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Vorschau und Ausblick Zinsentscheidung: EZB hält sich mit Senkung der Zinsen zurück

Zinsentscheidung: EZB hält sich mit Senkung der Zinsen zurück
EZB in Frankfurt. Foto: rcphotostock-Freepik.com

Die Europäische Zentralbank (EZB) wird die Zinsen bei ihrem heutigen Zinsentscheid unverändert lassen. Bevor sie die im Juni vorgenommene erste Zinssenkung wiederholt, dürften die Währungshüter zunächst weitere Beweise für Fortschritte bei der Inflation abwarten. Die Märkte erhoffen sich indessen von dem Auftritt der EZB-Präsidentin Christine Lagarde neue Hinweise auf eine weitere Lockerung im September.

EZB-Zinsentscheidung

Der Einlagensatz wird bei 3,75 % belassen, so die Meinung aller 55 von Bloomberg befragten Wirtschaftsexperten. Konkrete Vorgaben für die weitere Entwicklung der Kreditkosten werden nicht erwartet, da eine Reihe wichtiger Daten erst in den kommenden Wochen anstehen. Auch wenn die EZB ihren Zinspfad noch nicht konkretisieren wird, Christine Lagarde könnte womöglich einen ersten Fingerzeig für eine Zinssenkung im September geben.

Die Aufmerksamkeit richtet sich daher auf die nächste Sitzung im September. Ökonomen gehen davon aus, dass die Zentralbanker nach zwei weiteren monatlichen Inflationsberichten und neuen Daten zu Löhnen und Produktivität eine zweite Zinssenkung um einen Viertelpunkt vornehmen werden.

Bis dahin könnte es auch mehr Klarheit über die politischen Umwälzungen in Frankreich und den USA geben und darüber, wann die geldpolitische Lockerung der Federal Reserve beginnen wird, die Zinsen zu senken.

Die Anleger werden genau beobachten, ob Präsidentin Christine Lagarde Signale sendet, dass eine erneute Senkung der Zinsen in der Eurozone im Herbst möglich ist. Sie tritt um 14:45 Uhr in Frankfurt vor die Kameras der Journalisten – 30 Minuten nach der Bekanntgabe des EZB-Zinsentscheids.

Senkung der Zinsen

Die meisten Analysten sagen für dieses Jahr zwei weitere Zinssenkungen um jeweils einen Viertelpunkt voraus – im September und im Dezember -, während eine kleine Gruppe nur eine erwartet. Die Märkte vertreten eine ähnliche Auffassung, wobei sie eine Senkung der Zinsen im September voll einpreisen und stark zu einer weiteren tendieren.

Die geldpolitischen Entscheidungsträger haben deutlich signalisiert, dass ihr Treffen im Juli in erster Linie eine Gelegenheit ist, Bilanz zu ziehen. Chefvolkswirt Philip Lane erklärte gegenüber Bloomberg Television, dass sich die Debatte auf wirtschaftliche Fragen konzentrieren wird. Er sagte auch, dass die auf der Sitzung verfügbaren Daten nicht alle noch offenen Fragen beantworten werden.

Lagarde selbst hat Spekulationen genährt, dass die Währungshüter die Zinsen jedes Quartal senken werden, wenn sie aktualisierte Prognosen erhalten. „Ich bin mir nicht sicher, ob wir diese Daten bei jeder einzelnen geldpolitischen EZB-Ratssitzung erhalten“, sagte sie nach der Jahreskonferenz der EZB in Sintra, Portugal.

Die EZB könnte vierteljährlich die Zinsen senken
Ökonomen erwarten vierteljährliche Zinssenkungen der EZB bis September 2025

Löhne und Profite

Damit die Inflation wie geplant auf 2 % zurückkehrt, setzt die EZB auf ein moderates Lohnwachstum, schrumpfende Gewinnmargen und eine höhere Produktivität – ein komplexes Zusammenspiel, das sich möglicherweise nicht wie erwartet entwickelt.

Was Bloomberg Economics erwartet:

„Der jüngste Anstieg der Vergütung je Arbeitnehmer, die üppigen Tariferhöhungen und die Dienstleistungsinflation haben den EZB-Rat zögern lassen, die Zinsen erneut zu senken. Man wartet zunächst weitere Daten ab, die bestätigen, dass der Kostendruck nachlässt. Dies dürfte dazu führen, dass die EZB die Zinsen im Juli konstant hält, aber eine Verlangsamung dürfte einen weiteren Zinsschritt im September möglich machen.“ – David Powell, leitender Wirtschaftswissenschaftler für den Euroraum.

Vor allem der inländische Preisdruck bleibt fest – gestützt durch eine gesunde Nachfrage nach Dienstleistungen und einen robusten Arbeitsmarkt. In Deutschland, der größten Volkswirtschaft der Region, drängen die Gewerkschaften nach wie vor auf überproportionale Zuwächse, um die vergangene Inflation auszugleichen, was ihnen bisher auch weitgehend gelungen ist.

Der Beweis für ihre Erfolge im zweiten Quartal wird in den Wochen vor der EZB-Sitzung im September erbracht werden, wenn die Notenbanker neue Prognosen für das Wirtschaftswachstum und die Inflation in der Eurozone erhalten werden.

Risiken und Ungewissheit

Einige der jüngsten Indikatoren deuten darauf hin, dass der wirtschaftliche Aufschwung in der EU etwas an Fahrt verloren haben könnte. Das verarbeitende Gewerbe hat einen weiteren Rückschlag erlitten, der Dienstleistungssektor hat sich verlangsamt und das Vertrauen ist aufgrund der gestiegenen Unsicherheit geschwunden. Die anhaltende Wirtschaftsschwäche im Euroraum, ist sicherlich ein Argument für eine weitere Senkung der Zinsen im September.

Schon vor dem Attentat auf den ehemaligen Präsidenten Donald Trump sahen Analysten in den US-Wahlen im November das größte Risiko für die Wirtschaft des Euroraums. Seine Chancen, ins Weiße Haus zurückzukehren, haben sich zuletzt deutlich verbessert, zumal die Demokraten Joe Biden auffordern, einem jüngeren Kandidaten Platz zu machen.

EZB-Zinsentscheid: Warten auf neue Hinweise von Lagarde zu Zinssenkungen
Risiken für die Wirtschaft der Eurozone

Politische Risiken

Weitere Risiken lauern näher an der Heimat. Die vorgezogenen Neuwahlen in Lagardes Heimatland Frankreich lösten zunächst Befürchtungen über eine von der extremen Linken oder Rechten geführte Regierung aus, brachten aber schließlich ein Parlament hervor, das nicht in der Lage zu sein scheint, die fiskalischen Herausforderungen anzugehen, vor denen die zweitgrößte Volkswirtschaft der Region steht.

Die Märkte haben sich zwar beruhigt, aber die Ereignisse erinnerten an die europäische Schuldenkrise des letzten Jahrzehnts und löste in Italien, dessen öffentliche Finanzen ebenfalls auf dem Prüfstand stehen, Besorgnis aus.

Die Zentralbanker der EZB sagen, die Reaktionen der Anleger seien nicht ungerechtfertigt oder ungeordnet gewesen. Zudem wehren sie sich gegen Spekulationen, dass ihr zwei Jahre alter Schutzschirm gegen derartige Turbulenzen zum Einsatz kommen könnte. Sie haben auch ihre Bestürzung über den deutschen Finanzminister Christian Lindner zum Ausdruck gebracht, der die Rechtmäßigkeit des Instruments in Frage gestellt hat.

Sollte es den Regierungen jedoch nicht gelingen, die Haushaltsdefizite einzudämmen oder die Anstrengungen zur Steigerung der Produktivität zu vernachlässigen, könnten neue Turbulenzen drohen.

FMW/Bloomberg



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