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Zinsen: Die EZB spielt auf Zeit – das sind die Gründe

Zinsen: Die EZB spielt auf Zeit - das sind die Gründe
EZB-Konferenz in Gent. Foto: Bloomberg

Die Europäische Zentralbank setzt auf Zeitgewinn, bevor sie sich festlegen will, wann die Zinsen gesenkt werden. Die Währungshüter der EZB weisen immer deutlicher darauf hin, dass sie weitere Belege dafür sehen wollen, dass sich die Inflation ihrem 2%-Ziel nähert, bevor sie mit Zinssenkungen beginnen können. Das Hauptargument lautet, dass man mehr Informationen für einen nachhaltigen Rückgang der Inflation benötigt, vor allem, weil ein Indikator der EZB darauf hindeutet, dass die Löhne weiter steigen könnten. Laut Aussagen der EZB-Präsidentin Lagarde sind die Tarifverhandlungen im ersten Quartal entscheidend.

Wenn es nach EZB-Chefin Christine Lagarde geht, dann sollte die Zentralbank in ihrer Geldpolitik weiter auf Sicht fahren. Der geldpolitische Kurs hänge nach wie vor von der Datenlage ab, sagte sie vor eineinhalb Wochen vor dem Europäischen Parlament in Brüssel. Dies sehen aber nicht alle Ratsmitglieder so, weshalb die EZB zuletzt widersprüchliche Signale gesendet hat. Innerhalb des EZB-Rats ist eine hitzige Debatte darüber entstanden, wann die Zinsen erstmals gesenkt werden sollen. Die Forderungen der einzelnen Ratsmitglieder reichen dabei von einer ersten Senkung im März bis zu Abwarten, bis die US-Notenbank Fed ihre Zinswende vollzogen hat.

Zinsen: EZB bleibt datenabhängig

Wie Bloomberg berichtet, betonten am Freitag mehrere Notenbanker, dass die geldpolitische Lockerung erst beginnen kann, wenn in den kommenden Monaten mehr Daten vorliegen — insbesondere zu den Löhnen, deren Wachstum auch nach einer leichten Abschwächung im vierten Quartal hoch bleibt.

Solche Informationen werden nur langsam eintrudeln und wahrscheinlich nicht rechtzeitig für eine erste Senkung der Zinsen auf einer Sitzung im April, so der griechische Zentralbankchef Yannis Stournaras, der normalerweise zu den eher taubenhaften Stimmen im EZB-Rat gehört.

“Die jüngste Verlangsamung der Löhne gibt Hoffnung, dass wir auf dem richtigen Weg sind”, sagte er in einem Bloomberg-Interview. “Aber wir werden nicht genug Informationen haben, um über Zinssenkungen vor Ende des zweiten Quartals — also im Juni — zu entscheiden.”

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Zinsen: Widersprüchliche Aussagen der EZB-Mitglieder

Angesichts der rückläufigen Inflation und der Tatsache, dass die Wirtschaft der Eurozone kaum in Schwung kommt, hat sich die Debatte darüber, wann die EZB ihre historische Zinserhöhungskampagne rückgängig machen soll, verschärft. Einige Währungshüter haben angedeutet, dass sie bereit wären, im April einen Schritt zu tun. Andere haben signalisiert, dass sie lieber abwarten und sicherstellen wollen, dass die Inflation nicht wieder ansteigt. Neue Hinweise zur Inflation gibt es schon in dieser Woche, wenn am Freitag die Verbraucherpreise der Eurozone veröffentlicht werden. Analysten erwarten im Jahresvergleich einen Rückgang im Februar auf 2,5 % nach zuvor 2,8 %.

Marktteilnehmer haben lange spekuliert, dass die EZB nach der unerwartet starken Verlangsamung des Preisanstiegs die frühere Option wählen wird. Nach wiederholten Gegenstimmen falkenhafterer Währungshüter haben Händler ihre Wetten auf eine frühe Senkung der Zinsen in letzter Zeit jedoch zurückgeschraubt und halten einen ersten Schritt im Juni nun für wahrscheinlicher.

EZB legt den Fokus auf die Lohnentwicklung

In einer Rede im belgischen Gent sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde, die Verlangsamung des Lohnwachstums im vierten Quartal sei “ermutigend”, entscheidend für die Zinsentscheidungen seien jedoch die Tarifverhandlungen im ersten Quartal.

“Es gibt viele Sektoren und Arbeitnehmer, die von Verhandlungen betroffen sind, die im Laufe des ersten Quartals 2024 abgeschlossen werden”, sagte Lagarde vor Reportern bei einem Treffen der Finanzminister und Zentralbankpräsidenten des Euroraums. “Ich denke, dass diese Zahlen — insbesondere wenn sie weiterhin ermutigend sind — für uns wichtig sein werden, um Vertrauen zu schaffen.”

Die Daten zu den Löhnen und Gehältern der Arbeitnehmer im Euroraum sind für die Aussichten der Inflation zwar von entscheidender Bedeutung, werden aber erst mit großer Verzögerung veröffentlicht. Das macht die Entscheidung für den EZB-Rat komplizierter, da er auch die Gefahr berücksichtigen muss, eine schwache Wirtschaft zu lange unter Druck zu setzen.

Viele Währungshüter signalisieren jedoch, dass sie bereit sind, auf die notwendigen Informationen zu warten.

Der irische Zentralbankgouverneur Gabriel Makhlouf verwies im Bloomberg-Interview auf einen “erstaunlich widerstandsfähigen” Arbeitsmarkt und die Aussicht, dass das Wirtschaftswachstum in der zweiten Jahreshälfte anziehen könnte. “Wenn ich kann, ziehe ich es vor, Entscheidungen auf der Grundlage eines klaren Bildes zu treffen.”

Senkung der Zinsen frühstens im Juni

Bundesbankpräsident Joachim Nagel argumentierte ebenfalls, dass die EZB der Versuchung widerstehen müsse, die Zinsen zu früh zu senken.

“Wir sollten uns nicht vom eingeschlagenen Weg abbringen lassen”, sagte das EZB-Ratsmitglied am Freitag. “Jetzt gilt es, Ausdauer zu beweisen, auch wenn sich die restliche Wegstrecke manchmal zu ziehen scheint.”

In ähnlicher Weise warnte Madis Müller aus Estland davor, zu früh zu handeln, und sagte, “es wäre klug, mit der ersten Zinssenkung geduldig zu sein.”

“Das Lohnwachstum ist immer noch höher als das, was wir gerne sehen würden, um sicher zu sein, dass es mit unserem Inflationsziel übereinstimmt”, sagte er im Bloomberg-Interview. Lieber würde er die Daten für das erste Quartal abwarten, “um mit Zuversicht sagen zu können, dass alle Indikatoren darauf hindeuten, dass wir die Zinsen senken können.”

Diese Zahlen werden erst ab April eintreffen, was wahrscheinlich zu spät für die geldpolitische Sitzung der EZB Anfang des Monats ist und den Fokus auf den Juni legt.

Der Portugiese Mario Centeno betonte jedoch, dass die Währungshüter bereit sein müssten, auf ihrer nächsten Sitzung in zwei Wochen eine Senkung der Zinsen in Erwägung zu ziehen, falls die Daten dies erforderlich machen, auch wenn dies nur ein unwahrscheinliches Ereignis sei.

“Der März ist der Zeitpunkt, an dem wir die meisten neuen Daten vorliegen haben — einige Daten könnten darauf hindeuten, dass wir bereits im März über Zinssenkungen sprechen sollten”, sagte er im Bloomberg-Interview. “Ich sage nicht, dass es wahrscheinlich ist, aber wir müssen offen sein.”

FMW/Bloomberg



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2 Kommentare

  1. Aktuell gibt es für eine deutsche Staatsanleihe mit Restlaufzeit 10 Jahre etwa 2,3% Rendite. Bei Mercedes-Benz gibt es für ähnliche Konditionen etwas über 3%. Ob die EZB die Zinsen senkt oder nicht, dürfte egal sein. Also, für die reale Wirtschaft. Anders ist das für die Börsen, wobei da zuletzt der Erfolg von Nvidea entscheidend war und mögliche Zinssenkungen der FED ignoriert wurden. Also, der Ausfall dieser Zinssenkungen.

  2. Ein Beginn der Zinssenkungen vor der FED würde den Euro unter Druck bringen und zu einer weiteren Abwertung führen. Zumal die europäische Wirtschaft deutlich schlechter läuft als die amerikanische.

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