das US-Repräsentantenhaus in einem parteiübergreifenden Konsens ein Gesetz zur Unterstützung und Förderung der heimischen Chipindustrie, den „Chips and Science Act“. Das Hilfspaket hat ein Volumen von mehr als 250 Milliarden US-Dollar. Fast zeitgleich hierzu meldete die SCMP (South China Morning Post), dass dem chinesischen Chip-Riesen SMIC wohl ein technologischer Durchbruch bei der Produktion von 7-nanometer Transistoren (7nm) gelungen sei. Bisher konnte nur der koreanische Konzern Samsung Electronics und die taiwanesische Firma TSMC solch winzige Transistoren herstellen. Mit dem nun beschlossenen „Chips and Science Act“ versuchen die USA, im Wirtschaftskrieg gegen China nachzurüsten und eine eigene, heimische Chipproduktion (Halbleiter-Produktion) aufzubauen.

Entflechtung einer global agierenden Industrie-Struktur

Die weltweite Chipkrise spitzt sich seit Jahren immer enger zu. Lockdowns, Container-Staus, Lieferkettenstörungen, Wirtschaftskrieg und Sanktionen haben eine präzise eingespielte und hoch komplexe Industrie völlig aus der weltweiten Umlaufbahn geworfen. Vormals eine absolut global aufgestellte Industrie, drängen nun insbesondere die USA und China auf eine gewisse Unabhängigkeit bei der Chipproduktion. Europa hat die Zeichen der Zeit noch nicht erkannt und unternimmt bisher keine großen Anstrengungen, komplexe Chip-Technologie in Europa zu etablieren. Microchips sind die Zahnrädchen im riesigen Uhrwerk unsere modernen Zeit, und wer die „schnellsten“ entwickelt und baut, hat in vielen Bereichen einen technologischen Vorsprung. Alleine die modernen Waffensysteme brauchen die besten Microchips, aber auch Autos, Handys und Kühlschränke benötigen diese winzigen Bauteile. Grund genug also, die öffentlichen Kassen zu öffnen, um die Produktion im eigenen Land zu entwickeln und zu fördern.

Wirtschaftskrieg: Über 250 Milliarden US-Dollar für Industrie, Forschung und Entwicklung

Mehr als ein Jahr ist vergangen, seitdem der Entwurf des „Chips and Science Act“ auf dem Tisch lag, jetzt wurde er endlich vom US-Repräsentantenhaus verabschiedet, nachdem bereits der Senat zugestimmt hatte. Der „Chips and Science Act“ ist ein 52 Milliarden US-Dollar Hilfspaket für die heimische Chip-Industrie. Weitere 200 Milliarden US-Dollar sollen, über die nächsten zehn Jahre verteilt, in die heimische Forschung und Entwicklung fließen. Der Erlass liegt nun Präsident Joe Biden zur Unterzeichnung vor – er hatte aber zuvor schon seine Zustimmung signalisiert, so dass die Unterzeichnung nur noch eine reine Formsache ist. Präsident Biden kann diesen parteiübergreifenden Beschluss als Erfolg seiner Administration verbuchen. Dieser Beschluss wird weit über seine Amtszeit hinaus wirken und hat strategische Bedeutung, denn eine unabhängige Lieferkette bei der Produktion von Microchips ist für eine Macht wie die USA ein „must-have“. Präsident Biden schließt damit eine Lücke im wirtschafsstrategischen Sicherheitskonzept der USA, die seit dem drohenden Taiwan-Konflikt offensichtlich geworden ist.

Taiwan und Südkorea weltweit führend in der Chip-Industrie

Nancy Pelosi, Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, äußerte sich in einem Statement vor der Abstimmung: „Diese Amtszeit (Joe Bidens Präsidentschaft) ist ein großer Gewinn für amerikanische Familien und die amerikanische Wirtschaft. Sobald das Gesetz in Kraft tritt, wird es unsere heimische Chip-Industrie unterstützen, die amerikanische Industrie-Fertigung neu beleben und nahezu 100.000 gut bezahlte, durch Gewerkschaften geschützte Jobs schaffen.“ Die USA sind in der Chipproduktion weltweit nicht die führende Nation. Die Chipindustrie in Südkorea und Taiwan ist deutlich weiter entwickelt. Wenn dem chinesische Chip-Gigant SMIC nun tatsächlich der Durchbruch bei der Produktion von 7nm-Transistoren gelungen ist, wie die SCMP berichtete, würden die USA im technischen Vergleich noch weiter zurückfallen.

Hintergundwissen: Was macht 7-Nanometer Transistoren (7nm) so begehrt?

Das Mooresches Gesetz besagt, dass sich die Komplexität integrierter Schaltkreise, also die Anzahl der Transistoren auf einer CPU (Central Processing Unit; Prozessor) regelmäßig verdoppelt. Als Zeiteinheit werden 12, 18 oder 24 Monate genannt. Eine CPU besteht aus Milliarden winziger Transistoren, die Berechnungen durchführen. Auf einem einzelnen Microchip können bis zu 12 Milliarden Transistoren integriert sein. 7nm und 10nm sind Maßeinheiten für diese Transistoren, ein Nanometer sind 0,000001 Millimeter. Der Fortschritt bedeutet also vereinfacht, je kleiner die Transistoren, umso mehr passen auf einen einzelnen Chip und umso geringer der Stromverbrauch. Das spielt insbesondere bei mobilen Geräten eine herausragende Rolle. Und nicht nur für Handys oder Laptops, sondern auch für alle mobilen Waffentechniken. Obwohl diese Beobachtung schon 1965 von Gordon E. Moore, ein Mitbegründer von Intel, formuliert wurde und als Mooresches Gesetzt in die Geschichte der Microchips eingegangen ist, galt es bis lange in die 2000er Jahre hinein. Seit 2014 jedoch wurde keine Verkleinerung mehr der Transistoren bei Intel in der Produktion erreicht. Laut letztem Stand der Informationen arbeitet Intel immer noch mit 10nm-Transistoren, während TSMC mit 7nm-Transistoren fertigt und die neuen CPUs von AMD und den A12x-Chip von Apple produziert. Marktführer ist Samsung Electronics mit 3nm-Transistoren, TSMC will noch dieses Jahr aufschließen und 5nm-Transistoren produzieren. Von SMIC wusste man bisher, dass sie noch 14nm-Transistoren fertigen.

SMIC produziert schon seit einem Jahr 7nm-Transistoren?

Nun hat die SCMP am 28. Juli berichtet, dass dem chinesischen Chip-Riesen SMIC ebenfalls der Durchbruch in der 7nm-Fertigung gelungen sei. Die Chip-Story liest sich wie ein Spionageroman im Wirtschaftskrieg USA gegen China. TechInsights, eine kanadische Tech-Analyse-Firma, konnte einen aus einem Bitcoin-Rechenzentrum ausgebauten SMIC–Chip untersuchen, der im Juli 2021 produziert wurde. Durch „Reverse Engineering“ kam man zu dem Ergebnis, dass Chinas Chip-Gigant der Durchbruch in der 7nm-Technologie gelungen sei. Beim „Reverse Engineering“ werden die einzelnen Konstruktionselemente des Chips extrahiert. Aus dem fertigen Objekt wird somit wieder ein Plan erstellt. Damit wäre SMIC technisch weiter als die Konkurrenz in den USA und Europa, gegenüber TSMC und Samsung Electronics würde der chinesische Chip-Gigant allerdings technisch noch ein bis zwei Generationen zurück liegen.

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Produktion von 7nm-Chips mit herkömmlichen Lithographie-Systemen am Limit

Um die technisch hochwertigen Microchips zu produzieren, benötigt man komplexe Lithographie-Systeme, die fast ausschließlich von der niederländischen Firma AMSL Holding hergestellt werden. Die meisten Chip-Fabriken produzieren noch mit sogenannten deep ultraviolet lithography Systemen (DUV), wie auch SMIC. Laut Experten arbeiten diese Systeme aber bei 7nm am Limit ihrer Leistungsfähigkeit, so dass die Qualität der produzierten Transistoren leiden könnte. Die neusten, sogenannten extreme ultraviolet lithography Systeme (EUV), die für die 7nm-Produktion und darunter entwickelt wurden, werden aber von AMSL Holding nicht an SMIC geliefert. Die USA konnten das bisher verhindern. AMSL Holding war übrigens die größte Shortposition in der zuletzt von Bridgewater aufgebauten, gigantischen Short-Wette gegen europäische Unternehmen.

Wie hat es SMIC trotz Wirtschaftskrieg und Sanktionen geschafft?

Die USA versuchen seit Jahren die chinesische Chipindustrie mit Sanktionen zu schwächen und am technologischen Fortschritt zu hindern. SMIC war es in der Vergangenheit gelungen, einen hohen Manager und Experten für die Chipproduktion von TSMC abzuwerben. Es handelt sich hierbei um den jetzigen Co-CEO von SMIC, Lian Mong Song. Mit einem Team aus 2.000 Ingenieuren ist es ihm offensichtlich gelungen, mit veralteten DUV-Systemen 7nm-Transistoren herzustellen. Der chinesische Chip-Gigant SMIC schweigt bisher, in traditionell fernöstlicher Art, und gibt kein öffentliches Statement zu diesem Thema ab. Soviel zum Wirtschaftskrieg, der sich wie ein Spionageroman liest.

Wie reagiert der Philadelphia Semiconductor Index (SOX) auf die Meldung? Die Entscheidung für das Gesetz war am Aktienmarkt bereits erhofft worden, schließlich waren die Chip-Werte in den letzten Wochen auffällig gut gelaufen. Der Philadelphia Semiconductor Index (SOX) setzt sich aus den 30 größten US-Firmen der Halbleiterindustrie zusammen, die an der NASDAQ gelistet sind. Hier ein Chart des SOX seit Jahresanfang:

Philadelphia Semiconductor Index im Vergleich zum Nasdaq

Aktuell verliert der SOX auf Jahressicht knapp 27 Prozent, aber es sah schon viel schlechter aus. Seit seinem Tief Ende Juni konnte der Index 20 Prozent zulegen. Der Monat Juli war für den SOX der beste seit langem. Der „Chip and Science Act“ beflügelt aktuell die Fantasien der Investoren und könnte die Kurse noch weiter befeuern. Die USA haben damit einen wichtigen Schachzug im weltweiten Wirtschaftskrieg nachgeholt, der sich in den nächsten Jahren auszahlen könnte. Dass sie einen weltweiten Wirtschaftskrieg entfesselt haben, ist bisher nur den Europäern nicht klar. China hat allerdings schon mit sehr scharfer Zunge gesprochen. Präsident Xi Jinping hatte in dem persönlichen Gespräch mit Präsident Joe Biden zur Taiwan-Frage sogar vor einem „Spiel mit dem Feuer“ gewarnt. Nun will Nancy Pelosi Taiwan einen Besuch abstatten. Wie wird China darauf reagieren?



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2 Kommentare

  1. Die Chipindustrie ist für die Waffenindustrie wichtig. Aber eben auch für Kultur in allen Facetten im Zusammenhang mit Hörspiele(n)/Smartphones. Die Volksrepublik China hat aktuell in Sachen Chipindustrie einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der Europischen Union und den Vereinigte Staaten von Amerika errungen. Es gilt zwischen Audible, EU-KI-Start-Ups und chinesische Seltene Erden/für Kopfhörer zu kooperieren. In Indonesien steht ein G20-Gipfel an.

  2. Die Chip-Industrie, welche hier gemeint ist hat nichts mit Hörspielen oder Kopfhörern zu tun.

    Der gesunkene Energieverbrauch von 7nm Chips kann auch für mehr Rechenleistung bei gleichem Verbrauch gegenüber den Vorgängern genutzt werden. Hier gilt in der Regel entweder oder.

    Neben dem gesunkenen Energieverbrauch oder der gestiegenen Rechenleistung, einer höheren Transistoranzahl für mehr Performance, bietet eine neue Fertigung auch Kostenvorteile, sobald die Fertigung beherrschbar geworden ist und der Ausschuss defekter Chips (Yield) sich in akzeptablen Regionen befindet.

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