Die Novembersitzung der US-Notenbank ist vorbei, die ersten Schritte zur Normalisierung einer Geldpolitik, die alles Bisherige in den Schatten gestellt hat, sind getan – sind damit auch die Weichen gestellt für eine Umkehr bei den verschiedenen Zinsen, für die es 40 Jahre lang nur eine Richtung gegeben hatte: nach unten?
Zinsen: Von Paul Volcker bis Jerome Powell
Auch wenn es auf kurze und sogar mittlere Sicht nicht um eine Anhebung der (Leit-)Zinsen geht – diese bleiben wohl noch ein paar Monate auf dem Null-Niveau, welches durch Fedchef Ben Bernanke im Zeitraum der Finanzkrise 2008/2009 angesteuert wurde. Damals übrigens aus dem „einfachen“ Grund, die Finanzwelt vor einem totalen Kollaps zu retten.
Auch wenn es äußerst unwahrscheinlich ist, dass die Zinsen (hier gemeint die Leitzinsen, also die Federal Funds Rate) im Zeitraum eines Menschenlebens auf die 20,06 Prozent steigen werden – die nach der großen Stagflation in den 1970ern durch den legendären Notenbankchef implementiert wurden – hat die Explosion der Geldmenge Gefahren heraufbeschworen, die eine Wende bei den Kapitalmarkt-Zinsen unausweichlich machen. Die 0,52 Prozent bei den 10-Jährigen vom August 2020 in den USA dürfte wohl das Tief gewesen sein. Wie hoch werden die Zinsen bei den Langläufern klettern, bis die nächste Rezession die Renditen wieder in die Tiefe reißt?
Die große Berg- und Talfahrt im Leben der Boomer
Die 40 Jahre andauernde Senkung der US-Zinsen fand im Sommer 2020 ein Ende. Negative Leitzinsen soll es in den USA nicht geben, deren Wirkungslosigkeit zeigte vielen Notenbanken das Beispiel Japans.
Wenn man die Entwicklung der US-Leitzinsen mit der des großen Leitindex S&P 500 in einem Chart aufzeigt, fällt natürlich die fast jahrzehntelange Stagnation der Aktienmärkte bei der Koexistenz steigender Zinsen (Renditen) auf. Allerdings weisen nominale Darstellungen erhebliche Verzerrungen auf, wenn man die Inflation außen vor lässt.
Dieselbe Übersicht des S&P 500, der Zinsen (Fed Fund Rates) und der 10-jährigen Staatsanleihen ergibt bei einer inflationsbereinigten Darstellung schon ein etwas anderes Bild. Ein realer Aktienindex vermittelt, was eine Stagflation bei den Aktienrenditen verursacht – und dies praktisch über fast zwei ganze Jahrzehnte von 1965 bis 1982. Selbst hohe zweistellige Renditen sind nicht das, was sie scheinen. Negative Realrenditen hatten früher einmal den Aktienmärkten schwer geschadet.
Fazit
Die letzte Generation der Anleger kennt eigentlich nur einen Trend der Zinsen, denn die letzten Jahrzehnte waren geprägt von einem stetigen Rückgang der allgemeinen Zinsen, die etwas im jeweiligen Zyklus geschwankt sind. In früheren Zeiten nutzten die Notenbanken ihr zinspolitisches Instrumentarium, um die Inflation zu kontrollieren, exzessive Entwicklungen einzudämmen und die Wirtschaft anzukurbeln.
Seit jedoch Ben Bernanke die Leitzinsen während der Finanzkrise im Jahr 2008 auf null gesenkt hat, funktioniert das System der Steuerung von Inflation und Wirtschaft nicht mehr so richtig. Die Schulden hingegen sprangen auf Höhen wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr – aus relativer Sicht. Also, folgt jetzt ein erneuter Versuch der Normalisierung der Geldpolitik (nach 2016 bis 2018 durch Yellen und Powell)?
Terra Incognita, denn die Finanzwelt ist eine andere geworden, die Notenbankpolitik hat mit einer ganzen Serie von Quantitative Easing ein neues Kapitel in ihrer Geschichte aufgeschlagen. Ohne Modell, auf das man zurückgreifen kann. Das Experiment mit ungewissem Ausgang geht weiter.
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